HANDELSBLATT, Donnerstag, 12. Dezember 2002
Bundesregierung soll noch in diesem Jahr Klarheit bei der Fondsbesteuerung schaffen
Fondsexperten favorisieren Abgeltungsteuer
Von Michael Ferber
Die rot-grünen Steuerpläne verunsichern die Märkte, stellen deutsche Fonds vor Existenzprobleme und verstoßen hinsichtlich ausländischer Fonds gegen EU-Recht. Darin waren sich die vier Teilnehmer am Handelsblatt-Forum zur Fondsbesteuerung einig. Deutschland könnte auf das Niveau eines Finanz-Entwicklungslandes zurückfallen.
FRANKFURT/M. „Absurd“ seien die bisherigen Steuerpläne der Bundesregierung, der Schaden für die Fondsbranche nicht abzuschätzen. Auf dem Steuerforum des Handelsblatts waren sich Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Rüdiger Päsler, Geschäftsführer des Fondsverbands BVI, Bernd Schmitt, Steuerexperte der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, sowie Martin Theisinger, Geschäftsführer der britischen Fondsgesellschaft Schroders Investment Management, in ihrer scharfen Kritik an der Bundesregierung einig. Gefallen fanden sie nur an den jüngsten Signalen. Den Vorschlag einer moderate Abgeltungsteuer auf Veräußerungsgewinne werteten sie positiv.
„Die Bundesregierung ist mit ihren Plänen überhastet vorgegangen“, sagte Päsler. Besonders scharf kritisierte er an dem Kabinettsentwurf der Bundesregierung vom 20. November die „eklatante Ungleichbehandlung“ von Direkt- und Fondsanlagen. Der Entwurf sieht vor, dass Veräußerungsgewinne, die die Fonds erzielen, künftig steuerpflichtig sein sollen. Wenn Anleger den Fonds verkaufen, werden sie mit ihren Gewinnen noch einmal zur Kasse gebeten. Diese Doppelbesteuerung würde die Direktanlage in Aktien gegenüber dem Fondskauf attraktiver machen, sagte BVI-Geschäftsführer Päsler. Auch Hocker kritisierte die Pläne: „Die Gefahr bei dieser Regelung ist, dass die Anleger nicht genügend diversifizieren.“ Fonds streuen das Vermögen ihrer Anleger breiter, als es den meisten Privatanlegern mit dem Kauf von Aktien möglich ist.
Ein weiterer Kritikpunkt war die Besteuerung ausländischer – also nicht in Deutschland aufgelegter – Fonds. Theisinger kritisierte die Pläne der Bundesregierung, das Halbeinkünfteverfahren für ausländische Produkte nicht gelten zu lassen: Laut Kabinettsbeschluss würde die Ausschüttung in voller Höhe besteuert und nicht, wie bei inländischen Fonds, nur zur Hälfte. „Diese Regelung verstößt gegen EU-Recht und wird keinen Bestand haben“, sagte der Schroders-Geschäftsführer. Wenn diese Regelung Gesetz werden sollte, ist er sich sicher, dass eine Klage dagegen erfolgreich wäre. Ernst & Young-Steuerexperte Schmitt pflichtete ihm bei: „Käme diese Regelung wie vorgesehen, wäre der deutsche Markt für ausländische Fonds völlig geschlossen.“
Die Vorschläge der Bundesregierung hätten die Investoren verunsichert, waren sich die Forumsteilnehmer einig. „Gerade im Hinblick auf die Altersvorsorge ist dies absolut inakzeptabel", sagte Hocker. Päsler glaubt, dass einige Fondsgesellschaften eine solche Steuergesetzgebung „nicht überleben würden“. Außerdem würde sich das Fondsangebot deutlich verringern: „Letztlich treibt eine solche Besteuerung die Anleger in den grauen Kapitalmarkt“, sagte er. Theisinger glaubt sogar, dass der Finanzplatz Deutschland durch die Regelungen „auf das Niveau eines Entwicklungslandes“ zurückfallen würde.
Um dies zu verhindern, müsse die Bundesregierung schnell handeln. Bis Ende des Jahres solle sie den Entwurf überarbeiten, forderte Päsler. „Die Politik muss etwas gegen die Unsicherheit tun. Die ist das Schlimmste für die Branche.“ Alle Teilnehmer favorisierten die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge, die zuletzt auch die SPD-regierten Bundesländer in die Diskussion gebracht haben. Eine solche Steuer wird „an der Quelle“ vom Erlös des Anlegers abgezogen und von den Kreditinstitute direkt an die Finanzämter abgeführt. Dies hätte den Vorteil, dass die Banken dann nicht verpflichtet wären, Kontrollmitteilungen an die Finanzämter zu schicken. „Diese Mitteilungen würde einen großen bürokratischen Aufwand und sehr hohe Kosten verursachen,“ sagte Schmitt. „Im Gegensatz dazu würde die Abgeltungsteuer die ganze verworrene Steuersituation klären“, sagte Hocker. Ein solches System sei transparent und gerecht – und er sei optimistisch, dass sich die Bundesregierung nun auf diesem Weg befinde. Das sah auch Päsler so, obwohl sich Vertreter des Bundesfinanzministeriums in einem Gespräch mit dem BVI vor zwei Wochen „eher kritisch“ gezeigt hätten.
Ein Allheilmittel sei die Abgeltungsteuer jedoch nicht, darin waren sich die Experten einig. Die Steuersätze dürften nicht zu hoch sein. Theisinger und Päsler favorisierten einen Abgeltungsteuersatz von pauschal 15 %. Dieser Satz sei ja bereits im Gespräch gewesen, sagte Päsler. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass daran noch einmal gerüttelt wird.“
Eine moderate Abgeltungsteuer vermeide Kapitalflucht, sagte Schmitt. Außerdem könnte sie seiner Meinung nach relativ rasch eingeführt werden. Hocker forderte, dass die neue Besteuerung letztlich mit einer Amnestie für Steuersünder gekoppelt sein müsse. Länder wie Österreich und Italien hätten bereits vorgemacht, dass sich damit Schwarzgeld zurück ins Land holen lasse. Italien hat mit einer solchen Regelung in sechs Monaten 50 Mrd. zurück geholt. „Dass die Regierung dieses Thema noch vor den hessischen Landtagswahlen im Februar angeht, kann ich mir aber nicht vorstellen“, sagt Hocker. „Dafür ist es zu heiß.“
Bundesregierung soll noch in diesem Jahr Klarheit bei der Fondsbesteuerung schaffen
Fondsexperten favorisieren Abgeltungsteuer
Von Michael Ferber
Die rot-grünen Steuerpläne verunsichern die Märkte, stellen deutsche Fonds vor Existenzprobleme und verstoßen hinsichtlich ausländischer Fonds gegen EU-Recht. Darin waren sich die vier Teilnehmer am Handelsblatt-Forum zur Fondsbesteuerung einig. Deutschland könnte auf das Niveau eines Finanz-Entwicklungslandes zurückfallen.
FRANKFURT/M. „Absurd“ seien die bisherigen Steuerpläne der Bundesregierung, der Schaden für die Fondsbranche nicht abzuschätzen. Auf dem Steuerforum des Handelsblatts waren sich Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Rüdiger Päsler, Geschäftsführer des Fondsverbands BVI, Bernd Schmitt, Steuerexperte der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, sowie Martin Theisinger, Geschäftsführer der britischen Fondsgesellschaft Schroders Investment Management, in ihrer scharfen Kritik an der Bundesregierung einig. Gefallen fanden sie nur an den jüngsten Signalen. Den Vorschlag einer moderate Abgeltungsteuer auf Veräußerungsgewinne werteten sie positiv.
„Die Bundesregierung ist mit ihren Plänen überhastet vorgegangen“, sagte Päsler. Besonders scharf kritisierte er an dem Kabinettsentwurf der Bundesregierung vom 20. November die „eklatante Ungleichbehandlung“ von Direkt- und Fondsanlagen. Der Entwurf sieht vor, dass Veräußerungsgewinne, die die Fonds erzielen, künftig steuerpflichtig sein sollen. Wenn Anleger den Fonds verkaufen, werden sie mit ihren Gewinnen noch einmal zur Kasse gebeten. Diese Doppelbesteuerung würde die Direktanlage in Aktien gegenüber dem Fondskauf attraktiver machen, sagte BVI-Geschäftsführer Päsler. Auch Hocker kritisierte die Pläne: „Die Gefahr bei dieser Regelung ist, dass die Anleger nicht genügend diversifizieren.“ Fonds streuen das Vermögen ihrer Anleger breiter, als es den meisten Privatanlegern mit dem Kauf von Aktien möglich ist.
Ein weiterer Kritikpunkt war die Besteuerung ausländischer – also nicht in Deutschland aufgelegter – Fonds. Theisinger kritisierte die Pläne der Bundesregierung, das Halbeinkünfteverfahren für ausländische Produkte nicht gelten zu lassen: Laut Kabinettsbeschluss würde die Ausschüttung in voller Höhe besteuert und nicht, wie bei inländischen Fonds, nur zur Hälfte. „Diese Regelung verstößt gegen EU-Recht und wird keinen Bestand haben“, sagte der Schroders-Geschäftsführer. Wenn diese Regelung Gesetz werden sollte, ist er sich sicher, dass eine Klage dagegen erfolgreich wäre. Ernst & Young-Steuerexperte Schmitt pflichtete ihm bei: „Käme diese Regelung wie vorgesehen, wäre der deutsche Markt für ausländische Fonds völlig geschlossen.“
Die Vorschläge der Bundesregierung hätten die Investoren verunsichert, waren sich die Forumsteilnehmer einig. „Gerade im Hinblick auf die Altersvorsorge ist dies absolut inakzeptabel", sagte Hocker. Päsler glaubt, dass einige Fondsgesellschaften eine solche Steuergesetzgebung „nicht überleben würden“. Außerdem würde sich das Fondsangebot deutlich verringern: „Letztlich treibt eine solche Besteuerung die Anleger in den grauen Kapitalmarkt“, sagte er. Theisinger glaubt sogar, dass der Finanzplatz Deutschland durch die Regelungen „auf das Niveau eines Entwicklungslandes“ zurückfallen würde.
Um dies zu verhindern, müsse die Bundesregierung schnell handeln. Bis Ende des Jahres solle sie den Entwurf überarbeiten, forderte Päsler. „Die Politik muss etwas gegen die Unsicherheit tun. Die ist das Schlimmste für die Branche.“ Alle Teilnehmer favorisierten die Abgeltungsteuer für Kapitalerträge, die zuletzt auch die SPD-regierten Bundesländer in die Diskussion gebracht haben. Eine solche Steuer wird „an der Quelle“ vom Erlös des Anlegers abgezogen und von den Kreditinstitute direkt an die Finanzämter abgeführt. Dies hätte den Vorteil, dass die Banken dann nicht verpflichtet wären, Kontrollmitteilungen an die Finanzämter zu schicken. „Diese Mitteilungen würde einen großen bürokratischen Aufwand und sehr hohe Kosten verursachen,“ sagte Schmitt. „Im Gegensatz dazu würde die Abgeltungsteuer die ganze verworrene Steuersituation klären“, sagte Hocker. Ein solches System sei transparent und gerecht – und er sei optimistisch, dass sich die Bundesregierung nun auf diesem Weg befinde. Das sah auch Päsler so, obwohl sich Vertreter des Bundesfinanzministeriums in einem Gespräch mit dem BVI vor zwei Wochen „eher kritisch“ gezeigt hätten.
Ein Allheilmittel sei die Abgeltungsteuer jedoch nicht, darin waren sich die Experten einig. Die Steuersätze dürften nicht zu hoch sein. Theisinger und Päsler favorisierten einen Abgeltungsteuersatz von pauschal 15 %. Dieser Satz sei ja bereits im Gespräch gewesen, sagte Päsler. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass daran noch einmal gerüttelt wird.“
Eine moderate Abgeltungsteuer vermeide Kapitalflucht, sagte Schmitt. Außerdem könnte sie seiner Meinung nach relativ rasch eingeführt werden. Hocker forderte, dass die neue Besteuerung letztlich mit einer Amnestie für Steuersünder gekoppelt sein müsse. Länder wie Österreich und Italien hätten bereits vorgemacht, dass sich damit Schwarzgeld zurück ins Land holen lasse. Italien hat mit einer solchen Regelung in sechs Monaten 50 Mrd. zurück geholt. „Dass die Regierung dieses Thema noch vor den hessischen Landtagswahlen im Februar angeht, kann ich mir aber nicht vorstellen“, sagt Hocker. „Dafür ist es zu heiß.“