Siegeszug der Billig-Anbieter nicht auf Kosten der Qualität
Die beiden Herren sind sich einig. "Es ist ein Riesenblödsinn zu sagen, dass Discounter schlechtere Qualitäten anbieten", urteilt Wolfgang Twardara von der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), und Gerd Härig vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels sekundiert: "Es ist ja nicht Schrott, was da in den Regalen liegt."
Das sieht der Kunde tagtäglich ebenso. Wie anders wäre der Erfolg von Aldi, Penny, Plus oder Lidl zu erklären. Nach einer GfK-Untersuchung fließt heute im Lebensmittelhandel jeder dritte Euro in die Kassen der Billiganbieter. Zum Vergleich: 1992 war es erst jeder fünfte. "Die Discounter haben im vergangenen Jahr zehn Prozent Umsatzplus gemacht", berichtet GfK-Marketingleiter Twardara. "Der Rest macht fünf Prozent Minus." Ein Siegenszug ohnegleichen.
Käuferreichweite von 97 Prozent
Nach den Erkenntnissen der Nürnberger Konsumforscher gewannen die Billigmärkte gleich mehrfach. So stieg in den vergangenen zwölf Monaten nicht nur die Zahl der Kunden um zwei Prozent. Auch die Kassen füllten sich überproportional. Die durchschnittlichen Ausgaben pro Jahr legten von 769 auf 817 Euro zu. Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Aldi oder Plus als Einkaufsquellen niedriger Einkommensschichten verschrien waren. Twardara: "Heute geht jeder dorthin."
Wem ein Blick über die Reihen vor den Kassen oder auf die Parkplätze nicht als Beleg für diese Erkenntnis reicht, dem geben die Konsumforscher rasch eine weitere Erkenntnis an die Hand. Aldi und Co haben eine Käuferreichweite von 97 Prozent. "Mit einem Marktanteil von 35 Prozent sind Discounter hier zu Lande weltweit führend", klärt Verbands-Geschäftsführer Härig die Verhältnisse.
Bei gleichen Angeboten entscheidet der Preis
Gut verdienende Singles wie kinderreiche Familien, Berufstätige wie Rentner bedienen sich der billigen Angebote vor allem zur Deckung des Grundbedarfs. Im Vordergrund stehen Getränke, Lebensmittel für den täglichen Bedarf, Hygieneartikel oder Wasch- und Reinigungsartikel. Ob als günstige Markenware oder Hausmarke, "Qualitätseinbußen sind nicht zu befürchten" (Härig).
"Die Kunden gehen von Aldi zu Lidl und schauen auf einen Sprung bei Penny vorbei", skizziert Marketingfachmann Twardara die neuen Einkaufsgewohnheiten. Da haben es konventionelle Supermärkte eben zunehmend schwerer. "Ist doch klar, bei gleichen Angeboten entscheidet der Preis", meint Härig.
Pluspunkt Verkaufsfläche
Doch nicht nur mit weniger Kunden hat der traditionelle Supermarkt zu kämpfen. Auch klingelt es in seiner Kasse weitaus weniger als bei den ungeliebten Konkurrenten. Nach Branchenschätzungen verfügt Marktführer Aldi über eine Umsatzrendite von etwa fünf Prozent. Supermärkte müssen mit einem Zehntel auskommen. Zudem polieren die Billiganbieter mit geringeren Lohnkosten und beschränkten Mietkosten ihre Bilanzen. Sie könnten das, meint Verbandsmann Härig, "weil 700 Quadratmeter Verkaufsfläche einem Lidl-Laden prächtig reichen; für einen Vollsortimenter mit Frischwaren ist das aber viel zu wenig".
Also müssten die mehr Verkaufsfläche haben, was wiederum die Kosten treibt. Doch zumeist, berichtet Härig, bestehe nicht einmal die Chance auf Ausweitung: "In den meisten Innenstädten schieben die einschlägigen Baubestimmungen solchen Expansionsplänen einen Riegel vor."
Chance für herkömmliche Supermärkte
Mag sein, doch für Konsumforscher Twardara steht außer Zweifel, dass herkömmliche Supermärkte durchaus eine faire Chance besitzen. "Aldi kann man nicht über den Preis schlagen", urteilt der Handelsfachmann. Folglich müsse die Erfolgsstrategie anders lauten.
Zwei Möglichkeiten für ihn: Einmal müsse Service geboten werden, der auch vom Kunden honoriert werde, und zum anderen müssten starke Markenartikel die Kunden wieder anziehen. Twardara: "Wenn hinter dem Geschäftskonzept ein starkes Profil steckt, dann wird das Erfolg haben."