Boris Kanzleiter 20.07.2002
Die Veröffentlichung einer Liste von Fondsanlegern der Berliner Bankgesellschaft entfacht eine erhitzte Debatte in der Hauptstadt
Das war der berühmte Stich ins Wespennest. Mit der Veröffentlichung von Namen, Beruf und Wohnort von rund 150 Anlegern, die höchst umstrittene Immobilienfonds bei der Berliner Bankgesellschaft gezeichnet haben, hat die Initiative Berliner Bankenskandal ein politisches Gewitter über der Hauptstadt ausgelöst ( Protest gegen Blankoscheck für Abzocker). Christian Gaebler von der SPD Fraktion bezeichnet die Aktion als eine "Vorform der Selbstjustiz". Der CDU-Abgeordnete Michael Braun wittert gar "Pogromstimmung" an der Spree.
Dies vor allem, nachdem die Initiative um den Politikprofessor der Freien Universität Peter Grottian und die Berliner Attac Gruppe ankündigte, "Spaziergänge" in die Villenviertel der Stadtbezirke Dahlem und Grunewald zu organisieren, um vor den Privathäusern der Fondsanleger zu demonstrieren. Nach einer Protestversammlung vor der turbulenten Jahreshauptversammlung der Bankgesellschaft am Freitag bekräftigten die Initiatoren das Ansinnen. Attac Mitglied Birger Scholz, ein Sprecher der Initiative, sagte Telepolis: "Trotz aller Kritik bleiben wir dabei. Die Spaziergänge sollen stattfinden." Einen Termin nannte er aber noch nicht.
Die von insgesamt etwa 70.000 Personen gezeichneten Fonds mit sehr günstigen Konditionen, darunter extra lukrativ abgeschlossene "Prominentenfonds", sorgen nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes in Berlin für Verluste in Milliardenhöhe bei der durch Misswirtschaft und Korruptionsfälle ohnehin ruinierten Bankgesellschaft. Um den Konzern vor dem Untergang zu retten, hat das Land Berlin als Mehrheitsaktionär bereits zwei Milliarden Euro in den maroden Betrieb investiert. Im April hat das Abgeordnetenhaus darüber hinaus beschlossen, in den nächsten 30 Jahren mit bis zu 21,7 Milliarden Euro für Verluste der Fonds aufzukommen, während die Anleger weiter die garantierten Einnahme einstreichen können. Gleichzeitig muss die SPD/PDS Koalition unter Bürgermeister Klaus Wowereit in der hochverschuldeten Stadt an allen Ecken und Enden kürzen. Allein im Haushalt 2003 soll das Land mit 300 Millionen Euro für die Fondsrisiken aufkommen, während 150 Millionen bei sozialen Einrichtungen eingespart werden.
Mit ihren Protestaktionen will die Initiative Druck auf die SPD/PDS-Koalition ausüben, die Haftungsübernahme von Altrisiken im Immobiliengeschäft der Bank durch den Berliner Senat zurückzunehmen. Gleichzeitig soll eine Neuverhandlung mit den Fondseignern angestoßen werden. "Es geht uns um das Sichtbarmachen von Strukturkonflikt und persönlicher Bereicherung, nicht um das Anprangern der Fondseinleger, die jene skandalösen Hintergründe nicht erkennen konnten", erklärt die Initiative.
Gemessen an diesem Anspruch ist allerdings fragwürdig, warum die Initiative auf der Liste den Prominenten Fonds und die normale Fonds vermischten. Außerdem ist zumindest in einem Fall eine Person auf die Liste geraten, der nie einen Fonds gezeichnet hatte. Dabei handle es sich um einen Irrtum, sagte Peter Grottian der Berliner Zeitung. "Das ist absolut peinlich", entschuldigt sich der Professor. Den Vorwurf, das Bankgeheimnis gebrochen zu haben, kontert die Initiative damit, die Namen der Anleger seien aus dem öffentlichen Handelsregister entnommen worden.
Von Seiten der Regierungskoalition handelt sich die Initiative bisher Absagen ein. Die Forderungen seien von einer "naiven Ahnungslosigkeit" geprägt, meint PDS-Fraktionsvorsitzender Harald Wolf. Berlins SPD-Chef Peter Strieder hält die Aktion für "kontraproduktiv". Ganz anders dagegen der CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Steffel, dessen Vorgänger Klaus Landowsky einer der Hauptverantwortlichen für die Krise der Bankgesellschaft ist. Steffel wittert augenscheinlich Wahlkampfmunition und will sich mit der Initiative bald möglichst bald treffen. In einer Presseerklärung teilt er mit: "Im Ziel bin ich mir mit der Bürgerinitiative von Prof. Peter Grottian völlig einig. Natürlich bin ich für eine schonungslose Aufklärung der Fondszeichnung." Allerdings verurteilt er die Veröffentlichung der Fondsanleger als Provokation, die "über das Ziel hinaus schießt."
Genau das aber verteidigt Birger Scholz: "Die Veröffentlichung ist eine Provokation, die als Mittel dient, um eine fachliche Debatte zu entfachen", sagte er Telepolis. "Wir hoffen, dass SPD und PDS unter dem Druck ihrer Basis und durch die Wahlkampfsituation Bereitschaft zeigt, über unsere Vorschläge nachzudenken."