Die Strategie der Vereinigten Staaten

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Hartkore_Diab.:

Die Strategie der Vereinigten Staaten

 
08.10.01 22:01
Aus der FTD vom 9.10.2001  
Leitartikel: Die Strategie der Vereinigten Staaten

Fast vier Wochen nach den Terrorattacken in New York und Washington haben die USA und Großbritannien am Montag zum zweiten Militärschlag gegen Afghanistan angesetzt. Ihre Absicht ist, Osama Bin Ladens Terrornetzwerk zu zerstören und die Taliban zu demontieren.

Die Zielsetzung und der bisherige Verlauf des militärischen Einsatzes sind gerechtfertigt. Dennoch liegt eine schwierige Zeit vor der Anti-Terror-Koalition um die USA.

In der vergangenen Woche hat die US-Regierung Beweise vorgelegt, die Bin Laden nach Ansicht der Nato als Drahtzieher hinter den Attentaten identifizieren. Damit ist eine Befürchtung ausgeräumt: Die USA haben nicht überstürzt Rache genommen, um das Bild der Weltmacht wiederherzustellen und die Emotionen im Land zu befriedigen.


Dem ersten Militärschlag voraus gingen aufwändige geheimdienstliche Ermittlungen, Konsultationen mit Bündnispartnern und Anrainerstaaten - sowie diplomatische Bemühungen gegenüber den Taliban.



Taliban decken Hintermänner


Doch die islamistischen Machthaber in der afghanischen Hauptstadt haben kein Interesse gezeigt, mit den USA bei der Ergreifung Bin Ladens zusammenzuarbeiten. Dadurch hätten sie US-Militärschlägen die Grundlage entziehen können. Ob aus Ohnmacht oder Zerstrittenheit - die Taliban decken nach wie vor die Männer hinter den Attentätern von New York und Washington, ebenso wie die Terroristen, die möglicherweise weitere, tödliche Anschläge planen. Die amerikanischen und britischen Angriffe auf mutmaßliche Terroristen-Trainingslager, Flughäfen und die Infrastruktur der Taliban sind daher angemessen, solange die Bevölkerung geschont wird.


Um die Lage der Zivilisten nicht weiter zu verschlechtern, haben die Vereinigten Staaten parallel zu den Bomben 37.500 Lebensmittelrationen abgeworfen. Hinter dem Abwurf steckt mehr als eine humanitäre Motivation. Die Hilfspakete sind ein neuartiger Versuch, die Bevölkerung des gegnerischen Landes sowie die internationale Öffentlichkeit auf die eigene Seite zu ziehen. Die USA sind dem Ziel, die Taliban abzusetzen, einen Schritt näher, wenn sich die Afghanen von den Machthabern in Kabul, die Tausende Zivilisten in den Hungertod getrieben haben, abwenden.


Zweifel mehren sich allerdings an der Wirksamkeit der Aktion. Nicht-staatliche Organisationen kritisieren, viele Pakete seien in verminte Gebiete geworfen worden, die nicht oder nur unter Lebensgefahr zugänglich sind. So ist die Nahrungshilfe mehr ein Signal an die Öffentlichkeit denn lebensrettend.


Ohnehin wird es für die USA schwieriger, islamische Kritiker in vielen Ländern von der Berechtigung ihres Vorgehens zu überzeugen. Der professionelle Fernsehauftritt Bin Ladens, unmittelbar nachdem die ersten Raketen einschlugen, hat die Stimmung weiter aufgeheizt. Der Terrorist hat die Attentate gutgeheißen, den heiligen Krieg ausgerufen und sich selbst zu seinem Führer gekürt.


Am Montag demonstrierten Tausende gewaltbereiter Islamisten in Pakistan, während die Regierung in Islamabad das Bündnis mit den USA bekräftigte. In mehreren islamischen Ländern ist die innenpolitische Lage ähnlich sensibel.



Stabiles Bündnis gegen den Terror


Doch noch scheint das Bündnis gegen den Terror stabil zu sein. Dafür spricht, dass etwa der pakistanische Präsident Pervez Musharraf zwei Generäle von ihren Pflichten entband, die als islamistische Hardliner gelten. Doch müssen die USA die Partner-Regierungen weiter stärken, damit sie dem innenpolitischen Druck standhalten können. Dazu gehört, dass sie keinen Bündnispartner überbeanspruchen.


Richtig war der Verzicht darauf, Bodentruppen über Pakistan nach Afghanistan einmarschieren zu lassen. Und entscheidend ist, dass die Ziele der Koalition realistisch bleiben. In Washington gibt es Druck, die Militärschläge auf Irak auszudehnen. Dem sollten die USA widerstehen - zumindest so lange, bis die Operation in Afghanistan zum selbst gesetzten Ziel geführt hat.


Dazu gehört die Installation eines Post-Taliban-Regimes. Dies könnte eine Regierung der nationalen Einheit sein, die von einer Nationalversammlung unter Leitung des afghanischen Exil-Königs Zahir Schah gewählt wird. Diese Regierung kann Pakistan allerdings nur mittragen, wenn dabei das Gewicht der Nordallianz beschränkt wird.


Zudem muss die militärische Strategie mit einer nachhaltigen Außenpolitik gegenüber den islamischen Staaten einhergehen. Hierzu gehören unter anderem stabile Beziehungen zu den gemäßigten Kräften sowie die Förderung von Demokratie und Reformen in korrupt-feudalistischen Regimen - denn nur so verliert der internationale Terrorismus dauerhaft seine Grundlage.




Weitere Leitartikel zu den Themen "Gefährlicher Spagat" und "Die Video-Ansprache Bin Ladens" in der FTD-Ausgabe vom 09.10.2001.

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