Steuer auf Spekulationsgewinne
„Geld zurück“ gibt’s für die Wenigsten
Zahlreiche Anleger hatten auf eine Steuererstattung gehofft, als das Verfassungsgericht vor drei Wochen die Steuer auf Aktiengewinne für die Jahre 1997/98 für nichtig erklärt hatte – doch vergebens.
Von Daniela Kuhr
Zahlreiche Anleger hatten auf eine Steuererstattung gehofft, als das Verfassungsgericht vor drei Wochen die Steuer auf Aktiengewinne für die Jahre 1997/98 für nichtig erklärt hatte – doch vergebens.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat jetzt angeordnet, dass nur diejenigen von dem Urteil profitieren, deren Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist (Az: IV D 2 – S 0338 – 11/04). Damit steht fest: Wer keinen Einspruch eingelegt hat und wessen Bescheid auch nicht vorläufig ergangen ist, erhält sein Geld nicht zurück – obwohl die Steuer verfassungswidrig ist.
Aktionärsschützer zeigen sich enttäuscht über die Anordnung. „Statt formal mit der Bestandskraft zu argumentieren, wäre es ein Gebot der Fairness, das Urteil auf alle gleichermaßen anzuwenden“, sagt Carsten Heise von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Auch Anwalt Johann Seipl von der Münchner Kanzlei Wannemacher & Partner ärgert sich über das BMF-Schreiben. „Wer damals seine Gewinne aus Aktiengeschäften einfach verschwiegen hat, braucht nichts mehr zu befürchten, auch nicht strafrechtlich. Wer sie aber dem Finanzamt korrekt mitgeteilt hat, sieht sein Geld nicht wieder.“ Das sei „eine Ohrfeige für die Steuerehrlichen“.
Bürger, die darauf vertrauten, dass das Finanzamt fair mit ihnen umgehe, würden enttäuscht. „Damit löst die Finanzverwaltung nun erst recht eine Lawine von Einsprüchen aus, weil jeder Angst hat, sonst bei künftigen Urteilssprüchen zu kurz zu kommen“, meint Seipl.
Weitere Verfahren anhängig
Für die Jahre nach 1998 hat das Ministerium angeordnet: Steuerbescheide, die im Hinblick auf das in Karlsruhe anhängige Verfahren vorläufig ergangen sind, sollen nun für endgültig erklärt werden.
Auch eine eventuelle Aussetzung der Vollziehung sei zu widerrufen. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte sein Urteil ausdrücklich auf die Jahre 1997/98 beschränkt. Das heißt: Die Steuer auf Spekulationsgewinne, die seit 1999 erzielt wurden, muss nun gezahlt werden.
„Auch das ist ärgerlich, denn es spricht viel dafür, dass die Regeln nach 1998 ebenfalls nichtig sind“, sagt Seipl. Beim Bundesfinanzhof (BFH), dem obersten deutschen Steuergericht, seien bereits zwei Verfahren anhängig, die die Jahre nach 1998 betreffen.
Der Jurist erwartet deshalb, dass das Bundesverfassungsgericht in den kommenden zwei Jahren erneut über die Spekulationssteuer entscheiden muss. „Anlegern kann ich nur raten, Einspruch gegen ihre noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide einzulegen“, sagt Seipl. „Als Begründung genügt der Hinweis auf die beim BFH anhängigen Verfahren.“ (Az.: IX R 13/03 und IX R 8/04) Wenn das Finanzamt dem Einspruch nicht stattgibt, bleibe nur der Klageweg. „Das Kostenrisiko ist dabei aber überschaubar“, sagt Seipl.
Gewinne aus Geschäften mit Wertpapieren sind grundsätzlich steuerpflichtig, wenn zwischen An- und Verkauf weniger als ein Jahr liegt. Das Verfassungsgericht hatte mit Urteil vom 9. März diese so genannte Spekulationssteuer für die Jahre 1997/98 für nichtig erklärt. Grund: Da den Finanzämtern wirksame Kontrollmöglichkeiten fehlten, haben letztlich nur die Ehrlichen ihre Gewinne versteuert.
Steuerexperten gehen jedoch davon aus, dass die Spekulationssteuer auch in den Jahren davor und – zumindest für eine gewisse Zeit – danach verfassungswidrig ist. Wirksame Kontrollmöglichkeiten gebe es erst seit diesem Jahr, sagt Seipl. So müssen zum Beispiel seit Januar Banken ihren Kunden eine Jahresbescheinigung erteilen, in der alle Einkünfte wie Zinsen, Dividenden und Spekulationsgewinne aufgelistet sind.
(SZ vom 30.03.2004)