Sonntag, 05. August 2001 Berlin, 13:10 Uhr
Hedge-Fonds vor dem Absturz?
Alternative Produkte sollen den Anlegern in der Baisse zu mehr Rendite verhelfen - doch sie sind teuer, und Gewinne ungewiss
Von Ulrich Reitz
Frankfurt - Den vergangenen Herbst wird Phil Anker so schnell nicht vergessen. 3,6 Milliarden Mark gingen binnen weniger Monate auf dem Konto des New Yorker Börsenprofis ein, der bei der Deutschen Bank-Tochter Deutsche Asset Management das Hedge-Fonds-Geschäft überwacht. Das Geld bekam Anker von Anlegern überwiesen, die in Hedge-Fonds-Zertifikate investieren. Weil ihnen die Renditen von Aktienfonds zu gering und das Angebot von Hedge-Fonds zu groß sind, schlagen immer mehr Anleger den Umweg über Zertifikate ein, die ihre Wertentwicklung an die Entwicklung gleich mehrerer Hedge-Fonds anlehnen - ähnlich einem Dachfonds-Konzept.
"Der Markt brummt", sagt Anker. Seine Kollegen in den anderen Banken sagen das auch. Die Londoner Hedge-Fonds-Experten der schweizerischen Großbank UBS Warburg machen in jüngster Zeit ebenfalls eine "gigantische Nachfrage" aus. Und das, obwohl Hedge-Fonds-Zertifikate teuer sind. Bis zu 15 Prozent verlangen die Emittenten vom Gewinn des Anlegers zurück. Eine Managementgebühr wird dem Anleger ebenfalls abverlangt.
Die Hedging-Idee ist nicht neu. Alfred W. Jones hatte den Grundstock dafür bereits vor mehr als 50 Jahren gelegt. 1949 rief er eine Gesellschaft ins Leben, die auf fallende und steigende Kurse wettete. Mit Kredit hatte Jones unterbewertete Aktien bestellt und überbewertete leer verkauft. Jones hatte großen Erfolg. Der Hedge-Fonds-Boom ließ nicht lange auf sich warten.
Doch Wetten kann man auch verlieren, wie ebenfalls ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Unvergessen ist die Pleite des Long Term Capital Managament-Fonds, der vor drei Jahren den Anlegern die Tränen in die Augen trieb. Oder die Währungsspekulationen, mit denen Börsenguru George Soros in den frühen Neunzigern in eine gewaltige Schieflage glitt.
"Es ist aber nicht jeder Hedge-Fonds gleich", sagt Helmut Fischer, Hedge-Fonds-Experte bei UBS Warburg in London. Die Unterschiede der Fondsstrategien seien zu groß (siehe Kasten), um allgemeingültige Aussagen treffen zu können. Von den Negativbeispielen will auch Phil Anker nichts wissen: "Die Wirklichkeit sieht doch ganz anders aus." Es komme schließlich auf die Qualität der Fondsmanager und deren Produkte an. "Mit den Negativbeispielen von einst hat das nicht viel zu tun", sagt Anker, der seinen Kunden rät, "rund fünf Prozent des Depotwertes in Hedging-Zertifikate zu investieren". HypoVereinsbank-Hedging-Profi Gerhard Biasi empfiehlt gar eine Beimischung von zehn bis zwanzig Prozent. Wenn das Zertifikat über eine Kapitalabsicherung verfügt - was aber zu Lasten der Rendite geht.
Doch ohne Risiko sind die Papiere, die selbst bei fallenden Kursen Gewinne von 15 Prozent und mehr erzielen sollen, aber nicht. Anders als Aktienfonds, die in Unternehmen investieren, versuchen die weltweit mehr als 6000 Hedge-Fonds und die damit verbundenen Zertifikate eine sehr viel riskantere Strategie. Denn anders als die Manager von Aktienfonds haben die von Hedge-Fonds freie Hand. Sie handeln mit allem, was Gewinn bringt. Egal ob Währungen, Preisspannen, Rohstoffe, Aktien. Erlaubt ist, was gefällt. Und was Rendite verspricht.
Anlegerschützer warnen vor zu viel Euphorie. "Ein Verlust sämtlicher Einlagen ist zwar unwahrscheinlich. Ausgeschlossen aber ist er nicht", sagt Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. Um das Risiko des Totalverlustes oder gar einer Nachschusspflicht zu vermeiden, sind die deutschen Hedging-Zertifikate nach dem System von Dachfonds konzipiert. Das Risiko ist dabei auf bis zu 50 Hedge-Fonds gestreut. Den Super-Gau, bei dem sämtliche Hedge-Fonds Pleite gehen, halten Profis, wie HypoVereinsbank-Manager Biasi, für unwahrscheinlich: "Die Produkte sind deshalb auch für konservative Anleger geeignet." Verglichen mit Aktienfonds sei das Risiko sogar geringer. Die Renditewahrscheinlichkeit aber hoch.
Anlegerschützerin Keitel sieht trotzdem ein Problem: "Die Produkte sind intransparent. Kleinanleger haben keine Möglichkeit, die Entwicklung der Fonds nachzuvollziehen." Und beim Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) stört man sich an den hohen Gebühren: "Verglichen mit Aktienfonds drücken bei Hedge-Fonds-Zertifikaten eine Reihe von Unkosten auf die Rendite." Indirekt werden durch die Gebühren die Hedge-Fonds-Manager gezahlt. Auch der Manager des Zertifikats, der das Geld auf die verschiedenen Hedge-Fonds verteilt, muss bezahlt werden.
Trotz hoher Gebühren ist Anlegern ein Rendite-Feuerwerk nicht sicher. Beispiel "Xavex Hedge Select": Das börsennotierte Hedge-Fonds-Zertifikat der Deutschen Bank hat seit der Emission im vergangenen September rund ein Prozent eingebüßt. Aber: Anleger, die zeitgleich in einen Dax-Index-Fonds investierten, verloren noch mehr - im gleichen Zeitraum mehr als 20 Prozent.
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