Drohen München erneut "Beer Riots"?

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Drohen München erneut "Beer Riots"?

 
08.03.02 10:01
Die neuen Münchner Bierpreiserhöhungen im Spiegel der Revolutionsgeschichte

Ausgerechnet zur Starkbierzeit, der "fünften Jahreszeit" der Altbayern, verbreiten die Medien in München die Schreckensnachricht: "Bier wird wieder teurer". Egal ob es nun Maximator, Salvator, Triumphator oder Unimator www.munichx.de/trinken/bier.php3 target="_new" rel="nofollow">heißt, das Starkbier schmeckt in diesem Jahr neben dem würzigen und malz-aromatischen Geschmack nach "Teuro". Dem Bayrischen Rundfunk war das Thema Sondersendungen wert und von der Abendzeitung über den Merkur bis zur Süddeutschen stürzten sich die Münchner Blätter auf die lokale Horrormeldung.

Der Starkbieranstich mit der anschließenden Salvatorprobe am Nockherberg, bis über die Grenzen des Freistaates hinaus bekannt mit seinem "Politiker-Derblecken", amüsiert zwar in diesem Jahr ebenfalls nicht nur das einheimische Volk, sondern auch die "Zuagroaßten" (sollten sie auch das Ein oder Andere nicht verstehen). Doch alle Ereignisse um das Bier herum in München erhalten derzeit den Charakter von Protestkundgebungen.

Die Süddeutsche Zeitung übte sich dabei in bitterer Ironie unter der Überschrift  Rauf mit dem Bierpreis!. 6,60 Euro sollen die Münchner bald für ihre Maß in der Wirtschaft bezahlen. Verantwortlich sind die Brauereien, die ihre Abgabepreise erhöhen. Wenn's ums bayerische Bier geht, ist Vorsicht angesagt. Denn das ist den Bayern heilig. Ausführlich bemühen sich bemühen sich Brauereien, die Erhöhungen zu  begründen.

Die Lunte glimmt jedoch bereits. Bier ist Politik im Freistaat. Ein Blick in die Geschichte ruft Erinnerungen an revolutionäre Ereignisse in München wach, die mit Bier und Bierpreiserhöhungen verbunden waren, zuletzt mit der "Biergartenrevolution" von 1995 (siehe  www.biergartenverein.de). Das  Reinheitsgebot war das erste Lebensmittelgesetz der Welt, das Biermonopol konnte über Krieg und Frieden entscheiden. Im veränderten Bierpreis kündigten sich gute wie schlechte Zeiten an und er galt seit jeher als politisches Stimmungsbarometer.

Beachtenswert erscheint die politische Bedeutung der Bierstätten in der weiß-blauen Metropole: Versammlungslokal der städtischen Zunftrevolte um 1400 in München war der "Franziskaner" und auch hier ging es nur mit und auch um das Bier. Die konspirativen Treffs der Anführer des bayerischen Volksaufstands von 1705/06 waren Münchner Bierwirtschaften und die Massenversammlungen der Räterepublik fanden ebenfalls in Bierkellern statt. Ja, in diesen Bierstätten wurde Demokratiegeschichte geschrieben, hätte es nicht auch den "Bürgerbräukeller" gegeben, in dem ein folgenschweres Kapitel brauner Geschichte seinen Ausgang nahm.

Auch Alois Hingerl, der Dienstmann, der in den Himmel kommt (nach Ludwig Thoma und Walter Reiner), ist eine politische Figur. Aufsässig verweigert er im Himmel Manna und Frohlocken, mag nur ein Bier, kehrt zurück auf die Erde, sitzt dort im bekannten Hofbräuhaus, vergisst seinen Auftrag als Himmelbote für die Regierung und hier das Ende des Märchens: "...und so wartet die Bayerische Staatsregierung noch heute auf die göttliche Eingebung."

Zurück zum Bierpreis und zur Aufsässigkeit im historischen Vergleich der Süddeutschen Zeitung mit den Ereignissen  des Schicksalsjahrs 1844. Als 1844 ebenfalls Rohstoffverteuerungen und Steuern dazu führten, den Bierpreis anzuheben, damals allerdings um einen Pfennig pro Maß, stürmten mehrere tausend aufgebrachte Bürger am Abend des 1. Mai die Brauereibesitztümer und zertrümmerten alles, was ihnen unter die Fäuste kam. 41 Verletzte wurden gezählt. Die Obrigkeit antwortete mit Repression, im Erlass des Münchner Polizeidirektors vom 4. Mai 1844 heißt es:

"Das Zechen in den Gasthäusern wird von 6 bis 11 Uhr vormittags gar nicht, und nachmittags nur so lange geduldet, als keine Exzesse verübt werden. Bei vorfallenden Exzessen werden die Gasthäuser durch die bewaffnete Macht geräumt, und die Gäste setzen sich der Gefahr der Arretierung aus."  
 
Doch selbst die herankommandierten Soldaten wandten sich ebenfalls gegen die Preiserhöhung und weigerten sich, gegen die Randalierer vorzugehen. Da musste König Ludwig I. von Bayern am vierten Abend der Unruhen klein beigeben und per Dekret den Bierpreis wieder auf den alten Preis senken.

Dieser Aufstand schrieb international Revolutionsgeschichte: Ein Artikel über die erste Münchner Bierrevolution, eine zweite gab es noch mal 1848, erschien in England unter dem Titel "Beer Riots in Bavaria" am 25. Mai 1844 im Northern Star. Der Autor war ein gewisser Fred Engels, Deutschen eher als Friedrich Engels, Freund und Gefährte von Karl Marx bekannt. Leider fehlt dieser Artikel in der deutschsprachigen Marx-Engels-Werksausgabe, daher hier leider nur der englische Originaltext:

The Bavarian Beer is the most celebrated of all kinds of this drink brewed in Germany, and, of course, the Bavarians are much addicted to its consumption in rather large quantities. The government laid a new duty of about 100s. ad valorem on beer, and in consequence of this an outbreak occurred, which lasted for more than four days.
The working men assembled in large masses, paraded through the streets, assailed the public houses, smashing the windows, breaking the furniture, and destroying everything in their reach, in order to take revenge for the enhanced price of their favourite drink. The military was called in, but a regiment of horse-guards, when commanded to mount on horseback, refused to do so. The police, being, as everywhere, obnoxious to the people, were severely beaten and ill-treated by the rioters, and every station formerly occupied by police-officers had to be occupied by soldiers, who, being upon good terms with the people, were considered less hostile and showed an evident reluctance to interfere. They only did interfere when the palace of the King was attacked, and then merely took up such a position as was sufficient to keep the rioters back.

On the second evening (the 2nd of May) the King, in whose family a marriage had just been celebrated, and who for this reason had many illustrious visitors at his court, visited the theatre ; but when, after the first act, a crowd assembled before the theatre and threatened to attack it, every one left the house to see what the matter was, and His Majesty, with his illustrious visitors, was obliged to follow them, or else he would have been left alone in his place. The French papers assert that the King on this occasion ordered the military stationed before the theatre to fire upon the people, and that the soldiers refused. The German papers do not mention this, as may be expected from their being published under censorship; but as the French papers are sometimes rather ill-informed about foreign matters, we cannot vouch for the truth of their assertion.

From all this, however, it appears that the Poet King (Ludwig, King of Bavaria, is the author of three volumes of unreadable Poems, of a Traveller's Guide to one of his public buildings 1. &c. &c.) has been in a very awkward position during these outbreaks. In Munich, a town full of soldiers and police, the seat of a royal court, a riot lasts four days, notwithstanding all the array of the military, - and at last the rioters force their object. The King restored tranquillity by an ordinance, reducing the price of the quart of beer from ten kreutzers (31/4 d) 2. to nine kreutzers (3d). If the people once know they can frighten the government out of their taxing system, they will soon learn that it will be as easy to frighten them as far as regards more serious matters.

Written in mid-May 1844 First published in The Northern Star No.341, May 25, 1884, with an editorial note : "From our own Correspondent"
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Rauf mit dem Bierpreis!

 
08.03.02 10:02
Nun wird also, Prost, der Bierpreis erhöht, und die Obrigkeit schaut tatenlos zu. Normalerweise rächt sich das. Man braucht nur die Ereignisse des Schicksalsjahrs 1844 zu bedenken, die zumindest Münchens ältestem Bürger, dem circa 317-jährigen Olympia-Popen Timofej, noch gut in Erinnerung sind. Seinerzeit wurde schon mal der Bierpreis erhöht, was postwendend zum Aufstand führte. Rasch waren die Brauereien als Achse des Bösen entlarvt, und, logisch, daraufhin konnten die trinkenden Massen gar nicht anders als die Brauhäuser kurz und klein zu schlagen. Ergebnis des Bierkriegs: 41 Verletzte und Rückkehr zum alten Preis.

Das nur zur Mahnung, aber auf uns hört ja keiner. Andererseits mehren sich die Stimmen, die von der Bierpreiserhöhung eine Hebung des kulturellen Niveaus der Stadt erwarten. Vereinfacht gesagt, ruhen solche Hoffnungen in Volksweisheiten wie dieser: „Ist das Bier im Manne, ist der Verstand in der Kanne.“ Das deckt sich mit Klagen, die man zuweilen von Frauen vernimmt. Ihnen zufolge mutieren Männer nach dem Genuss von Wein oft zu espritvollen Galanen, die zu Balzzwecken allerlei erfreuliches Tandaradei aufführen und sogar Petrarca zitieren; kaum aber haben sie Bier getrunken, labern sie nur noch von Politik und Fußball und halten Petrarca für einen brasilianischen Stürmer des FC Bayern. Entsprechend mager sehe die Liebeslyrik- Bilanz der Bierstadt München aus. Nichts Ordentliches sei hier in den letzten 200 Jahren zustande gekommen, wohingegen Frankfurt mit seinem Äppelwoi immerhin diesen Goethe hervorgebracht habe.

Wie gesagt, so reden Frauen, aber wenn das stimmt, bleibt nur ein Schluss: Bier macht dumm. Folglich ist jede Teuerung zu begrüßen, die die Münchner vom Genuss des Teufelszeugs abhält. Man kann sich doch auch an anderen Dingen berauschen, an der Milde eines Frühlingsmorgens zum Beispiel oder Goethes Lyrik oder wenn die Schwäne...hmm: 3,30 Euro soll die Halbe kosten? So teuer ist das auch nicht. Und das romantische Gesäusel beim Wein – peinlich! Spielt eigentlich der Petrarca am Wochenende?
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Nachgefragt: Warum wird das Bier teurer?

 
08.03.02 10:03
Wenn’s ums bayerische Bier geht, ist Vorsicht angesagt. Denn das ist den Bayern heilig. Jetzt hat der Bayerische Brauerbund bekannt gegeben, dass das geliebte Gebräu in Zukunft teurer werden soll.

SZ vom 10.1.2002) - Wir befragten dazu Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Brauerbundes.

SZ: Die Frage, die natürlich alle Bayern brennend interessieren dürfte: Wie teuer wird denn jetzt das Bier?
Ebbertz: An sich ist die Preisfindung Sache jedes einzelnen Unternehmens. Jedoch sieht es so aus, dass sich die Preiserhöhung bei den meisten Brauereien zwischen 50 Cent und einem Euro pro Kasten Bier mit 20 Flaschen bewegen wird. Wie groß die Anpassung der Brauereien genau seien wird, hängt im hohem Maße von ihren jeweiligen Handelspartnern ab und zu welchem Preis diese das Bier den Unternehmen abkaufen. Das ganze muss man sich ja als Wertkette vorstellen, die bei den Brauerei anfängt und bei den Einzelhändlern aufhört. Also entscheiden die Brauereien nicht alleine.

SZ: Wieso kommt es eigentlich zu dieser Verteuerung?

Ebbertz: Zuerst muss man einmal darauf hinweisen, dass Vielfalt und Qualität natürlich ihren Preis haben. Bayern ist berühmt für seine Spezialbiere, die in kleinen Betrieben gebraut werden. Für diese Brauereien ergibt sich die Problematik, dass sie weniger Hektoliter pro Mitarbeiter produzieren können als größere Betriebe, die prozentual gesehen mit nicht unbedingt mehr Mitarbeitern eine viel höhere Produktionsleistung vorweisen können. Das heißt im Klartext, dass Kleinbetriebe eine Erhöhung der Personalkosten nicht einfach zum Beispiel durch eine gesteigerte Produktivität auffangen können. Dementsprechend muss also der Preis für das Produkt steigen. Genau das ist jetzt passiert. Dazu kommen unter anderem auch noch höhere Transport- und Stromkosten.

SZ: Von wann an soll denn das Bier verteuert werden?
Ebbertz: Auch diese Entscheidung liegt wiederum bei den einzelnen Brauereien. Doch würde ich sagen, dass der Preis im Verlauf des ersten Halbjahres angehoben werden wird. Das wird der Biertrinker dann auch recht schnell merken – auf jeden Fall bei den Flaschen, die man im Einzelhandel erwerben kann. In den Kneipen, der Gastronomie wird der Preis natürlich auch irgendwann steigen, da die Gastronomen schließlich Teil der „Bierkette“ sind. Aber wann genau das sein wird? Das wird man sehen müssen.

SZ: Warum gerade jetzt die Preiserhöhung?
Ebbertz: Die Kosten haben sich für die Brauereien in einem langsamen Prozess erhöht, nicht erst in diesem Jahr. Es war jedoch wichtig, im letzten Jahr die Preise konstant zu halten. Unter anderem, um dem Verdacht vorzubeugen, eine verdeckte Erhöhung im Zuge des Euros vorzunehmen.

SZ: Und mit welchen Argumenten wollen Sie das teurere Bier dem Konsumenten verkaufen?
Ebbertz: Sehen Sie es doch mal so: Wenn der Bierpreis nicht erhöht wird, kann es sein, dass die bayerische Biervielfalt- und auch die Qualität rapide abnehmen wird. Schließlich müssen die Betriebe finanziell wettbewerbsfähig bleiben. Davon profitiert doch auch der Kunde. Die Frage ist also vielmehr: Wieviel ist dem Bayern sein original bayerisches Bier wert? Der Bundesbürger trinkt im Durchschnitt 125 Liter im Jahr. Das ist dann ein Euro im Monat mehr!
Happy End:

Glück Glück Glück...

 
08.03.02 21:25
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