Eine Besprechung von "Roam (Making Sense of the Wireless Internet)" von Bruno Giussani
Von den Exzessen der 3G-Lizenzversteigerungen zum heiklen Thema der ortsabhängigen Anwendungen für m-Commerce, über Manga-Bilder auf i-Mode-Telephonen, selbstgebastelte Wireless Local Area Networks, bis hin zu den Auswirkungen von SMS auf die Gesellschaft bietet Bruno Giussanis Buch über die schwer fassbare Welt des kabellosen Internets eine gründliche und ausgewogene Einführung in diese Themengebiete. "Roam (Making Sense of the Wireless Internet)" schafft es, das Ziel des Autors zu erreichen, "die allzu enthusiastischen Versprechungen von 1999 und 2000" in ihre Grenzen zu verweisen, während zugleich klar gemacht wird, dass "ein langfristiger Trend hin zu allgegenwärtiger connectivity" eingesetzt hat.
Übertriebene PR (engl. "hype") gehörte immer schon zur Technologie wie ein schlecht funktionierender Herzschrittmacher. Nachdem dieser einen völlig außer Kontrolle geratenen Rhythmus anschlug, ist der Marktplatz inzwischen mit Opfern übersät, wofür der Dot-Com-Wahn und darauf folgende Zusammenbruch das bekannteste Beispiel abgeben. "Roam" hebt hervor, wie die Hysterie des Hype auch die Wahrnehmung der Anwendungen von Wireless-Technologien und -Infrastruktur beeinflusst und zur Erwartungshaltung einer m-Revolution geführt hat (wobei das "m" für "mobil" nun das "e" für alles Elektronische als Modebuchstabe abgelöst hat).
Ein perfektes Beispiel für außer Kontrolle geratenen Hype bietet die Geschichte von WAP (Wireless Application Protocol). Giussani dokumentiert chronologisch den meteoritenhaften Aufstieg und Fall der Technologie, die uns die Vermählung des Web mit Mobiltelephonie und die Geburt des mobilen Internet versprach - von den überschwenglichen Slogans, mit denen WAP bei der Telecoms99 willkommen geheißen wurde, bis hin zur ernüchternden Realität, die sich ein Jahr später einstellte. Zwischen solchen Extremen wie einem Werbeclip von British Telecom, der eine Cyborg-artige Figur zeigt, welche über die dynamischen und farbenfrohen Wellen der drahtlosen Infosphäre surft, und jenen frühen Anwendern, die sich um das Display eines Nokia 7110 (das erste kommerziell erhältliche WAP-Telephon) versammelt haben und sechs Zeilen Text zu entziffern suchen, der in schwarzen Buchstaben vor grünem Hintergrund erscheint und unerträglich langsam übertragen wird, ist es kein Wunder, dass WAP zu einem Flop geriet.
Abgesehen von der Langsamkeit, den Programm-Fehlern und den Konfigurationsproblemen macht Giussani für den Absturz von WAP (mittlerweile bekannt als Wait-and-Pay) schwache Inhalte verantwortlich. Anders herum wird für den Mangel an überzeugenden und maßgeschneiderten Inhalten wiederum die Geldgier verantwortlich gemacht, da die Telephongesellschaften sich weigerten, Einnahmen mit den Inhaltsanbietern fair zu teilen, so dass viele der Letzteren aus dem Rennen geworfen wurden.
3Gier
Das herausragendste Beispiel für ungezügelte Gier bietet jedoch der Verkauf der Lizenzen für die dritte Generation (3G) des Mobilfunks in Europa. Während das für 3G benötigte Frequenzband in Finnland gratis hergegeben wurde, entschied sich das Vereinigte Königreich, fünf Lizenzen zu versteigern. Das war im Jahr 2000, als noch jeder Analyst, Anbieter oder Hersteller eines der folgenden Statements veröffentlichte: "Im Jahr 2002 wird es über eine Milliarde Nutzer drahtloser, datenfähiger Geräte geben" - und - "im Jahr 2003 werden mehr Menschen auf das Internet über ihr Mobiltelephon zugreifen als über ihren PC". Unter diesen Bedingungen konnte Geld geschaufelt werden. Die britische Regierung nahm märchenhafte 22.47 Milliarden Euros ein, Deutschland folgte mit 50.4 Milliarden Euros, während andere Länder wie Spanien frühere Absprachen nicht einhielten und sich dem Goldregen anschlossen.
Hinter diesem rauschhaften Streben, eine 3G-Lizenz um jeden Preis zu ergattern, gab es wenig handfeste Beweise, dass das auch wirklich ein intelligenter Schachzug sein würde. Denn wie Giussani meint:
"3G ist schwer zu verstehen. Es ist eine Technologie, die sich noch nicht bewährt hat, es funktioniert kaum in den Versuchsnetzen und unter Laborbedingungen, die Handgeräte sind immer noch so groß wie Schuhschachteln. Es gibt kein klares Geschäftsmodell, die Konturen der Konsumentennachfrage sind bestenfalls verwaschen und die Diskussionen basieren auf ungeprüften und vieldeutigen Annahmen."
Nachdem die Fertigstellung der Infrastruktur zunächst für 2001 - 2002 geplant war, sieht es inzwischen eher nach 2005 - 2006 aus, doch möglicherweise wird es 3G in der Form, wie es angepriesen wurde, nie geben.
Den Geduldigen soll die Welt gehören
Während Europa mit auf Text beschränktem WAP herumfingerte, nutzten Japaner eine andere Technologie, um Nachrichten und Comics auf die hochauflösenden Farbbildschirme ihre Handys zu laden. Der Name: i-Mode. Das von NTT DoCoMO im Jahr 1999 eingeführte i-Mode wurde nie zum mobilen Internet hochgejubelt. Laut einem der Erschaffer der Technologie, "wurde i-Mode immer nur als i-Mode verkauft". Im Juli 2001 hatte der Dienst 26 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, die sich dessen erfreuten, was als "Killer Environment" bezeichnet wurde, reich an qualitativ guten Inhalten. Zugleich musste die Betreibergesellschaft keine anfängliche Lizenzgebühr zahlen. Von den Nutzern wurde eine jährliche Subskriptionsgebühr verlangt, so dass NTT DoCoMo fortwährend in das System investieren konnte.
In ähnlicher Form hatte auch SMS (Short Messaging Services) einen gewaltigen und unerwarteten Erfolg in Europa. Eingeführt als einfach noch eine zusätzliche Idee, ganz ohne Hype, hat sich SMS zu einem sozialen Phänomen entwickelt, das von den verschiedensten Gruppen angenommen wurde, ob Teenager, Arbeitgeber, Eltern, Liebespaare oder Demonstranten.
Neben diesen spezifischen Technologien beschäftigt sich "Roam" auch mit den Herausforderungen und Chancen, die das Wachstum von m-Commerce und Business-Anwendungen mit sich bringen, ebenso wie bei der Entwicklung drahtloser Geräte. Vom "empowerment" der Mitarbeiter bis hin zu "ubiquitous computing" wird jedes Thema auf seine guten und schlechten Seiten hin abgeklopft. Wenn der Autor z.B. ortsbezogene Anwendungen bespricht, so hebt er einerseits die Vorzüge der Lokalisierbarkeit hervor (z.B. mit den erweiterten Notrufnummerfunktionen, die in den USA eingeführt werden), vergisst aber auch nicht die Risken für die Privatsphäre zu erwähnen oder ortsbezogene unerwünschte Werbesendungen.
Mit seinen vier Kapiteln (the Four Births of the Wireless Internet; the M Factor; the Devices; the User's New Issues) und dem klaren journalistischen Stil Giussanis empfiehlt sich das Buch als spannende und informative Lektüre. Reich an Zitaten der wichtigsten Protagonisten und gut recherchiert, erhält man ein umfassendes Bild der bevorstehenden "drahtlosen Welt".
Roam (Making Sense of the Wireless Internet) by Bruno Giussani is published by Random House (2001).
Von den Exzessen der 3G-Lizenzversteigerungen zum heiklen Thema der ortsabhängigen Anwendungen für m-Commerce, über Manga-Bilder auf i-Mode-Telephonen, selbstgebastelte Wireless Local Area Networks, bis hin zu den Auswirkungen von SMS auf die Gesellschaft bietet Bruno Giussanis Buch über die schwer fassbare Welt des kabellosen Internets eine gründliche und ausgewogene Einführung in diese Themengebiete. "Roam (Making Sense of the Wireless Internet)" schafft es, das Ziel des Autors zu erreichen, "die allzu enthusiastischen Versprechungen von 1999 und 2000" in ihre Grenzen zu verweisen, während zugleich klar gemacht wird, dass "ein langfristiger Trend hin zu allgegenwärtiger connectivity" eingesetzt hat.
Übertriebene PR (engl. "hype") gehörte immer schon zur Technologie wie ein schlecht funktionierender Herzschrittmacher. Nachdem dieser einen völlig außer Kontrolle geratenen Rhythmus anschlug, ist der Marktplatz inzwischen mit Opfern übersät, wofür der Dot-Com-Wahn und darauf folgende Zusammenbruch das bekannteste Beispiel abgeben. "Roam" hebt hervor, wie die Hysterie des Hype auch die Wahrnehmung der Anwendungen von Wireless-Technologien und -Infrastruktur beeinflusst und zur Erwartungshaltung einer m-Revolution geführt hat (wobei das "m" für "mobil" nun das "e" für alles Elektronische als Modebuchstabe abgelöst hat).
Ein perfektes Beispiel für außer Kontrolle geratenen Hype bietet die Geschichte von WAP (Wireless Application Protocol). Giussani dokumentiert chronologisch den meteoritenhaften Aufstieg und Fall der Technologie, die uns die Vermählung des Web mit Mobiltelephonie und die Geburt des mobilen Internet versprach - von den überschwenglichen Slogans, mit denen WAP bei der Telecoms99 willkommen geheißen wurde, bis hin zur ernüchternden Realität, die sich ein Jahr später einstellte. Zwischen solchen Extremen wie einem Werbeclip von British Telecom, der eine Cyborg-artige Figur zeigt, welche über die dynamischen und farbenfrohen Wellen der drahtlosen Infosphäre surft, und jenen frühen Anwendern, die sich um das Display eines Nokia 7110 (das erste kommerziell erhältliche WAP-Telephon) versammelt haben und sechs Zeilen Text zu entziffern suchen, der in schwarzen Buchstaben vor grünem Hintergrund erscheint und unerträglich langsam übertragen wird, ist es kein Wunder, dass WAP zu einem Flop geriet.
Abgesehen von der Langsamkeit, den Programm-Fehlern und den Konfigurationsproblemen macht Giussani für den Absturz von WAP (mittlerweile bekannt als Wait-and-Pay) schwache Inhalte verantwortlich. Anders herum wird für den Mangel an überzeugenden und maßgeschneiderten Inhalten wiederum die Geldgier verantwortlich gemacht, da die Telephongesellschaften sich weigerten, Einnahmen mit den Inhaltsanbietern fair zu teilen, so dass viele der Letzteren aus dem Rennen geworfen wurden.
3Gier
Das herausragendste Beispiel für ungezügelte Gier bietet jedoch der Verkauf der Lizenzen für die dritte Generation (3G) des Mobilfunks in Europa. Während das für 3G benötigte Frequenzband in Finnland gratis hergegeben wurde, entschied sich das Vereinigte Königreich, fünf Lizenzen zu versteigern. Das war im Jahr 2000, als noch jeder Analyst, Anbieter oder Hersteller eines der folgenden Statements veröffentlichte: "Im Jahr 2002 wird es über eine Milliarde Nutzer drahtloser, datenfähiger Geräte geben" - und - "im Jahr 2003 werden mehr Menschen auf das Internet über ihr Mobiltelephon zugreifen als über ihren PC". Unter diesen Bedingungen konnte Geld geschaufelt werden. Die britische Regierung nahm märchenhafte 22.47 Milliarden Euros ein, Deutschland folgte mit 50.4 Milliarden Euros, während andere Länder wie Spanien frühere Absprachen nicht einhielten und sich dem Goldregen anschlossen.
Hinter diesem rauschhaften Streben, eine 3G-Lizenz um jeden Preis zu ergattern, gab es wenig handfeste Beweise, dass das auch wirklich ein intelligenter Schachzug sein würde. Denn wie Giussani meint:
"3G ist schwer zu verstehen. Es ist eine Technologie, die sich noch nicht bewährt hat, es funktioniert kaum in den Versuchsnetzen und unter Laborbedingungen, die Handgeräte sind immer noch so groß wie Schuhschachteln. Es gibt kein klares Geschäftsmodell, die Konturen der Konsumentennachfrage sind bestenfalls verwaschen und die Diskussionen basieren auf ungeprüften und vieldeutigen Annahmen."
Nachdem die Fertigstellung der Infrastruktur zunächst für 2001 - 2002 geplant war, sieht es inzwischen eher nach 2005 - 2006 aus, doch möglicherweise wird es 3G in der Form, wie es angepriesen wurde, nie geben.
Den Geduldigen soll die Welt gehören
Während Europa mit auf Text beschränktem WAP herumfingerte, nutzten Japaner eine andere Technologie, um Nachrichten und Comics auf die hochauflösenden Farbbildschirme ihre Handys zu laden. Der Name: i-Mode. Das von NTT DoCoMO im Jahr 1999 eingeführte i-Mode wurde nie zum mobilen Internet hochgejubelt. Laut einem der Erschaffer der Technologie, "wurde i-Mode immer nur als i-Mode verkauft". Im Juli 2001 hatte der Dienst 26 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, die sich dessen erfreuten, was als "Killer Environment" bezeichnet wurde, reich an qualitativ guten Inhalten. Zugleich musste die Betreibergesellschaft keine anfängliche Lizenzgebühr zahlen. Von den Nutzern wurde eine jährliche Subskriptionsgebühr verlangt, so dass NTT DoCoMo fortwährend in das System investieren konnte.
In ähnlicher Form hatte auch SMS (Short Messaging Services) einen gewaltigen und unerwarteten Erfolg in Europa. Eingeführt als einfach noch eine zusätzliche Idee, ganz ohne Hype, hat sich SMS zu einem sozialen Phänomen entwickelt, das von den verschiedensten Gruppen angenommen wurde, ob Teenager, Arbeitgeber, Eltern, Liebespaare oder Demonstranten.
Neben diesen spezifischen Technologien beschäftigt sich "Roam" auch mit den Herausforderungen und Chancen, die das Wachstum von m-Commerce und Business-Anwendungen mit sich bringen, ebenso wie bei der Entwicklung drahtloser Geräte. Vom "empowerment" der Mitarbeiter bis hin zu "ubiquitous computing" wird jedes Thema auf seine guten und schlechten Seiten hin abgeklopft. Wenn der Autor z.B. ortsbezogene Anwendungen bespricht, so hebt er einerseits die Vorzüge der Lokalisierbarkeit hervor (z.B. mit den erweiterten Notrufnummerfunktionen, die in den USA eingeführt werden), vergisst aber auch nicht die Risken für die Privatsphäre zu erwähnen oder ortsbezogene unerwünschte Werbesendungen.
Mit seinen vier Kapiteln (the Four Births of the Wireless Internet; the M Factor; the Devices; the User's New Issues) und dem klaren journalistischen Stil Giussanis empfiehlt sich das Buch als spannende und informative Lektüre. Reich an Zitaten der wichtigsten Protagonisten und gut recherchiert, erhält man ein umfassendes Bild der bevorstehenden "drahtlosen Welt".
Roam (Making Sense of the Wireless Internet) by Bruno Giussani is published by Random House (2001).