Blut und Tränen
Waren mittelfristige Prognosen angesichts der in die Rezession schlitternden US-Konjunktur und dem wackligen US-Dollar auch vor dem 11.09.2001 schon außerordentlich schwierig, so sind angesichts der Terror-Attacken auf die USA gegenwärtig auch kurzfristige Vorhersagen unmöglich geworden. Sicher ist nur, dass die Börse nicht so schnell zur Normalität zurückfinden wird. Auf Sicht der nächsten Wochen sind starke Schwankungen im Spiegel der politischen Ereignisse und deren zu erwartenden Auswirkungen zu erwarten. Das Gleiche gilt insbesondere auch für den Öl- und Goldpreis.
Begrüßenswert sind in diesem Zusammenhang die von den Notenbanken zur Verfügung gestellten Milliardenbeträge, mit denen die absehbaren Kapriolen des Aktienmarktes abgemildert werden sollen. Dennoch steht nicht nur der wieder aufgenommene Aktienhandel in den USA vor einer Zerreißprobe: Die weltweit ohnehin trüben konjunkturellen Aussichten verdüstern sich durch die Folgen der Anschlagsserie weiter. Dem amerikanischen Verbraucher dämmert spätestens jetzt, dass die Party vorbei ist. Er wird in Zukunft mehr sparen. Im Gegenzug ist zwar eine Erhöhung der US-Staatsausgaben für Rüstungsprojekte realistisch, doch per Saldo wird die Nachfrage - und damit die wichtigste Stütze der amerikanischen Konjunktur - deutlich an Tragkraft verlieren.
Doch die Fragen nach dem Konjunkturzyklus und anderen Marktmechanismen werden in einer rein politisch und psychologisch gesteuerten Börse nicht mehr richtungsbestimmend sein. Es ist zwar wahrscheinlich, dass die Aktien ihre Talfahrt fortsetzen, doch noch nicht ausgemachte Sache. Das zeigt ein Vergleich mit vergangenen Krisen:
Pearl Harbor
Der japanische Angriff am Sonntag, den 7.12.1941, auf die Pazifikstreitkräfte der USA machte auf einen Schlag 17 Schiffe und 188 Flugzeuge kampfunfähig. 2500 Menschen starben oder wurden verletzt.
nachrichten.boerse.de/marktbericht/pearl_harbor_17092001.gif" style="max-width:560px" >
Technisch befand sich die Börse seit September im Abwärtstrend. Der Eintritt der Vereinigten Staaten in den 2. Weltkrieg ließ die Börse bis zum Tiefpunkt im April 1942 nochmals um 20 Prozent fallen. Erst mit den ersten militärischen Erfolgen stiegen die Kurse wieder. Ein Jahr nach dem Angriff auf Pearl Harbor konnte der Dow sein ein Jahr zuvor erreichtes Niveau wieder erklimmen.
Kuba-Krise
Der Konflikt mit der UdSSR führte die Welt an den Rand des 3. Weltkrieges. Dennoch stieg der Dow ausgerechnet in der heißen Phase zwischen dem 22.10.1962, an der die Fernsehansprache von Präsident Kennedy die Nation aufrüttelte, und dem Ende des Konfliktes am 28.10., als die Zusage Chrustschows über den Abzug der Atomraketen erfolgte.
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Wie der Chart zeigt, hatte die Börse bereits einen Tag nach der Lösung der Auseinandersetzung den zuvor erlittenen Rückschlag ausgebügelt. Technisch ergab sich mit den Kurstiefs im Juni und Oktober eine untere Trendwendeformation in Form eines Doppel-Bottoms, das zu einer Hausse bis Anfang 1966 führte.
Beide Charts zeigen, dass sich der Aktienmarkt der USA bisher als recht krisenfest gegenüber äußeren Bedrohungen erwies. Für langfristig denkende Anleger zahlte sich die zynische Börsenweisheit "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" bisher aus.
Doch dieses Mal bleibt ein hohes Restrisiko: Sobald sich das Börsengeschehen wieder von den politischen und militärischen Aspekten abwendet, werden wieder die alten Probleme zum Vorschein kommen: Insbesondere die Anteilsscheine der Nasdaq, aber auch die der Blue Chips sind im historischen Vergleich noch immer sehr hoch bewertet. Hinzu kommt ein enormes Leistungsbilanzdefizit der USA, das auf den Dollar drücken wird. Zusammen mit der schweren Krise in Japan, die eigentlich als Depression bezeichnet werden muss, schwindendem Wirtschaftswachstum in Europa und kollabierenden Staatshaushalten in Schwellenländern wie der Türkei und Argentinien, ist die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise nicht mehr von der Hand zu weisen.
Nach der zunächst realistischen Berg- und Talfahrt am Aktienmarkt könnte unabhängig vom Ausgang der Terroristenjagd eine lang anhaltende Seitwärtsbewegung einsetzen. Damit ist es für Anleger ratsam, nicht nur auf die politischen Meldungen im Vordergrund zu hören, sondern vor grundlegenden Anlageentscheidungen auf eine Lösung der eigentlich wichtigen wirtschaftlichen Probleme zu achten.
Dr. H.-D. Schulz / Lutz Mathes
17.09.2001 09:41
Waren mittelfristige Prognosen angesichts der in die Rezession schlitternden US-Konjunktur und dem wackligen US-Dollar auch vor dem 11.09.2001 schon außerordentlich schwierig, so sind angesichts der Terror-Attacken auf die USA gegenwärtig auch kurzfristige Vorhersagen unmöglich geworden. Sicher ist nur, dass die Börse nicht so schnell zur Normalität zurückfinden wird. Auf Sicht der nächsten Wochen sind starke Schwankungen im Spiegel der politischen Ereignisse und deren zu erwartenden Auswirkungen zu erwarten. Das Gleiche gilt insbesondere auch für den Öl- und Goldpreis.
Begrüßenswert sind in diesem Zusammenhang die von den Notenbanken zur Verfügung gestellten Milliardenbeträge, mit denen die absehbaren Kapriolen des Aktienmarktes abgemildert werden sollen. Dennoch steht nicht nur der wieder aufgenommene Aktienhandel in den USA vor einer Zerreißprobe: Die weltweit ohnehin trüben konjunkturellen Aussichten verdüstern sich durch die Folgen der Anschlagsserie weiter. Dem amerikanischen Verbraucher dämmert spätestens jetzt, dass die Party vorbei ist. Er wird in Zukunft mehr sparen. Im Gegenzug ist zwar eine Erhöhung der US-Staatsausgaben für Rüstungsprojekte realistisch, doch per Saldo wird die Nachfrage - und damit die wichtigste Stütze der amerikanischen Konjunktur - deutlich an Tragkraft verlieren.
Doch die Fragen nach dem Konjunkturzyklus und anderen Marktmechanismen werden in einer rein politisch und psychologisch gesteuerten Börse nicht mehr richtungsbestimmend sein. Es ist zwar wahrscheinlich, dass die Aktien ihre Talfahrt fortsetzen, doch noch nicht ausgemachte Sache. Das zeigt ein Vergleich mit vergangenen Krisen:
Pearl Harbor
Der japanische Angriff am Sonntag, den 7.12.1941, auf die Pazifikstreitkräfte der USA machte auf einen Schlag 17 Schiffe und 188 Flugzeuge kampfunfähig. 2500 Menschen starben oder wurden verletzt.
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Technisch befand sich die Börse seit September im Abwärtstrend. Der Eintritt der Vereinigten Staaten in den 2. Weltkrieg ließ die Börse bis zum Tiefpunkt im April 1942 nochmals um 20 Prozent fallen. Erst mit den ersten militärischen Erfolgen stiegen die Kurse wieder. Ein Jahr nach dem Angriff auf Pearl Harbor konnte der Dow sein ein Jahr zuvor erreichtes Niveau wieder erklimmen.
Kuba-Krise
Der Konflikt mit der UdSSR führte die Welt an den Rand des 3. Weltkrieges. Dennoch stieg der Dow ausgerechnet in der heißen Phase zwischen dem 22.10.1962, an der die Fernsehansprache von Präsident Kennedy die Nation aufrüttelte, und dem Ende des Konfliktes am 28.10., als die Zusage Chrustschows über den Abzug der Atomraketen erfolgte.
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Wie der Chart zeigt, hatte die Börse bereits einen Tag nach der Lösung der Auseinandersetzung den zuvor erlittenen Rückschlag ausgebügelt. Technisch ergab sich mit den Kurstiefs im Juni und Oktober eine untere Trendwendeformation in Form eines Doppel-Bottoms, das zu einer Hausse bis Anfang 1966 führte.
Beide Charts zeigen, dass sich der Aktienmarkt der USA bisher als recht krisenfest gegenüber äußeren Bedrohungen erwies. Für langfristig denkende Anleger zahlte sich die zynische Börsenweisheit "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" bisher aus.
Doch dieses Mal bleibt ein hohes Restrisiko: Sobald sich das Börsengeschehen wieder von den politischen und militärischen Aspekten abwendet, werden wieder die alten Probleme zum Vorschein kommen: Insbesondere die Anteilsscheine der Nasdaq, aber auch die der Blue Chips sind im historischen Vergleich noch immer sehr hoch bewertet. Hinzu kommt ein enormes Leistungsbilanzdefizit der USA, das auf den Dollar drücken wird. Zusammen mit der schweren Krise in Japan, die eigentlich als Depression bezeichnet werden muss, schwindendem Wirtschaftswachstum in Europa und kollabierenden Staatshaushalten in Schwellenländern wie der Türkei und Argentinien, ist die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise nicht mehr von der Hand zu weisen.
Nach der zunächst realistischen Berg- und Talfahrt am Aktienmarkt könnte unabhängig vom Ausgang der Terroristenjagd eine lang anhaltende Seitwärtsbewegung einsetzen. Damit ist es für Anleger ratsam, nicht nur auf die politischen Meldungen im Vordergrund zu hören, sondern vor grundlegenden Anlageentscheidungen auf eine Lösung der eigentlich wichtigen wirtschaftlichen Probleme zu achten.
Dr. H.-D. Schulz / Lutz Mathes
17.09.2001 09:41