Sparersorgen
Von Martin T. Roth
Wer den bevorstehenden Jahreswechsel zum Anlaß nimmt, wieder einmal seine persönlichen Finanzen unter die Lupe zu nehmen, wird im Hinblick auf seine langfristige Altersvorsorge ernüchtert sein. Vor allem für jüngere Menschen werden sich daraus einige grundlegende Fragen zur Entwicklung ihrer Sparpläne für das Alter ergeben.
Die haussierenden Börsen haben es zur Jahrtausendwende leichtgemacht, sich Gedanken um die private Altersvorsorge zu machen. Satte zweistellige jährliche Renditen erweckten den Eindruck, diese Dynamik der Wohlstandsmehrung ließe sich dauerhaft fortschreiben. Wer hat nicht gerne als Dreißigjähriger unterschrieben, wenn eine Fondsgesellschaft ihm - mathematisch korrekt - vor drei Jahren folgende Rechnung gemacht hat: Ein Aktiensparplan in Höhe von 200 Euro monatlich ergibt bei einer Schönwetter-Rendite von zehn Prozent nach 35 Jahren rund 685 000 Euro und damit eine - auch unter Berücksichtigung von Inflation - stattliche zusätzliche Rente, ohne das verfügbare Einkommen heute zu stark zu beschneiden.
Doch diese schöne neue Welt besteht seit geraumer Zeit nicht mehr. Die Tatsache, daß selbst die konservativen Lebensversicherer hierzulande Überschußbeteiligungen und garantierte Mindestverzinsung zum Teil kräftig senken müssen, ist nur der letzte Beweis dafür. Bescheidenheit ist angesagt. Für langfristige Sparer heißt dies, daß sie ihre Renditeerwartungen nach unten anpassen müssen. Entweder müssen sie ihre Sparleistungen kräftig erhöhen oder sich darüber im klaren sein, daß die Ablaufleistungen deutlich geringer ausfallen werden. Wer den gleichen Sparplan über 35 Jahre hinweg mit der im Schnitt nicht unrealistischen Rendite von sechs Prozent jährlich rechnet, kommt auf lediglich 276 000 Euro - und damit immer noch bedrohlich nah an jene Gefilde, die der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel, wenn ihn sein Kanzler nicht daran hinderte, gerne der Vermögensteuer unterwürfe.
Auch wenn man die diversen Steuerpläne der Bundesregierung einmal außer acht läßt, zeigt schon das einfache Beispiel, daß die heutigen Durchschnittsverdiener mit normalen Renditen am Ende der Sparzeit im günstigen Fall lediglich Kapitalsummen erreichen, die geeignet sind, die in den kommenden Jahrzehnten substantiellen Abstriche bei der staatlichen Altersvorsorge und im Gesundheitssystem abzufedern. In keinem Fall aber wachsen da jene Reichen mit den von Sozialdemokraten vielzitierten "starken Schultern" nach, deren Belastungsgrenze Rot-Grün testen möchte. Offen bleibt, woher angesichts der derzeitigen Steuer- und Abgabenerhöhungen überhaupt der Spielraum zum Sparen selbst im bescheidenen Umfang von 200 Euro im Monat kommen soll.
Wer sich von den vermeintlich großen absoluten Ablaufsummen solcher Sparpläne blenden läßt, dem mag eine Verrentung dieser Beträge während des Ruhestandes gedanklich vor Augen führen, worüber man tatsächlich redet: 276 000 Euro ergeben bei einer Rendite von sechs Prozent über 15 Jahre und bei vollem Kapitalverzehr 2300 Euro monatlich. Wer das heute als Dreißigjähriger für viel Geld hält, muß sich darüber im klaren sein, daß die Kaufkraft einer solchen Rente selbst bei moderater Inflation in 35 Jahren allenfalls halb so hoch liegen wird wie heute.
Vor diesem Hintergrund und der zu erwartenden zusätzlichen demographischen Belastungen offenbart sich der ganze Zynismus einer Besteuerung von Wertzuwächsen oder Vermögen. Diese Steuerpläne können in den Sparverträgen, die Millionen von Bürgern abgeschlossen haben, zwangsläufig noch gar nicht berücksichtigt sein. Auch eine stärkere Besteuerung der staatlichen Renten in den kommenden Jahrzehnten im Sinne einer nachgelagerten Besteuerung wird die Einkünfte im Alter schmälern. Die Gesamtbezüge dürften daher eher noch magerer ausfallen.
Man sollte meinen, daß es vor diesem Hintergrund kaum etwas gibt, woran der Staat ein so großes Interesse haben müßte wie an einer großen Sparbereitschaft und Eigenvorsorge für das Alter. Ein erster vorsichtiger Schritt in diese Richtung wurde mit der Riester-Rente auch gemacht. Doch sorgt die Bundesregierung mit immer neuen Steuerplänen für große Verunsicherung. Der Wille zur Eigenvorsorge dürfte in diesen Wochen erheblich beschädigt worden sein.
Zu den Sorgen der Sparer gehört aber auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Viele junge Menschen - auch die gut Qualifizierten unter ihnen - verlieren derzeit ihren Arbeitsplatz. Ältere Kollegen werden viele Jahre vor dem regulären Renteneintrittsalter in den oft genug ungewollten Ruhestand verabschiedet - vielleicht ein Menetekel auch für die Jungen in zwanzig bis dreißig Jahren. Auch das hat Rückwirkungen auf die Tragfähigkeit privater Altersvorsorge.
Wer, um im Beispiel zu bleiben, wegen Arbeitslosigkeit oder einer aus anderen Gründen unsteten Erwerbsbiographie nur 25 Jahre lang sparen kann, kommt auf einen Betrag von 136 000 Euro und damit nicht einmal halb soviel wie nach 35 Jahren. Denn es sind erst die letzten Jahre eines langfristigen Sparplanes, bei denen der Zinseszinseffekt auch in absoluten Zahlen für den Sparer zu arbeiten beginnt. Wer dieses Kapital wegen vorzeitigen Ruhestands vor seinem sechzigsten Lebensjahr bereits über 20 Jahre hinweg aufzehren muß, kommt selbst ohne Berücksichtigung von Steuern auf weniger als 1000 Euro im Monat.
Auf die langfristig am Kapitalmarkt zu erzielenden Renditen hat die Politik direkt keinen Einfluß. Bei deren Besteuerung und bei der Flexibilisierung eines bis zur Erstickung strangulierten Arbeitsmarktes hat sie hingegen das Heft in der Hand. Es wäre viel gewonnen, wenn sie hier im Sinne der Bürger und nicht der Staatswirtschaft entscheiden würde. Sie ist leider dabei, das Gegenteil zu tun.
Von Martin T. Roth
Wer den bevorstehenden Jahreswechsel zum Anlaß nimmt, wieder einmal seine persönlichen Finanzen unter die Lupe zu nehmen, wird im Hinblick auf seine langfristige Altersvorsorge ernüchtert sein. Vor allem für jüngere Menschen werden sich daraus einige grundlegende Fragen zur Entwicklung ihrer Sparpläne für das Alter ergeben.
Die haussierenden Börsen haben es zur Jahrtausendwende leichtgemacht, sich Gedanken um die private Altersvorsorge zu machen. Satte zweistellige jährliche Renditen erweckten den Eindruck, diese Dynamik der Wohlstandsmehrung ließe sich dauerhaft fortschreiben. Wer hat nicht gerne als Dreißigjähriger unterschrieben, wenn eine Fondsgesellschaft ihm - mathematisch korrekt - vor drei Jahren folgende Rechnung gemacht hat: Ein Aktiensparplan in Höhe von 200 Euro monatlich ergibt bei einer Schönwetter-Rendite von zehn Prozent nach 35 Jahren rund 685 000 Euro und damit eine - auch unter Berücksichtigung von Inflation - stattliche zusätzliche Rente, ohne das verfügbare Einkommen heute zu stark zu beschneiden.
Doch diese schöne neue Welt besteht seit geraumer Zeit nicht mehr. Die Tatsache, daß selbst die konservativen Lebensversicherer hierzulande Überschußbeteiligungen und garantierte Mindestverzinsung zum Teil kräftig senken müssen, ist nur der letzte Beweis dafür. Bescheidenheit ist angesagt. Für langfristige Sparer heißt dies, daß sie ihre Renditeerwartungen nach unten anpassen müssen. Entweder müssen sie ihre Sparleistungen kräftig erhöhen oder sich darüber im klaren sein, daß die Ablaufleistungen deutlich geringer ausfallen werden. Wer den gleichen Sparplan über 35 Jahre hinweg mit der im Schnitt nicht unrealistischen Rendite von sechs Prozent jährlich rechnet, kommt auf lediglich 276 000 Euro - und damit immer noch bedrohlich nah an jene Gefilde, die der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel, wenn ihn sein Kanzler nicht daran hinderte, gerne der Vermögensteuer unterwürfe.
Auch wenn man die diversen Steuerpläne der Bundesregierung einmal außer acht läßt, zeigt schon das einfache Beispiel, daß die heutigen Durchschnittsverdiener mit normalen Renditen am Ende der Sparzeit im günstigen Fall lediglich Kapitalsummen erreichen, die geeignet sind, die in den kommenden Jahrzehnten substantiellen Abstriche bei der staatlichen Altersvorsorge und im Gesundheitssystem abzufedern. In keinem Fall aber wachsen da jene Reichen mit den von Sozialdemokraten vielzitierten "starken Schultern" nach, deren Belastungsgrenze Rot-Grün testen möchte. Offen bleibt, woher angesichts der derzeitigen Steuer- und Abgabenerhöhungen überhaupt der Spielraum zum Sparen selbst im bescheidenen Umfang von 200 Euro im Monat kommen soll.
Wer sich von den vermeintlich großen absoluten Ablaufsummen solcher Sparpläne blenden läßt, dem mag eine Verrentung dieser Beträge während des Ruhestandes gedanklich vor Augen führen, worüber man tatsächlich redet: 276 000 Euro ergeben bei einer Rendite von sechs Prozent über 15 Jahre und bei vollem Kapitalverzehr 2300 Euro monatlich. Wer das heute als Dreißigjähriger für viel Geld hält, muß sich darüber im klaren sein, daß die Kaufkraft einer solchen Rente selbst bei moderater Inflation in 35 Jahren allenfalls halb so hoch liegen wird wie heute.
Vor diesem Hintergrund und der zu erwartenden zusätzlichen demographischen Belastungen offenbart sich der ganze Zynismus einer Besteuerung von Wertzuwächsen oder Vermögen. Diese Steuerpläne können in den Sparverträgen, die Millionen von Bürgern abgeschlossen haben, zwangsläufig noch gar nicht berücksichtigt sein. Auch eine stärkere Besteuerung der staatlichen Renten in den kommenden Jahrzehnten im Sinne einer nachgelagerten Besteuerung wird die Einkünfte im Alter schmälern. Die Gesamtbezüge dürften daher eher noch magerer ausfallen.
Man sollte meinen, daß es vor diesem Hintergrund kaum etwas gibt, woran der Staat ein so großes Interesse haben müßte wie an einer großen Sparbereitschaft und Eigenvorsorge für das Alter. Ein erster vorsichtiger Schritt in diese Richtung wurde mit der Riester-Rente auch gemacht. Doch sorgt die Bundesregierung mit immer neuen Steuerplänen für große Verunsicherung. Der Wille zur Eigenvorsorge dürfte in diesen Wochen erheblich beschädigt worden sein.
Zu den Sorgen der Sparer gehört aber auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Viele junge Menschen - auch die gut Qualifizierten unter ihnen - verlieren derzeit ihren Arbeitsplatz. Ältere Kollegen werden viele Jahre vor dem regulären Renteneintrittsalter in den oft genug ungewollten Ruhestand verabschiedet - vielleicht ein Menetekel auch für die Jungen in zwanzig bis dreißig Jahren. Auch das hat Rückwirkungen auf die Tragfähigkeit privater Altersvorsorge.
Wer, um im Beispiel zu bleiben, wegen Arbeitslosigkeit oder einer aus anderen Gründen unsteten Erwerbsbiographie nur 25 Jahre lang sparen kann, kommt auf einen Betrag von 136 000 Euro und damit nicht einmal halb soviel wie nach 35 Jahren. Denn es sind erst die letzten Jahre eines langfristigen Sparplanes, bei denen der Zinseszinseffekt auch in absoluten Zahlen für den Sparer zu arbeiten beginnt. Wer dieses Kapital wegen vorzeitigen Ruhestands vor seinem sechzigsten Lebensjahr bereits über 20 Jahre hinweg aufzehren muß, kommt selbst ohne Berücksichtigung von Steuern auf weniger als 1000 Euro im Monat.
Auf die langfristig am Kapitalmarkt zu erzielenden Renditen hat die Politik direkt keinen Einfluß. Bei deren Besteuerung und bei der Flexibilisierung eines bis zur Erstickung strangulierten Arbeitsmarktes hat sie hingegen das Heft in der Hand. Es wäre viel gewonnen, wenn sie hier im Sinne der Bürger und nicht der Staatswirtschaft entscheiden würde. Sie ist leider dabei, das Gegenteil zu tun.