Trend:
Dinosauriersterben in Japan
Von Martin Kölling
Bisher profitierten die Anteilseigner japanischer Großunternehmen davon, dass Banken oder der Staat in die Bresche sprangen, sobald der Bankrott drohte. Doch die komfortablen Zeiten sind vorüber, viele Firmen stehen vor dem Aus.
Japans Anlegern ist der Appetit auf Schnäppchen vergangen. Mehr als ein Dutzend Konkurse börsennotierter Unternehmen innerhalb des vergangenen Jahres machten die Marktteilnehmer darauf aufmerksam, dass auch im Land der aufgehenden Sonne Großunternehmen Pleite gehen können. Dies ist ein recht neues Phänomen. Und so schauen viele geschockte Investoren seit kurzem statt auf Gewinne auf Schulden, Kreditbewertung und Bonds, bevor sie Aktien kaufen.
"Früher wurde nicht so darauf geachtet, weil Muttergesellschaften, Hausbanken oder auch der Staat als Rettungsanker fungierten", schildert Gary Evans, Chefstratege bei HSBC Securities in Tokio, die Erfahrung aus der Vergangenheit. "Grundsätzlich gingen Großunternehmen deshalb nicht bankrott." Das war bequem für Anleger, doch die althergebrachten Regeln haben keine Gültigkeit mehr. Die Banken kämpfen ums Überleben und kappen mittlerweile auch engsten Geschäftspartnern die Kredittransfusionen, während gleichzeitig der Staat Unternehmenszombies ins Grab stoßen will.
Eine neue Zeit
Der Einzelhändler Mycal war der erste Riese, dem eine Großbank ohne ausländische Kapitalbeteiligung, nämlich die zum weltgrößten Finanzinstitut Mizuho gehörende Daiichi-Kangyo-Bank, den Geldhahn zudrehte. Seitdem explodierte die Zinsspanne einiger Unternehmensbonds gegenüber Regierungsanleihen, beobachtet Evans. Ganz oben auf seiner Liste steht der einst größte Einzelhändler Daiei , gefolgt von der General-Motors -Beteiligung Isuzu und dem ehrwürdigen wie maroden Handelshaus Marubeni . Auch bei der Ford -Tochter Mazda und DaimlerChryslers Partner Mitsubishi Motors stellt er eine Spreizung fest.
Ende November machte der Konkurs des Schwermaschinenherstellers Niigata Engineering , obwohl kleiner als Mycal, dann auch den letzten Anlegern klar, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Denn der Pleitier gehörte zum Kern des Keiretsu der Daiichi- Kangyo-Bank.
Diese Unternehmen sind nur der Anfang. Investmentbanker gehen davon aus, dass das Sterben der Dinosaurier noch zwei Jahre andauert. "Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die wie Niigata Engineering zwar Betriebsgewinn machen, aber ihr Firmenkapital angreifen müssen, um Schuldzinsen zu zahlen", sagt Evans. Selbst renommierten Adressen droht beim jetzigen Stand der Fall in negatives Kapital, errechnete Evans.
Realität namens Deflation
Dass die Bond-Märkte sensibler auf die Gefahr reagieren, ist für Peter Tasker von Arcus Investment natürlich: "Bond-Anleger haben alles zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen." Aktienanlegern droht zwar auch Totalverlust, aber dann und wann winken Gewinnchancen von mehreren Hundert Prozent. Diese Hoffnung machte auch Sorgenfälle attraktiv. Nun hat die Spieler allerdings die Realität eingeholt. Und die heißt Deflation.
Seit Jahren schrumpft das Bruttoinlandsprodukt nominal, seit zwei Quartalen auch real. "Diesmal ist die Lage sowohl der Unternehmen als auch der Volkswirtschaft schlimmer als während der vorigen Rezession 1997/98", meint Tasker. "Damals bewältigten die Firmen noch die Folgen der Bubble-Wirtschaft, nun sehen wir immer mehr Firmen, deren Probleme in den letzten Jahren entstanden sind." Und die wirtschaftliche Lage Japans gleiche einer Depression, spitzt der bekannte Analyst und Romanautor zu.
Langes Leiden nicht ausgeschlossen
Die Konjunkturprognosen geben ihm recht. Frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2002, glauben viele Analysten, wird der Sinkflug der Wirtschaft stoppen, sofern sich die amerikanische Wirtschaft bald erholt. Verzögert sich jedoch der Aufschwung in der neuen Welt, wird Japan länger leiden. Selbst die Regierung geht intern bereits von zwei Jahren mit real sinkendem Bruttoinlandsprodukt aus. Der Umsatz der Unternehmen schrumpft also weiter, die Banken knausern noch mehr mit Krediten und werden immer seltener bereit sein, sich für Sanierungspläne in Schuldverzicht zu üben. "Alle Unternehmen mit hohen Schulden sehen schlecht aus", sagt Tasker. Die mit viel Cash in den Bilanzen profitieren. Aber gibt es die denn?
"Die Datenflut ist trübe, dennoch kann man diese Frage mit Ja beantworten," meint Robert Feldman, Chefvolkswirt von Morgan Stanley. Feldman hat 2548 börsennotierte Unternehmen untersucht, immerhin 886 stufte er als investitionswürdig ein. Feldmans potenzielle Gewinner zeichnen sich durch einen "überdurchschnittlichen" Return on Assets und ein Verhältnis von Verbindlichkeiten zum Aktienkapital von unter zwei aus.
"Diese Unternehmen sind in allen Sektoren zu finden", weiß Feldman, "auch in den Krisenbranchen Bauindustrie und Einzelhandel." Man müsse halt suchen. Nur leider fallen viele dieser Werte durch das Raster von Fonds-Managern, hat Feldman bei seinen Gesprächen erfahren, "denn viele dürfen nur in große Firmen investieren".
Investoren stehen daher oft vor den Blue-Chips Schlange, die restrukturieren und für den Weltmarkt produzieren, selbst wenn sich, wie Kritiker bemerken, in einigen Fällen die Verschuldungsrate derzeit erhöht. Doch auch hier ist Selektivität das Gebot der Stunde. Selbst große Namen wie Matsushita Electric Industrial (bekannt für seine Marke Panasonic) und Toshiba kämpfen nach Aussagen ihres Managements ums Überleben. Und wirklich attraktiv sind die Großen auch nur, wenn sich die US-Wirtschaft erholt und der Yen nicht zu stark an Wert gewinnt.
ftd.
Von Martin Kölling
Bisher profitierten die Anteilseigner japanischer Großunternehmen davon, dass Banken oder der Staat in die Bresche sprangen, sobald der Bankrott drohte. Doch die komfortablen Zeiten sind vorüber, viele Firmen stehen vor dem Aus.
Japans Anlegern ist der Appetit auf Schnäppchen vergangen. Mehr als ein Dutzend Konkurse börsennotierter Unternehmen innerhalb des vergangenen Jahres machten die Marktteilnehmer darauf aufmerksam, dass auch im Land der aufgehenden Sonne Großunternehmen Pleite gehen können. Dies ist ein recht neues Phänomen. Und so schauen viele geschockte Investoren seit kurzem statt auf Gewinne auf Schulden, Kreditbewertung und Bonds, bevor sie Aktien kaufen.
Geschrumpft: Der Yen hat 2001 deutlich an Wert verloren. Den exportorientierten Firmen Japans ist dies recht, doch war auch dadurch der Schrumpfungsprozess von Nippons Wirtschaft nicht zu stoppen.
"Früher wurde nicht so darauf geachtet, weil Muttergesellschaften, Hausbanken oder auch der Staat als Rettungsanker fungierten", schildert Gary Evans, Chefstratege bei HSBC Securities in Tokio, die Erfahrung aus der Vergangenheit. "Grundsätzlich gingen Großunternehmen deshalb nicht bankrott." Das war bequem für Anleger, doch die althergebrachten Regeln haben keine Gültigkeit mehr. Die Banken kämpfen ums Überleben und kappen mittlerweile auch engsten Geschäftspartnern die Kredittransfusionen, während gleichzeitig der Staat Unternehmenszombies ins Grab stoßen will.
Restrukturiert: Daito ist ein Immobilienkonzern, der seit Jahren restrukturiert - und dies offenbar mit Erfolg, denn 2001 verzeichnete Daito ein Return on Assets von 7,6 Prozent. Die Konkurrenz erreichte nur 0,4 Prozent.
Der Einzelhändler Mycal war der erste Riese, dem eine Großbank ohne ausländische Kapitalbeteiligung, nämlich die zum weltgrößten Finanzinstitut Mizuho gehörende Daiichi-Kangyo-Bank, den Geldhahn zudrehte. Seitdem explodierte die Zinsspanne einiger Unternehmensbonds gegenüber Regierungsanleihen, beobachtet Evans. Ganz oben auf seiner Liste steht der einst größte Einzelhändler Daiei , gefolgt von der General-Motors -Beteiligung Isuzu und dem ehrwürdigen wie maroden Handelshaus Marubeni . Auch bei der Ford -Tochter Mazda und DaimlerChryslers Partner Mitsubishi Motors stellt er eine Spreizung fest.
Ende November machte der Konkurs des Schwermaschinenherstellers Niigata Engineering , obwohl kleiner als Mycal, dann auch den letzten Anlegern klar, dass eine neue Zeit angebrochen ist. Denn der Pleitier gehörte zum Kern des Keiretsu der Daiichi- Kangyo-Bank.
Diese Unternehmen sind nur der Anfang. Investmentbanker gehen davon aus, dass das Sterben der Dinosaurier noch zwei Jahre andauert. "Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die wie Niigata Engineering zwar Betriebsgewinn machen, aber ihr Firmenkapital angreifen müssen, um Schuldzinsen zu zahlen", sagt Evans. Selbst renommierten Adressen droht beim jetzigen Stand der Fall in negatives Kapital, errechnete Evans.
Dass die Bond-Märkte sensibler auf die Gefahr reagieren, ist für Peter Tasker von Arcus Investment natürlich: "Bond-Anleger haben alles zu verlieren, aber nur wenig zu gewinnen." Aktienanlegern droht zwar auch Totalverlust, aber dann und wann winken Gewinnchancen von mehreren Hundert Prozent. Diese Hoffnung machte auch Sorgenfälle attraktiv. Nun hat die Spieler allerdings die Realität eingeholt. Und die heißt Deflation.
Seit Jahren schrumpft das Bruttoinlandsprodukt nominal, seit zwei Quartalen auch real. "Diesmal ist die Lage sowohl der Unternehmen als auch der Volkswirtschaft schlimmer als während der vorigen Rezession 1997/98", meint Tasker. "Damals bewältigten die Firmen noch die Folgen der Bubble-Wirtschaft, nun sehen wir immer mehr Firmen, deren Probleme in den letzten Jahren entstanden sind." Und die wirtschaftliche Lage Japans gleiche einer Depression, spitzt der bekannte Analyst und Romanautor zu.
Standhaft: Japans größter Hersteller optischer Gläser erobert den Bereich elektronische Produkte. Das Management gilt als fortschrittlich. Der Lohn: Die Aktie verlor 2001 nur 7,3 Prozent, der Nikkei 23 Prozent.
Die Konjunkturprognosen geben ihm recht. Frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2002, glauben viele Analysten, wird der Sinkflug der Wirtschaft stoppen, sofern sich die amerikanische Wirtschaft bald erholt. Verzögert sich jedoch der Aufschwung in der neuen Welt, wird Japan länger leiden. Selbst die Regierung geht intern bereits von zwei Jahren mit real sinkendem Bruttoinlandsprodukt aus. Der Umsatz der Unternehmen schrumpft also weiter, die Banken knausern noch mehr mit Krediten und werden immer seltener bereit sein, sich für Sanierungspläne in Schuldverzicht zu üben. "Alle Unternehmen mit hohen Schulden sehen schlecht aus", sagt Tasker. Die mit viel Cash in den Bilanzen profitieren. Aber gibt es die denn?
"Die Datenflut ist trübe, dennoch kann man diese Frage mit Ja beantworten," meint Robert Feldman, Chefvolkswirt von Morgan Stanley. Feldman hat 2548 börsennotierte Unternehmen untersucht, immerhin 886 stufte er als investitionswürdig ein. Feldmans potenzielle Gewinner zeichnen sich durch einen "überdurchschnittlichen" Return on Assets und ein Verhältnis von Verbindlichkeiten zum Aktienkapital von unter zwei aus.
"Diese Unternehmen sind in allen Sektoren zu finden", weiß Feldman, "auch in den Krisenbranchen Bauindustrie und Einzelhandel." Man müsse halt suchen. Nur leider fallen viele dieser Werte durch das Raster von Fonds-Managern, hat Feldman bei seinen Gesprächen erfahren, "denn viele dürfen nur in große Firmen investieren".
Investoren stehen daher oft vor den Blue-Chips Schlange, die restrukturieren und für den Weltmarkt produzieren, selbst wenn sich, wie Kritiker bemerken, in einigen Fällen die Verschuldungsrate derzeit erhöht. Doch auch hier ist Selektivität das Gebot der Stunde. Selbst große Namen wie Matsushita Electric Industrial (bekannt für seine Marke Panasonic) und Toshiba kämpfen nach Aussagen ihres Managements ums Überleben. Und wirklich attraktiv sind die Großen auch nur, wenn sich die US-Wirtschaft erholt und der Yen nicht zu stark an Wert gewinnt.
Defizitär: Toshiba strauchelt. Grund: Das defizitäre Geschäft mit Standardspeicherchips, aus dem sich Toshiba aber zurückziehen will. Salomon Smith Barney wertet dies positiv und stuft den Titel auf "Neutral" herauf.
ftd.