Die Schwächen des Marktes

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Die Schwächen des Marktes

 
15.08.02 05:42
Die landläufige Meinung, der Markt korrigiere sich selbst, ist falsch. Das einzig wirksame Instrument zur Vermeidung eklatanter Fehlentscheidungen ist eine effektive Unternehmensaufsicht.

Keiner der grossen Liberalen, stellvertretend seien Friedrich von Hayek und Ludwig von Mises genannt, hat den Markt als gute Lösung und gar als Lösung für alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Koordinations- und Regulierungsprobleme verstanden.

Sie sind im Gegenteil konsequent von der Einsicht ausgegangen, dass der Markt eine schlechte Lösung ist, und haben von dort aus argumentiert, dass alle anderen bekannten Lösungen noch schlechter sind, und sie waren offen für die Suche nach besseren. Das hat ihnen Glaubwürdigkeit und Gewicht verschafft.

Wer die Schwächen des Marktes nicht sieht, läuft Gefahr, erstens den Markt schlichtweg zu überfordern, zweitens die Suche nach besseren Lösungen dort zu blockieren, wo es sie geben könnte, und drittens die ohnehin weit verbreitete Unkenntnis in Wirtschaftsfragen noch zu verstärken.

Auch Nobelpreisträger können irren

Ein typischer Fall ist die Meinung, der Markt sorge wirksam für die Korrektur der Fehler in der Führung großer Unternehmen. Sie beruht auf Irrlehren, wie sie zwar von berühmten Leuten, wie etwa dem Nobelpreisträger Milton Friedman vertreten werden. Das macht sie aber nicht richtiger, sondern in ihrer zerstörerischen Kraft nur wirksamer.

Management ist - man mag es begrüssen oder beklagen - der Beruf mit den größten gesellschaftlichen Wirkungen, seien sie positiver oder negativer Art. Durch Management - und nicht durch den Markt - werden die Ressourcen einer Gesellschaft, insbesondere ihr Kapital und ihre Menschen einer produktiven oder unproduktiven Nutzung zugeführt. Management schafft oder vernichtet Werte, betreibt oder verhindert Innovation, schafft oder verhindert die Zukunft.

Es muss eine wirksame Kontrolle im Management geben

Daher sind an die Ausbildung und Ausübung dieses Berufes die allerhöchsten Anforderungen zu stellen, und - noch wichtiger - deshalb muss es eine wirksame Kontrolle der Ausübung dieses Berufes - auch auf höchsten Führungsebene - geben, und zwar bevor der Markt seine Wirkung tut. Denn diese kommt leider immer zu spät.

Das Risiko eines Versagens des Managements ist viel zu groß, um es allein dem Markt zu überlassen. Der Markt mag eine ausreichende Kontroll- und Korrekturinstanz gewesen sein in Zeiten, wo ein Firmenzusammenbruch kaum spürbare Folgen hatte, weil die Unternehmen klein und ihr Wirkungsradius eng begrenzt waren.

Fehler müssen vermieden, nicht bestraft werden

Was häufig übersehen wird: Der Markt - so wichtig er ist - genügt nicht, um wirtschaftliche Leistung herbeizuführen und schon gar nicht gesellschaftliche Leistung. Diese Aussage ist keine Konzession an marktfeindliche Auffassungen - im Gegenteil. Es gibt Leute, die mit dem Markt und marktwirtschaftlichen Lösungen unzufrieden sind, weil ihnen gewisse Ergebnisse marktwirtschaftlicher Prozesse nicht passen, etwa die Einkommensverteilung oder der Leistungsdruck. Das ist nicht mein Argument.

Es gibt andere Gründe für die Unzufriedenheit mit dem Markt: Er ist erstens zu langsam, hat zweitens keine voraus-, sondern nur eine nachlaufende Wirkung, und er hat drittens im Kern keine herbeiführende, sondern nur eine bestrafende Wirkung.

Ein gutes Unternehmen muss gut beaufsichtigt werden

Der Markt sagt nicht, wo und wie Ressourcen eingesetzt werden sollen, sondern nur, wo und wie man sie einzusetzen gehabt hätte. Wenn dieses Signal vom Markt kommt, ist es insbesondere für große Unternehmen zu spät. Auch das schnellste Unternehmen hat seine "Totzeit", wie man die Zeitverzögerung zwischen Signal und Wirkung des Signals in einem System in der Kybernetik und Regelungstechnik nennt.

Der Markt als solcher bewirkt nichts Positives, und er vermeidet nicht die Fehler. Er bestraft sie nur - aber erst, wenn sie schon passiert sind und daher eben zu spät. Das sollte gerade von Befürwortern marktwirtschaftlicher Problemlösungen klar gesehen werden.

Diese Schwäche kann in hohem Maße von einer effektiven Unternehmensaufsicht kompensiert werden. Gewissermaßen als Zwillingsschwester des Marktes hat sie die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Arbeit der Unternehmensführung ganz und richtig getan wird, dass Fehler vermieden und nicht nur bestraft werden. Das ist nicht nur möglich, sondern es ist nötig, wenn man eine neue Wirtschaftsfeindlichkeit vermeiden will.  
Slater:

happy: wie immer sehr interessant

 
15.08.02 07:03
wenn ich auch hier ganz anderer Meinung. Der Markt ist das beste Regulierungselement. Ausichtsräte, Wirtsschaftsprüfer und Börsenaufsichten haben gerade in den letzten zwei Jahren ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt.  
Anarch:

Es lebe die Planwirtschaft, Happy End :-)

 
15.08.02 07:08
ernuwieder:

guten Morgen Happy

 
15.08.02 07:24
ecki:

@anarch, hast den Artikel nicht gelesen, oder?

 
15.08.02 07:27
Es wird hier massiv für effektive Aufsicht plädiert, also z.B. bessere Aufsichtsräte, Börsenaufsicht usw. Was soll das mit Planwirtschaft zu tun haben?

Grüße
ecki  
Anarch:

@ecki: Spontan fällt mir der Name Zwickel ein.

 
15.08.02 07:49

Einer dieser "anständigen" DGB-Funktionäre mit Aufsichtsratfunktion. Habe es schon einmal hier gepostet.


IG-Metall-Chef Klaus Zwickel muss mit einer Anklage wegen Untreue rechnen. Als Aufsichtsrat bei Mannesmann hatte er gleichsam mit verschränkten Armen dabei zugesehen, wie die Führungsetage die Konzernkasse plünderte. Seine Glaubwürdigkeit hat Zwickel damit verspielt, nicht nur als Gewerkschaftschef, sondern auch als Wahlkämpfer.

Es gibt Momente, in denen man sich entscheiden muss. Stimmenthaltungen sind da fehl am Platze. Was war geschehen? Der Erste Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, saß beim Mannesmann-Konzern auf der Arbeitnehmerbank des Aufsichtsrates als der britische Mobilfunkkonzern Vodafone das Düsseldorfer Unternehmen in einer feindlichen Übernahme an sich riss. Das Spektakel lief im Februar 2000 über die Bühne.

Als sich die Manager von Mannesmann zum Abschied umgerechnet über 75 Millionen Euro aus der Konzernkasse zuschanzten und dabei Mannesmann-Chef Klaus Esser rund 30 Millionen Euro an Prämien und Abfindungen abkassierte, war der Skandal perfekt. Das juristische Nachspiel konnte nicht ausbleiben. Die Suche nach den Verantwortlichen für den empörenden Deal brachte ans Licht, dass Zwickel sich bei der Beschlussfassung im Aufsichtrat der Stimme enthalten hat und den Vorgang passieren ließ, was die Juristen als Beihilfe zur Untreue verstehen.
ecki:

Und wegen Zwickel sollte man Aufsicht abschaffen?

 
15.08.02 08:05
Übrigens hat der Rest sich nicht enthalten, sondern dafür gestimmt. Naja....
calexa:

Ich teile nicht die Meinung

 
15.08.02 09:14
daß der MArkt sich nicht selbst korrigieren kann.

Denn eine Aufsicht setzt an, bevor ein Unternehmen Unregelmäßigkeiten eingestehen muß.
Der Markt dagegen straft das Unternehmen im Nachhinein.

Damit reagiert der Markt halt nur zu spät auf das Fehlverhalten des Unternehmens, aber das keine Reaktion erfolgt, ist so nicht richtig.

Etwas anderes ist die Frage, ob diese Reaktion wünschenswert ist. Dies ist es wohl nicht. Aber ob damit die Schwnkungen an den Börsen, um die zu verhindern (oder zumindest minimieren) es ja letztendlich gehen soll, verhindert oder gemindert werden, ist nicht offensichtlich.

Für mich ist dabei eigentlich nur interessant, daß damit der Bereich des Unternehmensstrafrechts und -zivilrechts im Hinblick auf Wirtschaftsbetrug und Schadensersatz für Anleger verkleinert werden soll.
WOmit ich natürlich nicht sage, daß wir keine Aufsicht brauchen.

Aber im Moment macht mir dieser undifferenzierte Ruf nach mehr Aufsicht aus Allheilmittel ein bißchen Angst.

Es ist im übrigen immer schon ein Phänomen von Börsencrashs gewesen, daß danach der Ruf nach mehr AUfsicht und Regulation laut geworden ist.

So long,
Calexa
www.carstenlexa.de
Anarch:

@ecki: Wer will die Aufsicht abschaffen?

 
15.08.02 10:12

Ich nicht. Einen weiteren Ausbau der Überregulierung werde ich jedoch ebenfalls nicht befürworten.


Viel interessanter ist jedoch folgendes:

Erkläre mir bitte warum Zwickel, IG-Metall-Chef und Arbeitnehmervertreter im Mannesmann-Aufsichtsrat nicht dagegen gestimmt hat.

Wenn schon "die Anständigsten" dieser Republik in diesem Amt versagen, mit wem willst Du es dann besetzen?

Nur zur Info: Klosterschwestern scheiden wegen potentieller CDU/CSU-Nähe aus.

:-)
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