Domino-Effekt führt zu totalem Börsen-Blackout

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Domino-Effekt führt zu totalem Börsen-Blackout

 
18.05.04 17:04
Die Entwicklung an den Finanzmärkten verheißt nichts Gutes, Millisekundenpleiten können Märkte in Rekordzeiten einbrechen lassen

Jeder Markt hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Zu diesen gehört, dass es nach einem Crash normalerweise Jahrzehnte dauert, bis sich ein ähnlicher Bubble wiederholt. Paradoxerweise liegen an der Nasdaq aktuell die Kurs-/Gewinn-Verhältnisse wieder über 80 und die Aktienkäufe auf Kredit übersteigen sogar die Rekordmarke vor dem Crash 2000. Ein abermaliger Vertrauensverlust dürfte die USA jedoch in eine Depression stürzen, von deren Konsequenzen sich Amerika, ähnlich wie Japan in den 90er Jahren, erst wieder nach 10 bis 15 Jahren erholen dürfte. Die Alarmzeichen an den Börsen stehen trotz der aktuellen Konjunkturerholung auf dunkelrot. Wegen der zunehmenden Inflationsgefahren, der Schwäche des US-Dollar und dem damit verbundenen Rückgang der Ausländerkäufe bei US-Staatsanleihen werden die US-Zinsen in naher Zukunft zu steigen beginnen. Hinzu kommt, dass der durch eine ausufernde Überschuldung aufgeblähte US-Immobilienmarkt, die geringen Volatilitäten, der starke Optimismus sowie hohe Insiderverkäufe an den Aktienmärkten zu äußerster Vorsicht mahnen.

Vieles deutet darauf hin, dass die Finanzmärkten gerade das Auge des Hurricane verlassen und sich auf einen Baisse-Markt zubewegen, der sich in den kommenden Monaten zu einem "Perfect Storm" entwickeln kann. Hier gilt es, das neue Phänomen der Millisekundenpleite an den Finanzmärkten zu beachten, d.h. dass Märkte bei extremen Störeinflüssen und internen Systemschwächen in Rekordzeit einbrechen können, wie der gestrige Crash am indischen Aktienmarkt verdeutlichte.

Weltpaniken und Crash-Situationen

Der deutsche Medienphilosoph Peter Sloterdijk hat die Weltpanik als das alltägliche Ereignis des 21. Jahrhunderts identifiziert. Auslöser für eine Weltpanik an den Finanzmärkten, die zu einem Mega-Crash führen kann, sind z.B. ein sehr starker Ölpreisanstieg, ein hoher Kursverlust des US-Dollar oder Terroranschläge vom Ausmaß des 11. September. Wenn die amerikanische Währung bereits gegen einen instabilen Euro schwächelt, dann könnte den Märkten bei extremen Störgrößen ein regelrechter Dollar-Crash bevorstehen, der zu einer Kapitalflucht aus Amerika führen würde. Ein Zinsanstieg wäre dann unvermeidbar, wenn der Schuldner USA seine eigenen Schulden refinanzieren muss.  

Dieses Szenario könnte einen Domino-Effekt für die US-Ökonomie zur Folge haben, der eine der größten Kontraktionsphasen der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte einleiten würde. Der heute immer mehr ausufernde Handel von Derivaten und Hedge-Fonds könnte ebenfalls einen solchen Effekt herbeiführen. Die heutige Generation der Anleger hat bisher nur Haussephasen an den Weltbörsen und noch nie eine langanhaltende Phase der kreativen Zerstörung erlebt, wie diese der österreichische Ökonom Schumpeter beschrieben hat. Sollte diese kommen, ist kaum ein Anleger strategisch auf diese Situation vorbereitet.

Die Logik des Misslingens

Wenn in Folge eines starken Abschwunges der Märkte US-Anleger, die ihre Häuser auf Kredit gekauft haben, diese unter dem Einkaufspreis verkaufen müssen, so verringert sich deren Kaufkraft erheblich. Dies könnte viele Haushalte in den privaten Konkurs treiben.

Dann wird sich der Kaufrausch der 90er Jahre bitter rächen. Die ausgewiesenen Produktivitätsfortschritte der US-Wirtschaft werden sich als das erweisen, was diese wirklich sind, nämlich Charlie Chaplins Vision der "Modernen Zeiten", bei denen Roboter und Automatisierung eine "Jobless Recovery" anführen, die die Ouvertüre für eine Wirtschaftstragödie bilden wird, deren Höhepunkt in einer bisher nie dagewesenen Massenarbeitslosigkeit kulminieren wird.

Schuld an dieser Misere sind die heutigen linearen Steuerungsmodelle, die in einer ökonomischen Schönwetterphase entstanden sind, jedoch in einer komplexen Welt mit hohen Volatilitäten, großen Verwerfungen und unbekannten Störgrößen versagen. Fehlende Navigationssysteme führen zu einer Logik des Misslingens, deren finales Ende in einer Schuldenwirtschaft, der Manipulation von Statistiken und letztlich auch in der Arbeitslosigkeit vieler Menschen gipfelt.

Lenkungs-Cockpits sind ein Muss!

Bei unerwarteten Störgrößen oder Katastrophen sind die psychologischen Wirkungen auf die Finanzmärkte direkt sichtbar und die Stimmung in der Wirtschaft kann in Echtzeit kippen. Moderne kybernetische Ansätze für die Ökonomie sind in der Lage, die Faktoren Komplexität und Feedback im Rahmen von Modellen zu berücksichtigen.

So wirken sich beispielsweise die Konsequenzen einer niedrigen Sparquote in Japan in einer schwierigeren Refinanzierung der amerikanischen Staatsdefizite aus, was zu einem starken Anstieg der langfristigen Zinsen führt. Ein anderes Beispiel ist die verspätete Anhebung der Zinsen trotz einer sehr hohen Inflationsrate. Dies führt zu einem Bubble im Bereich der in Anspruch genommenen Kredite, was im Falle eines starken Zinsanstieges Schwierigkeiten im Immobilienbereich sowie bei den Konsumentenkrediten heraufbeschwört.

Kybernetische Modelle erlauben die Steuerung und Lenkung der Wirtschaft durch eine Navigation und Früherkennung von Risiken wie in einem Flugzeug-Cockpit. Wer will schon in einem Flugzeug sitzen, in dessen Cockpit die Monitore falsche Werte anzeigen.

Domino-Effekte sind vorhersagbar

Die heutige Netz-Ökonomie braucht kybernetische Modelle, welche in allen Phasen von Wirtschaftszyklen funktionieren, um Bubbles frühzeitig entgegenzuwirken. Die bisherige Ignoranz gegenüber Systemrisiken führt nicht zu Lösungen, sondern zu vorhersehbaren Domino-Effekten und Katastrophen. Deshalb benötigen wir kybernetische Modellansätze und Lenkungs-Cockpits nicht nur im Management, sondern auch in der Politik, wenn wir überlebensfähige Strategien entwickeln und die Risiken minimieren wollen.

Stafford Beer, der berühmte britische Managementkybernetiker, hatte vor, ein derartiges Cockpit einst für das Land Chile zu etablieren. Die Ermordung Salvador Allendes durch den von Amerika unterstützten späteren Diktator Pinochet bereitete jedoch dem bereits im fortgeschrittenen Stadium befindlichen Projekt ein jähes Ende. Stafford Beer wollte, dass die Politik nicht mehr durch Wahlzyklen gesteuert wird, sondern durch Wechselwirkungen berücksichtigende Indikatoren, die unabhängig von der jeweiligen Regierungspartei eine wirksame Lenkung eines Staates ermöglichen.

Wie sicher ist die Zukunft der Arbeitsplätze?

Wirtschaftliche Erholungsphasen ohne eine genügende Zahl neuer Arbeitsplätze sind das besondere Kennzeichen einer auf Pump finanzierten Ökonomie. Niemand möchte das Risiko eingehen, wenn die Zinsen steigen, auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Dem angeblichen Mangel an qualifiziertem Personal steht heute eine dramatische Verschlechterung der Rahmenbedingungen gegenüber.

Immer mehr Firmen überlegen sich, im Ausland zu produzieren und verlagern dorthin ihre Standorte. Die Verlagerung von Hightech-Arbeitplätze nach Indien und China ist für Hochlohnländer die ökonomische Höchststrafe, da es die oben erwähnten Krisengefahren verstärken wird. Zukünftig werden jedoch nicht nur Arbeitsplätze sondern durch die neuen wirtschaftlichen Attraktoren auch das Kapital die Hochlohnländer in Nordamerika und Europa verlassen. Dies hat erhebliche Konsequenzen, denn ohne Konsumenten mit Arbeitsplatz gibt es keine Kaufkraft, ohne Kapital gibt es keine neuen Arbeitsplätze und ohne Wirtschaftswachstum keinen Abbau der Staatsschulden, die in den USA mittlerweile das gigantische Ausmaß von 34 Trillionen US-Dollar angenommen haben. Ein ähnliches Szenario gilt auch für Europa, welches ja bekanntlich die Grippe bekommt, wenn Amerika hustet.

Konsequenzen für Deutschland

Die Zeiten der hohen Löhne dürften sich in Deutschland definitiv dem Ende nähern. Wo es immer weniger zu verteilen gibt, muss man sich einschränken. Diese Erkenntnis setzt sich erfahrungsgemäß in den reichsten Ländern der Welt am langsamsten durch. Wem es jahrzehntelang zu gut gegangen ist, kann sich nicht vorstellen, welche Einschränkungen noch auf einen zukommen können. Zwar wird langfristig der absehbare, demographisch bedingte Rückgang der Erwerbsbevölkerung den Arbeitsmarkt entlasten, jedoch darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, dass eine rückläufige Erwerbsbevölkerung das Wachstum des Bruttosozialproduktes negativ beeinflusst und im Extremfall sogar zu einer längeren Rezession oder sogar Depression führen kann.

Die einzige Möglichkeit, hier entgegenzuwirken, ist eine proaktive Zuwanderungspolitik fremder Arbeitskräfte kombiniert mit einer wirksamen Bildungspolitik. Beide Faktoren stellen sicher, dass neue Ideen und Kreativität die Innovationsrate erhöhen. Nur wenn Deutschland im Bereich der Innovationen wieder weltweit eine Führungsrolle übernehmen kann, wird es gelingen, die Phase der kreativen Zerstörung, die vor uns liegt, zu überwinden und gestärkt aus dieser hervorzugehen.

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