Spätestens die jüngsten Tiefstände an den Aktienmärkten drohen den Aufschwung zu kippen. Es wäre fahrlässig, darauf nur mit guten Worten zu reagieren.
Der Absturz wird zur Routine. Seit Mitte März haben die meisten der großen Aktienbörsen der Welt zwischen einem Viertel und mehr als einem Drittel an Wert verloren. Mittlerweile braucht es wie am Mittwoch schon tägliche Kursverluste von zeitweise mehr als fünf Prozent, um das Desaster wieder präsent werden zu lassen. Und das zu Recht: Denn die Gefahr ist groß, dass die Verluste jetzt ein Niveau erreichen, das für die Realwirtschaft herbe Folgen mit sich bringt.
Noch demonstrieren die Notenbanker und Finanzpolitiker wacker Zuversicht. Und auch die meisten Volkswirte setzen bislang noch auf fast ungestörtes wirtschaftliches Wachstum. Zum Teil steckt hinter solchen Versprechen allerdings das zweifelhafte Selbstverständnis, bloß keine zusätzliche Panik stiften zu wollen. Die Frage ist, ob das sinnvoll ist - oder ob es nicht vielmehr dazu führt, dass die Verantwortlichen den richtigen Moment verpassen, um in den nächsten Wochen wirtschaftspolitisch einzugreifen.
Schlechtere Vorzeichen als 1987
Noch ist schwer vorhersehbar, wohin das Börsendesaster realwirtschaftlich führen wird. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass es in der jüngeren Geschichte zwei höchst unterschiedliche Präzedenzfälle dafür gibt: den globalen Crash von Oktober 1987, der fast ohne Folgen für das Wirtschaftswachstum blieb, und die bis heute anhaltende und weit folgenschwerere Baisse in Japan seit Anfang der 90er Jahre.
Gegen das japanische Szenario mag sprechen, dass sich die konjunkturelle Lage diesmal seit Monaten eher bessert als verschlechtert und dass der Aufschwung zumindest in den USA sowohl von drastisch gesunkenen Zinsen als auch von einer großzügigeren Finanzpolitik gestützt wird. In Japan hatte die Notenbank Anfang der 90er Jahre dagegen zunächst auf restriktiven Kurs gesetzt. Die Investmentbank Morgan Stanley erwartet, dass die Gewinne der wichtigsten US-Firmen im zweiten Quartal erstmals wieder deutlich gestiegen sind. Der Auftragseingang deutet zudem auf steigende Investitionen.
Als verfrüht droht sich dennoch die Hoffnung zu erweisen, dass die Börsenverluste ähnlich spurlos an der Wirtschaft vorbeigehen wie nach dem Crash 1987. Der Unterschied liegt zum einen in Art und Ausmaß der Aktienbaisse. Vor 15 Jahren sank etwa der US-Aktienindex S&P 500 kurz und abrupt. Binnen weniger Tage fielen die Kurse um knapp ein Drittel, um wenig später bereits die Aufholjagd wieder anzutreten: Die Verluste waren nach knapp eineinhalb Jahren wettgemacht. Diesmal setzt sich mit den jüngsten Rückgängen ein Trend fort, der seit März 2000 anhält. Alles in allem hat der S&P seitdem gut 45 Prozent verloren, der deutsche Index Dax sogar um mehr als die Hälfte.
Was die heutige Lage brenzliger machen könnte als jene von 1987 ist zudem die Vermutung, dass die jüngsten Bilanzskandale bei Enron, Worldcom und anderen nur Auslöser und nicht Ursache für den Absturz der Aktienkurse war. Die Anpassung der Bewertungen an den Finanzmärkten hätte nach dem Überschwang Ende der 90er Jahre ohnehin stattfinden müssen - die jüngsten Kursstürze zeigen lediglich, dass sich der Prozess nun schneller und mithin schmerzhafter vollzieht, als es viele erhofft hatten. Darin wiederum ähnelt die heutige Lage eher jener Japans Anfang der 90er Jahre.
Mit jedem weiteren Einbruch an den Aktienmärkten steigt seit Wochen die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbraucher - zumindest im Aktienland USA - ihre Ausgaben bald einschränken werden. Empirische Studien deuten darauf, dass Vermögensverluste mit ein paar Jahren Verzögerung die Konsumlust spürbar verringern. Die Vertrauenskrise nach den Bilanzskandalen droht dazu zu führen, dass es Unternehmen jetzt schwerer haben an Kapital zu kommen. Spätestens damit geriete der US-Aufschwung in Gefahr - und auch die Konjunkturerholung in Europa.
Gefährliche Spirale nach unten
Noch ist der Rückfall in die Rezession nur ein mögliches Szenario. Es könnte allerdings schon in Kürze das wahrscheinlichste werden. Um so besser wäre es, wenn die Geld- und Finanzpolitiker der führenden Industrienationen sich schon jetzt auf den konjunkturellen Ernstfall vorbereiten würden.
Klar: Es wäre weder sinnvoll noch Erfolg versprechend, weitere Aktienkursverluste verhindern zu wollen, solange diese noch Teil einer Korrektur früherer Exzesse sind - auch wenn dies realwirtschaftlich spürbare Folgen hätte. Letztere wären dann nur der Preis für das entsprechend überhöhte Wachstum der Wirtschaft im vorangegangenen Boom. Nach aller Erfahrung ist das Risiko jetzt aber groß, dass sich die Abwärtsbewegung an den Aktienmärkten verselbstständigt. Und zumindest das sollten Notenbanker und Regierungsvertreter zu verhindern versuchen.
Woran es derzeit mangelt, sind Finanzminister, die sich an den Märkten Respekt und Gehör verschaffen. Dazu haben weder die Vertreter Deutschlands oder Frankreichs noch Amerikas Paul O’Neill das Format. Um so hilfreicher wäre es, wenn unter den Geldpolitikern neben US-Mann Alan Greenspan auch Europas Wim Duisenberg den Finanzmarktakteuren signalisierte, dass er bereit wäre auf die erwarteten Zinserhöhungen vorerst zu verzichten - statt nach Inflationsgefahren zu suchen, die es nicht gibt. In Deutschland sind die Preise von Juni auf Juli gefallen.
Die Rahmenbedingungen der Crashs an den Aktienmärkten sind unterschiedlich, doch die Grundmuster ähneln sich. Experten sehen große Parallelen zur Japan-Krise 1990.
Die aktuelle Baisse an den Aktienmärkten ist einzigartig, schon weil sie sich stufenweise verstärkt hat. In der Vergangenheit finden sich dagegen vor allem Beispiele, die mit einem "großen Knall" begonnen haben. Zwar zeigen sich im Verlauf früherer Crashs grundsätzliche Parallelen zur heutigen Situation, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen führen aber zu Abweichungen.
Die Börsen der Industrieländer sind in den vergangenen 28 Monaten auf immer neue Tiefs gefallen. Beispiel Dax: Von 8000 Indexpunkten im März 2000 wurde er mittlerweile auf rund 3600 zurechtgestutzt. Man muss schon bis 1929 in die Geschichte zurückgehen, um eine Abschwungphase zu finden, die länger gedauert hat. Nach den Crashs von 1972, 1987 und 1998 setzte die Erholung nach maximal zwei Jahren wieder ein. Die große Depression nach 1929 dauerte allerdings gleich 25 Jahre, bis im November 1954 die Indexstände der Vorkrisenzeit wieder erreicht wurden.
"Was wir heute erleben, ist mit 1929 nicht zu vergleichen", sagt Christoph Kaserer, Professor für internationale Kapitalmärkte an der Uni München. Die Fundamentaldaten sind heute anders, von einem Zusammenbruch der Realwirtschaft ist nichts zu spüren. In den vier Jahren nach 1929 sackte die Produktion weltweit um fast die Hälfte ab. Die Politik der Geldverknappung durch die Zentralbank spielte damals eine große Rolle. Erschwerend kam die Einschränkung des freien Welthandels hinzu. "Nichts davon sehen wir heute", sagt Kaserer.
Anleger folgen dem Herdentrieb
Verstärkt werden Krisen heutzutage nach Ansicht Kaserers durch das Herdenverhalten der institutionellen Anleger. Sie müssen sich immer mehr an führenden Indizes (Benchmarks) orientieren und können immer weniger eigene Akzente in der Anlagepolitik setzen.
Am Anfang des Abschwungs haben dabei häufig externe Schocks eine Rolle gespielt, der Zusammenbruch des Hedge Funds LTCM 1998 oder die Ölkrise 1972. Olaf Stotz vom Institut für Asset Management an der Uni Aachen weist auf einen weiteren Unterschied hin: den gegenwärtigen Vertrauensverlust in das Finanzsystem nach zahlreichen Bilanz- und Analystenskandalen.
Ihm scheint die aktuelle Situation mit dem Crash in Japan 1990 vergleichbar. Auch die Deutsche Bank sieht in einer Studie Gemeinsamkeiten zu heute: "Aktienmärkte, BIP-Wachstum, Investitionen, Inflation und Verlangsamung des Kreditwachstums - alles dies entwickelt sich ähnlich wie seinerzeit in Japan."
Gier geht dem Absturz voraus
Abstürze an den Märkten sind keine Erscheinung des 20. Jahrhunderts. Als erster Crash gilt die Tulpenkrise in den Niederlanden 1636. Es folgten der Eisenbahn-Crash in Großbritannien ab 1845, oder der Absturz nach dem Gründerboom in Deutschland 1873. Häufig führt eine neue Technologie - vor 1845 die Eisenbahn, vor 1929 das Automobil, vor 2000 das Internet - zu einem kräftigen Wachstum, das bald in Übertreibung umschlägt. "Letztendlich ist die Gier der Anleger die Erklärung", sagt Stotz.
Typisch seien ein Gründerboom, kräftig wachsender privater Konsum und Korruption, erläutert der Wissenschaftler Charles Kindleberger. Darüber hinaus setze sich das Gefühl durch, eine neue Ära sei angebrochen. Regeln zur Dauer einer Krise bietet die Geschichte nicht. Fest steht nur, dass eine Bankenkrise im Anschluss an den Börsenabsturz die Probleme verschärft. Sollte jetzt ein großes Finanzinstitut zusammenbrechen, "wird das psychologisch sehr schwierig", sagt Kaserer.
Aus dem Verlauf früherer Crashs Rückschlüsse auf die heutige Situation abzuleiten, hält Joachim Goldberg für fragwürdig. Seine Firma Cognitrend hat sich auf die Untersuchung des Anlegerverhaltens spezialisiert. Grundsätzliche Muster ähnelten sich, doch die Rahmenbedingungen seien immer wieder andere. "Blasen sind schon häufig geplatzt, aber jeder Fall ist doch singulär", sagt Goldberg. Dass dennoch immer wieder Vergleiche angestellt werden, "liegt in der menschlichen Psyche begründet". "Wir suchen Erklärungen, um die Lage unter Kontrolle zu halten."
ftd.de
Gruß
Happy End
Der Absturz wird zur Routine. Seit Mitte März haben die meisten der großen Aktienbörsen der Welt zwischen einem Viertel und mehr als einem Drittel an Wert verloren. Mittlerweile braucht es wie am Mittwoch schon tägliche Kursverluste von zeitweise mehr als fünf Prozent, um das Desaster wieder präsent werden zu lassen. Und das zu Recht: Denn die Gefahr ist groß, dass die Verluste jetzt ein Niveau erreichen, das für die Realwirtschaft herbe Folgen mit sich bringt.
Noch demonstrieren die Notenbanker und Finanzpolitiker wacker Zuversicht. Und auch die meisten Volkswirte setzen bislang noch auf fast ungestörtes wirtschaftliches Wachstum. Zum Teil steckt hinter solchen Versprechen allerdings das zweifelhafte Selbstverständnis, bloß keine zusätzliche Panik stiften zu wollen. Die Frage ist, ob das sinnvoll ist - oder ob es nicht vielmehr dazu führt, dass die Verantwortlichen den richtigen Moment verpassen, um in den nächsten Wochen wirtschaftspolitisch einzugreifen.
Schlechtere Vorzeichen als 1987
Noch ist schwer vorhersehbar, wohin das Börsendesaster realwirtschaftlich führen wird. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass es in der jüngeren Geschichte zwei höchst unterschiedliche Präzedenzfälle dafür gibt: den globalen Crash von Oktober 1987, der fast ohne Folgen für das Wirtschaftswachstum blieb, und die bis heute anhaltende und weit folgenschwerere Baisse in Japan seit Anfang der 90er Jahre.
Gegen das japanische Szenario mag sprechen, dass sich die konjunkturelle Lage diesmal seit Monaten eher bessert als verschlechtert und dass der Aufschwung zumindest in den USA sowohl von drastisch gesunkenen Zinsen als auch von einer großzügigeren Finanzpolitik gestützt wird. In Japan hatte die Notenbank Anfang der 90er Jahre dagegen zunächst auf restriktiven Kurs gesetzt. Die Investmentbank Morgan Stanley erwartet, dass die Gewinne der wichtigsten US-Firmen im zweiten Quartal erstmals wieder deutlich gestiegen sind. Der Auftragseingang deutet zudem auf steigende Investitionen.
Als verfrüht droht sich dennoch die Hoffnung zu erweisen, dass die Börsenverluste ähnlich spurlos an der Wirtschaft vorbeigehen wie nach dem Crash 1987. Der Unterschied liegt zum einen in Art und Ausmaß der Aktienbaisse. Vor 15 Jahren sank etwa der US-Aktienindex S&P 500 kurz und abrupt. Binnen weniger Tage fielen die Kurse um knapp ein Drittel, um wenig später bereits die Aufholjagd wieder anzutreten: Die Verluste waren nach knapp eineinhalb Jahren wettgemacht. Diesmal setzt sich mit den jüngsten Rückgängen ein Trend fort, der seit März 2000 anhält. Alles in allem hat der S&P seitdem gut 45 Prozent verloren, der deutsche Index Dax sogar um mehr als die Hälfte.
Was die heutige Lage brenzliger machen könnte als jene von 1987 ist zudem die Vermutung, dass die jüngsten Bilanzskandale bei Enron, Worldcom und anderen nur Auslöser und nicht Ursache für den Absturz der Aktienkurse war. Die Anpassung der Bewertungen an den Finanzmärkten hätte nach dem Überschwang Ende der 90er Jahre ohnehin stattfinden müssen - die jüngsten Kursstürze zeigen lediglich, dass sich der Prozess nun schneller und mithin schmerzhafter vollzieht, als es viele erhofft hatten. Darin wiederum ähnelt die heutige Lage eher jener Japans Anfang der 90er Jahre.
Mit jedem weiteren Einbruch an den Aktienmärkten steigt seit Wochen die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbraucher - zumindest im Aktienland USA - ihre Ausgaben bald einschränken werden. Empirische Studien deuten darauf, dass Vermögensverluste mit ein paar Jahren Verzögerung die Konsumlust spürbar verringern. Die Vertrauenskrise nach den Bilanzskandalen droht dazu zu führen, dass es Unternehmen jetzt schwerer haben an Kapital zu kommen. Spätestens damit geriete der US-Aufschwung in Gefahr - und auch die Konjunkturerholung in Europa.
Gefährliche Spirale nach unten
Noch ist der Rückfall in die Rezession nur ein mögliches Szenario. Es könnte allerdings schon in Kürze das wahrscheinlichste werden. Um so besser wäre es, wenn die Geld- und Finanzpolitiker der führenden Industrienationen sich schon jetzt auf den konjunkturellen Ernstfall vorbereiten würden.
Klar: Es wäre weder sinnvoll noch Erfolg versprechend, weitere Aktienkursverluste verhindern zu wollen, solange diese noch Teil einer Korrektur früherer Exzesse sind - auch wenn dies realwirtschaftlich spürbare Folgen hätte. Letztere wären dann nur der Preis für das entsprechend überhöhte Wachstum der Wirtschaft im vorangegangenen Boom. Nach aller Erfahrung ist das Risiko jetzt aber groß, dass sich die Abwärtsbewegung an den Aktienmärkten verselbstständigt. Und zumindest das sollten Notenbanker und Regierungsvertreter zu verhindern versuchen.
Woran es derzeit mangelt, sind Finanzminister, die sich an den Märkten Respekt und Gehör verschaffen. Dazu haben weder die Vertreter Deutschlands oder Frankreichs noch Amerikas Paul O’Neill das Format. Um so hilfreicher wäre es, wenn unter den Geldpolitikern neben US-Mann Alan Greenspan auch Europas Wim Duisenberg den Finanzmarktakteuren signalisierte, dass er bereit wäre auf die erwarteten Zinserhöhungen vorerst zu verzichten - statt nach Inflationsgefahren zu suchen, die es nicht gibt. In Deutschland sind die Preise von Juni auf Juli gefallen.
Kein Börsencrash gleicht dem anderen
Die Rahmenbedingungen der Crashs an den Aktienmärkten sind unterschiedlich, doch die Grundmuster ähneln sich. Experten sehen große Parallelen zur Japan-Krise 1990.
Die aktuelle Baisse an den Aktienmärkten ist einzigartig, schon weil sie sich stufenweise verstärkt hat. In der Vergangenheit finden sich dagegen vor allem Beispiele, die mit einem "großen Knall" begonnen haben. Zwar zeigen sich im Verlauf früherer Crashs grundsätzliche Parallelen zur heutigen Situation, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen führen aber zu Abweichungen.
Die Börsen der Industrieländer sind in den vergangenen 28 Monaten auf immer neue Tiefs gefallen. Beispiel Dax: Von 8000 Indexpunkten im März 2000 wurde er mittlerweile auf rund 3600 zurechtgestutzt. Man muss schon bis 1929 in die Geschichte zurückgehen, um eine Abschwungphase zu finden, die länger gedauert hat. Nach den Crashs von 1972, 1987 und 1998 setzte die Erholung nach maximal zwei Jahren wieder ein. Die große Depression nach 1929 dauerte allerdings gleich 25 Jahre, bis im November 1954 die Indexstände der Vorkrisenzeit wieder erreicht wurden.
"Was wir heute erleben, ist mit 1929 nicht zu vergleichen", sagt Christoph Kaserer, Professor für internationale Kapitalmärkte an der Uni München. Die Fundamentaldaten sind heute anders, von einem Zusammenbruch der Realwirtschaft ist nichts zu spüren. In den vier Jahren nach 1929 sackte die Produktion weltweit um fast die Hälfte ab. Die Politik der Geldverknappung durch die Zentralbank spielte damals eine große Rolle. Erschwerend kam die Einschränkung des freien Welthandels hinzu. "Nichts davon sehen wir heute", sagt Kaserer.
Anleger folgen dem Herdentrieb
Verstärkt werden Krisen heutzutage nach Ansicht Kaserers durch das Herdenverhalten der institutionellen Anleger. Sie müssen sich immer mehr an führenden Indizes (Benchmarks) orientieren und können immer weniger eigene Akzente in der Anlagepolitik setzen.
Am Anfang des Abschwungs haben dabei häufig externe Schocks eine Rolle gespielt, der Zusammenbruch des Hedge Funds LTCM 1998 oder die Ölkrise 1972. Olaf Stotz vom Institut für Asset Management an der Uni Aachen weist auf einen weiteren Unterschied hin: den gegenwärtigen Vertrauensverlust in das Finanzsystem nach zahlreichen Bilanz- und Analystenskandalen.
Ihm scheint die aktuelle Situation mit dem Crash in Japan 1990 vergleichbar. Auch die Deutsche Bank sieht in einer Studie Gemeinsamkeiten zu heute: "Aktienmärkte, BIP-Wachstum, Investitionen, Inflation und Verlangsamung des Kreditwachstums - alles dies entwickelt sich ähnlich wie seinerzeit in Japan."
Gier geht dem Absturz voraus
Abstürze an den Märkten sind keine Erscheinung des 20. Jahrhunderts. Als erster Crash gilt die Tulpenkrise in den Niederlanden 1636. Es folgten der Eisenbahn-Crash in Großbritannien ab 1845, oder der Absturz nach dem Gründerboom in Deutschland 1873. Häufig führt eine neue Technologie - vor 1845 die Eisenbahn, vor 1929 das Automobil, vor 2000 das Internet - zu einem kräftigen Wachstum, das bald in Übertreibung umschlägt. "Letztendlich ist die Gier der Anleger die Erklärung", sagt Stotz.
Typisch seien ein Gründerboom, kräftig wachsender privater Konsum und Korruption, erläutert der Wissenschaftler Charles Kindleberger. Darüber hinaus setze sich das Gefühl durch, eine neue Ära sei angebrochen. Regeln zur Dauer einer Krise bietet die Geschichte nicht. Fest steht nur, dass eine Bankenkrise im Anschluss an den Börsenabsturz die Probleme verschärft. Sollte jetzt ein großes Finanzinstitut zusammenbrechen, "wird das psychologisch sehr schwierig", sagt Kaserer.
Aus dem Verlauf früherer Crashs Rückschlüsse auf die heutige Situation abzuleiten, hält Joachim Goldberg für fragwürdig. Seine Firma Cognitrend hat sich auf die Untersuchung des Anlegerverhaltens spezialisiert. Grundsätzliche Muster ähnelten sich, doch die Rahmenbedingungen seien immer wieder andere. "Blasen sind schon häufig geplatzt, aber jeder Fall ist doch singulär", sagt Goldberg. Dass dennoch immer wieder Vergleiche angestellt werden, "liegt in der menschlichen Psyche begründet". "Wir suchen Erklärungen, um die Lage unter Kontrolle zu halten."
ftd.de
Gruß
Happy End