Dividenden statt Kursgewinne verdienen
Börse braucht heilsame Kräfte für stabilere Verhältnisse und höhere Kurse
Seit Wochen finden deutsche Aktien wieder Käufer, die sogar steigende Kurse dafür bezahlen, um überhaupt Papiere zu bekommen. Dahinter stehen schlichte Anlagezwänge von Großanlegern und zarte Hoffnungen auf immer noch sehr tiefem Kursniveau. Dennoch ist die Börsenwelt weit davon entfernt, wieder heil zu sein.
Viele Vorstände plagt ein großes Problem: Sie treten jetzt in zahllosen Hauptversammlungen vor die Aktionäre, berichten von guten Geschäften und klagen über unzureichende Börsenbewertungen und unschlüssige Anleger, die trotz bester Zahlen und Bilanzrelationen einfach nicht genug Aktien kaufen wollen.
Aktionäre klagen ihrerseits über zu niedrige Dividenden, weil aus der Hoffnung auf Kursgewinne zunächst mal Verluste geworden sind. Die Lust auf Spekulationen ist den Anlegern wahrlich vergangen. Sie wollen künftig nicht mehr gezwungen sein, ihre Kapitalverzinsungen durch Käufe und Verkäufe an der Börse zu erzielen. In Zukunft wird es für die Unternehmen stark darauf ankommen, die Anleger bei der Stange zu halten und nicht immer wieder durch Aktienverkäufe aus der Firma zu drängen.
Solche Kundenbindungsmaßnahmen sind Neuland für deutsche Finanzstrategen. Bequem konnten sie jahrzehntelang nach traditionellem Muster die Dividende knapp und die Spekulationslust hoch halten, um sich jetzt eingestehen zu müssen: „Wenn wir eine Lösung wüssten, würden wir sie längst praktizieren.“ Dass die Dividende in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielen kann, wollen die Manager erstaunlicher Weise noch nicht wahrhaben. Zu groß erscheinen ihnen offenbar die daraus resultierenden inneren Ertragszwänge für die Unternehmen. Außenstehende Beobachter sprechen eher von heilsamen Kräften.
Erste Anzeichen gibt es immerhin: Im Hause Volkswagen hat der Aufsichtsrat jüngst eine deutliche höhere Dividende beschlossen, als der Vorstand bewilligen wollte. Ausdrücklich wurde der niedrige Börsenkurs der VW-Aktien als Grund dafür angeführt. Ein solchen Vorgang hat es in der jüngeren deutschen Finanzgeschichte noch nie gegeben. Pharma-Konzern Schering fährt seit Langem mit einer betont dynamischen Ausschüttungspolitik an der Börse weit besser als die Masse der deutschen Unternehmen. Viele produzieren, ähnlich wie Schering, Wachstum und Rekorde. Ihre Aktienangebote finden jedoch keine rechte Akzeptanz bei Anlegern; jedenfalls keine so hohe, dass die Börsenkurse die Leistungen der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter widerspiegeln sowie die Vermögenswerte der Eigentümer, also der Aktionäre.
Schon ist die Frage aufgetaucht, ob es überhaupt erlaubt ist, Börsenkurse niedriger zu stellen als das hinter den Kursen stehende Eigenkapital in den Firmenbilanzen ausgewiesen wird. Erlaubt ist es. Zukunftsträchtig ist es nicht. Schlechte Aktienkurse erschweren die Finanzierung, schwächen Firmen und Arbeitsplätze. Arbeitnehmer- und Kapitalisten-Interessen sind hier deckungsgleich, zumal viele Arbeitnehmer heute als Belegschaftsaktionäre gleichzeitig Kapitalisten sind.
Das Akzeptanz-Problem betrifft nicht nur kleinere Unternehmen des Neuen wie des alten Aktien-Marktes. Auch Konzerne, wie beispielsweise ThyssenKrupp, MG Technologies oder Rheinmetall und viele andere, können nicht genug Anleger finden. Sogar die große Deutsche Bank kann nicht genug Begeisterung für ihre Aktien entfachen; jene Bank, die sich ansonsten so gut auf Börsendinge versteht, dass sie selbst bei stark sinkenden Aktienkursen enorme Gewinne einfährt.
Alle Aktien der Deutsche Bank, einer der feinsten Adressen der Finanzwelt, sind derzeit etwa 55 Mrd. Euro an der Börse wert. Für die kleinere Royal Bank of Scotland bewilligen Anleger umgerechnet 70 Mrd. Euro. Die CitiGroup bringt es derweil auf sage und schreibe 290 Mrd. Euro. So viel besser als die Deutschen sind Schotten und Amerikaner auch nicht; wenn überhaupt. Einen Großteil des Unterschieds machen offenbar wirksame Maßnahmen zur Pflege der Aktionärsbindungen aus.
Autor: Martin Beier, 11:13 07.05.01
Börse braucht heilsame Kräfte für stabilere Verhältnisse und höhere Kurse
Seit Wochen finden deutsche Aktien wieder Käufer, die sogar steigende Kurse dafür bezahlen, um überhaupt Papiere zu bekommen. Dahinter stehen schlichte Anlagezwänge von Großanlegern und zarte Hoffnungen auf immer noch sehr tiefem Kursniveau. Dennoch ist die Börsenwelt weit davon entfernt, wieder heil zu sein.
Viele Vorstände plagt ein großes Problem: Sie treten jetzt in zahllosen Hauptversammlungen vor die Aktionäre, berichten von guten Geschäften und klagen über unzureichende Börsenbewertungen und unschlüssige Anleger, die trotz bester Zahlen und Bilanzrelationen einfach nicht genug Aktien kaufen wollen.
Aktionäre klagen ihrerseits über zu niedrige Dividenden, weil aus der Hoffnung auf Kursgewinne zunächst mal Verluste geworden sind. Die Lust auf Spekulationen ist den Anlegern wahrlich vergangen. Sie wollen künftig nicht mehr gezwungen sein, ihre Kapitalverzinsungen durch Käufe und Verkäufe an der Börse zu erzielen. In Zukunft wird es für die Unternehmen stark darauf ankommen, die Anleger bei der Stange zu halten und nicht immer wieder durch Aktienverkäufe aus der Firma zu drängen.
Solche Kundenbindungsmaßnahmen sind Neuland für deutsche Finanzstrategen. Bequem konnten sie jahrzehntelang nach traditionellem Muster die Dividende knapp und die Spekulationslust hoch halten, um sich jetzt eingestehen zu müssen: „Wenn wir eine Lösung wüssten, würden wir sie längst praktizieren.“ Dass die Dividende in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielen kann, wollen die Manager erstaunlicher Weise noch nicht wahrhaben. Zu groß erscheinen ihnen offenbar die daraus resultierenden inneren Ertragszwänge für die Unternehmen. Außenstehende Beobachter sprechen eher von heilsamen Kräften.
Erste Anzeichen gibt es immerhin: Im Hause Volkswagen hat der Aufsichtsrat jüngst eine deutliche höhere Dividende beschlossen, als der Vorstand bewilligen wollte. Ausdrücklich wurde der niedrige Börsenkurs der VW-Aktien als Grund dafür angeführt. Ein solchen Vorgang hat es in der jüngeren deutschen Finanzgeschichte noch nie gegeben. Pharma-Konzern Schering fährt seit Langem mit einer betont dynamischen Ausschüttungspolitik an der Börse weit besser als die Masse der deutschen Unternehmen. Viele produzieren, ähnlich wie Schering, Wachstum und Rekorde. Ihre Aktienangebote finden jedoch keine rechte Akzeptanz bei Anlegern; jedenfalls keine so hohe, dass die Börsenkurse die Leistungen der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter widerspiegeln sowie die Vermögenswerte der Eigentümer, also der Aktionäre.
Schon ist die Frage aufgetaucht, ob es überhaupt erlaubt ist, Börsenkurse niedriger zu stellen als das hinter den Kursen stehende Eigenkapital in den Firmenbilanzen ausgewiesen wird. Erlaubt ist es. Zukunftsträchtig ist es nicht. Schlechte Aktienkurse erschweren die Finanzierung, schwächen Firmen und Arbeitsplätze. Arbeitnehmer- und Kapitalisten-Interessen sind hier deckungsgleich, zumal viele Arbeitnehmer heute als Belegschaftsaktionäre gleichzeitig Kapitalisten sind.
Das Akzeptanz-Problem betrifft nicht nur kleinere Unternehmen des Neuen wie des alten Aktien-Marktes. Auch Konzerne, wie beispielsweise ThyssenKrupp, MG Technologies oder Rheinmetall und viele andere, können nicht genug Anleger finden. Sogar die große Deutsche Bank kann nicht genug Begeisterung für ihre Aktien entfachen; jene Bank, die sich ansonsten so gut auf Börsendinge versteht, dass sie selbst bei stark sinkenden Aktienkursen enorme Gewinne einfährt.
Alle Aktien der Deutsche Bank, einer der feinsten Adressen der Finanzwelt, sind derzeit etwa 55 Mrd. Euro an der Börse wert. Für die kleinere Royal Bank of Scotland bewilligen Anleger umgerechnet 70 Mrd. Euro. Die CitiGroup bringt es derweil auf sage und schreibe 290 Mrd. Euro. So viel besser als die Deutschen sind Schotten und Amerikaner auch nicht; wenn überhaupt. Einen Großteil des Unterschieds machen offenbar wirksame Maßnahmen zur Pflege der Aktionärsbindungen aus.
Autor: Martin Beier, 11:13 07.05.01