Axel Retz
Dscheydiess Junifeys - Nase hoch und Augen zu?
Zu behaupten, dass ich unter einem schlechten Gedächtnis leide, wäre falsch. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Deswegen fühle ich mich dazu verpflichtet, heute einmal all diejenigen zu trösten, deren Erinnerungsvermögen vergangene Details schneller ins intellektuelle Nirgendwo hinausschleudert, als vom unfreiwilligen Besitzer des jeweiligen Gedächtnisses erwünscht:
Gut zwei Jahre ist es her, dass ich auf einem Treffen engagierter Börsianer vor einem sich anbahnenden Kurszusammenbruch der HighTechs warnte. Ein jung gebliebener Tollenträger entgegnete mir mit einem unnachahmlichem Tonfall, dass das ja vielleicht sein könne, eine "Siämdschiai" beispielsweise davon aber niemals betroffen werden könne, weil dies und das und jenes...
CMGI waren bereits von 140 US-Dollar auf unter 4 US-Dollar abgestürzt, als er mir vor rund einem halben Jahr wieder begegnete. Nicht der Tollenträger, wohl aber sein vielleicht aus Geldnot mittlerweile verkaufter, unnachahmlicher, leicht nasalierender, erstaunlicherweise aber niemals offen arroganter Tonfall. Das neue Evangelium aus neuem Mund: "Dscheydiess Junifeys", Mitte Januar an der Nasdaq kurz vor dem Aufwärtsbreak der 100 US-Dollar-Marke, sollte rasch neue historische Rekorde schreiben.
Diesmal hat's ja gestimmt! Nach dem jetzt veröffentlichten Geschäftsbericht hat JDS Uniphase im Geschäftsjahr 2000/01 den höchsten jemals erzielten Unternehmensverlust der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte ausgewiesen!
Auch heute quaken wieder viele Haussenfrösche. Und irgendwer wird auch heute wieder mit genau dem selben Tonfall die "besten Empfehlungen" abgeben. Wenn Sie ihn hören, denken Sie an Odysseus, stopfen Sie sich Wachs in die Ohren und sehen Sie sich Ihre Charts an.
Charttechnische Risiken, wohin sie blicken!
Von all dem in den letzten Wochen wieder aufflackernden Optimismus und der am Neuen Markt grassierenden Aufbruchsstimmung ist bei den Kursen nicht mehr angekommen als eine ganz normale Aufwärtskorrektur, wie wir sie seit Beginn der Super-Baisse der HighTechs immer wieder gesehen haben. Das sind die Fakten - und alles andere sind Wunschträume.
Dass Marktteilnehmer, die allein einen Kursverfall um 50, 70 oder 90 Prozent für ein Kaufargument halten, eine recht naive Sicht der Märkte haben, bedarf keiner weiteren Erörterung, zumal wenn man die volkswirtschaftlichen Nachwehen der gewaltigen Kapitalvernichtung und der Massententlassungen bedenkt. Aber auf die Dauer schmerzt es doch ein wenig, mit welcher dreisten Fahrlässigkeit (um nicht Schlimmeres zu vermuten) einige Herrschaften den Anlegern den ewigen Optimismus verkaufen, ohne sich einmal zu fragen, wo sie denn selbst finanziell heute stünden, wenn sie ihren eigenen Empfehlungen gefolgt wären. Fragen lassen müssen sich diese Kurzzeitgurus aber auch, ob sie eigentlich einen Chart lesen können. Willkürlich herausgegriffen, bilde ich nachstehend einmal das langfristige Kursbild von Dow Jones, Dax und HangSeng ab;
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nachrichten.boerse.de/marktbericht/Chart_01082001_retz2.gif" style="max-width:560px" >
nachrichten.boerse.de/marktbericht/Chart_01082001_retz3.gif" style="max-width:560px" >
Sie sehen: Nach Ausbildung eines massiv bearishen Diamanten kann sich der Dow derzeit noch knapp unterhalb seiner 1996er Aufwärtstrendlinie halten - und das nach einer historische beispiellosen Zinssenkungsserie der US-Notenbank. Ist das bullish?
Nicht viel besser sieht es beim Dax aus, der zwar noch knapp oberhalb seiner 1996er Aufwärtstrendgeraden notiert, von dieser Unterstützung aber nur noch hauchdünn entfernt ist. Finden Sie das bullish? Und schließlich der HangSeng, der auf einer seit 1994 etablierten und immer wieder trendentscheidenden Auffanglinie angekommen ist, deren Abwärtsbreak ihm eines extremen Selloff verheißen würde. Auch das ist nicht bullish! Das bedeutet:
Volkswirtschaftlich, astrologisch, psychologisch oder aus Gründen des gesunden oder weniger Menschenverstandes mag eine Trendwende an den Märkten in Sicht sein - charttechnisch ist sie es definitiv noch nicht. Und wer es geschafft hat, den Versuchungen der Gier und der Euphorie während der letzten Jahre zu trotzen, der sollte sich nicht ausgerechnet jetzt in eine Bullenfalle hineintappen.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Retz
03.08.2001
Dscheydiess Junifeys - Nase hoch und Augen zu?
Zu behaupten, dass ich unter einem schlechten Gedächtnis leide, wäre falsch. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Deswegen fühle ich mich dazu verpflichtet, heute einmal all diejenigen zu trösten, deren Erinnerungsvermögen vergangene Details schneller ins intellektuelle Nirgendwo hinausschleudert, als vom unfreiwilligen Besitzer des jeweiligen Gedächtnisses erwünscht:
Gut zwei Jahre ist es her, dass ich auf einem Treffen engagierter Börsianer vor einem sich anbahnenden Kurszusammenbruch der HighTechs warnte. Ein jung gebliebener Tollenträger entgegnete mir mit einem unnachahmlichem Tonfall, dass das ja vielleicht sein könne, eine "Siämdschiai" beispielsweise davon aber niemals betroffen werden könne, weil dies und das und jenes...
CMGI waren bereits von 140 US-Dollar auf unter 4 US-Dollar abgestürzt, als er mir vor rund einem halben Jahr wieder begegnete. Nicht der Tollenträger, wohl aber sein vielleicht aus Geldnot mittlerweile verkaufter, unnachahmlicher, leicht nasalierender, erstaunlicherweise aber niemals offen arroganter Tonfall. Das neue Evangelium aus neuem Mund: "Dscheydiess Junifeys", Mitte Januar an der Nasdaq kurz vor dem Aufwärtsbreak der 100 US-Dollar-Marke, sollte rasch neue historische Rekorde schreiben.
Diesmal hat's ja gestimmt! Nach dem jetzt veröffentlichten Geschäftsbericht hat JDS Uniphase im Geschäftsjahr 2000/01 den höchsten jemals erzielten Unternehmensverlust der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte ausgewiesen!
Auch heute quaken wieder viele Haussenfrösche. Und irgendwer wird auch heute wieder mit genau dem selben Tonfall die "besten Empfehlungen" abgeben. Wenn Sie ihn hören, denken Sie an Odysseus, stopfen Sie sich Wachs in die Ohren und sehen Sie sich Ihre Charts an.
Charttechnische Risiken, wohin sie blicken!
Von all dem in den letzten Wochen wieder aufflackernden Optimismus und der am Neuen Markt grassierenden Aufbruchsstimmung ist bei den Kursen nicht mehr angekommen als eine ganz normale Aufwärtskorrektur, wie wir sie seit Beginn der Super-Baisse der HighTechs immer wieder gesehen haben. Das sind die Fakten - und alles andere sind Wunschträume.
Dass Marktteilnehmer, die allein einen Kursverfall um 50, 70 oder 90 Prozent für ein Kaufargument halten, eine recht naive Sicht der Märkte haben, bedarf keiner weiteren Erörterung, zumal wenn man die volkswirtschaftlichen Nachwehen der gewaltigen Kapitalvernichtung und der Massententlassungen bedenkt. Aber auf die Dauer schmerzt es doch ein wenig, mit welcher dreisten Fahrlässigkeit (um nicht Schlimmeres zu vermuten) einige Herrschaften den Anlegern den ewigen Optimismus verkaufen, ohne sich einmal zu fragen, wo sie denn selbst finanziell heute stünden, wenn sie ihren eigenen Empfehlungen gefolgt wären. Fragen lassen müssen sich diese Kurzzeitgurus aber auch, ob sie eigentlich einen Chart lesen können. Willkürlich herausgegriffen, bilde ich nachstehend einmal das langfristige Kursbild von Dow Jones, Dax und HangSeng ab;
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Sie sehen: Nach Ausbildung eines massiv bearishen Diamanten kann sich der Dow derzeit noch knapp unterhalb seiner 1996er Aufwärtstrendlinie halten - und das nach einer historische beispiellosen Zinssenkungsserie der US-Notenbank. Ist das bullish?
Nicht viel besser sieht es beim Dax aus, der zwar noch knapp oberhalb seiner 1996er Aufwärtstrendgeraden notiert, von dieser Unterstützung aber nur noch hauchdünn entfernt ist. Finden Sie das bullish? Und schließlich der HangSeng, der auf einer seit 1994 etablierten und immer wieder trendentscheidenden Auffanglinie angekommen ist, deren Abwärtsbreak ihm eines extremen Selloff verheißen würde. Auch das ist nicht bullish! Das bedeutet:
Volkswirtschaftlich, astrologisch, psychologisch oder aus Gründen des gesunden oder weniger Menschenverstandes mag eine Trendwende an den Märkten in Sicht sein - charttechnisch ist sie es definitiv noch nicht. Und wer es geschafft hat, den Versuchungen der Gier und der Euphorie während der letzten Jahre zu trotzen, der sollte sich nicht ausgerechnet jetzt in eine Bullenfalle hineintappen.
Mit freundlichen Grüßen
Axel Retz
03.08.2001