Hier finden Sie alle aktuellen Nachrichten zu verschiedenen Themen zeitlich sortiert.
News - 13.01.05 17:30
USA billigten Ölschmuggel im Irak
Seit Monaten untersucht der US-Kongress Korruptionsvorwürfe beim Öl-für-Nahrungsmittel-Programm für den Irak. Der größte Verstoß gegen die Uno-Auflagen geschah offenbar mit Billigung der USA.
George W. Bush hatte die Uno zu einer detaillierten Aufstellung der Verstöße gegen das Handelsembargo aufgefordert. Andernfalls wollten die USA künftig ihre Zahlungen an die Staatenorganisation einstellen, drohte der US-Präsident. An den Ölverkäufen verdiente auch das Regime Saddam Husseins mit - und konnte sich so Geld für Waffen und Einflussnahme beschaffen.
Eine gemeinsame Untersuchung von Financial Times und der italienischen Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" zeigt, dass der größte und dreisteste Ölschmuggel, mit dem gegen die Auflagen verstoßen wurde, mit Wissen der US-Regierung geschah.
"USA an enormer Verschwörung beteiligt"
"Obgleich die finanziellen Nutznießer Iraker und Jordanier waren, ist es Tatsache, dass die US-Regierung sich an einer enormen Verschwörung beteiligt hat, die gegen die Sanktionen verstieß und die Gefolgsleute Saddams bereicherte", bestätigte ein ehemaliger Uno-Mitarbeiter. "Genau das ist der Vorwurf, den die USA jetzt gegen andere Staaten erheben. Ich halte das für ziemlich zynisch."
Insgesamt waren an dem Schmuggel 14 Tanker beteiligt, die im Namen eines jordanischen Auftraggebers mindestens sieben Millionen Barrel Rohöl verschifften. Der Erlös des illegalen Geschäfts beläuft sich auf nicht weniger als 150 Mio. $ (113 Mio. Euro). Weitere 50 Mio. $ sind an die Gefolgsleute Saddam Husseins geflossen.
Als die amerikanischen Medien im Februar 2003 erstmals über diesen Schmuggel berichteten, wurde als Urheber ausschließlich die irakische Führung genannt. Die US-Vertreter bei der Uno bezeichneten die Geschäfte als "unmoralisch".
Auch britische Uno-Vertreter waren informiert
Doch Financial Times und "Il Sole" liegen Informationen vor, die zeigen, dass sowohl die US-amerikanischen als auch die britischen Uno-Vertreter über die Transaktion bereits Bescheid wussten, als diese lief, und diese Information an ihre jeweilige Regierung weitergegeben haben.
Doch unternommen hat weder Washington noch London etwas. Informell wurde den Erdölhändlern gesagt, die USA ließe die Tanker auslaufen, da Amman das Erdöl brauche, um angesichts eines bevorstehenden Irak-Kriegs die strategischen Reserven aufzufüllen.
Vergangene Woche bestätigte Paul Volcker, Leiter der unabhängigen Untersuchungskommission der Uno, die Verstöße gegen das Öl-für-Nahrungsmittel-Programm untersuchen soll, dass Washington Ölgeschäfte Jordaniens, die im Widerspruch gegen die Sanktionen standen, genehmigt hat. Grund waren damals nationale Interessen Jordaniens.
Ölerlös an Treuhandkonten vorbeigeschleust
Doch nur ein Teil des geschmuggelten Erdöls erreichte den jordanischen Hafen Al-Aqabah. Der größere Teil aber wurde an Raffinerien in Ägypten, im Jemen, in Malaysia und China verkauft. Diese Verkäufe verstießen gegen die Sanktionen der Uno und der Verkaufserlös landete nicht auf dem Treuhandkonto der Uno, das für das Programm eingerichtet worden war.
Im Januar 2003 charterte die wenig bekannte jordanische Rederei Millennium mehrere Tanker und schickte sie Richtung Irak. Das Geschäft war zu groß, als dass es unbeachtet bleiben könnte.
Mitte Februar erhielten Uno-Inspektoren erboste Anrufe von Unternehmen, die ihre Tanker in Mina al Bakr beladen wollten, dem einzigen südirakischen Hafen, der unter den Sanktionen geöffnet blieb. Die Händler beschwerten sich, im nahe gelegenen Hafen Khor al-Amaya seien plötzlich Tanker eingetroffen. Da sie aus denselben Pipelines beladen würden, dauerte das Beladen der Tanker in Mina al Bakr jetzt doppelt so lange, wodurch den Unternehmen Konventionalstrafen entstünden.
Uno-Inspektor wundert sich über ausbleibende Reaktion
Die aufgebrachten Händler benachrichtigten Michel Tellings, den Uno-Inspektor, der damals für das Öl-für-Nahrungsmittel-Programm zuständig war. Tellings wiederum teilte die Vorgänge an die Uno-Vertretungen der USA und Großbritanniens mit. Dass jedoch weder Washington noch London auf die Mitteilung reagierten, verwunderte nicht nur Telling sondern auch die Uno-Vertreter dieser Regierungen, wie der Inspektor berichtete. Telling hatte erwartet, dass die Schiffe der Multinational Interception Force (MIF), die das Embargo unter Führung der amerikanischen Marine überwachen sollte, die Tanker aufbrächten.
Nicht nur Telling, auch die niederländische Firma Saybolt, die das Verladen des Öls im Irak im Auftrag der Uno überwachte, berichtete den Vorfall an die MIF.
Als US-Medien am 21. Februar 2003 erstmals über den Schmuggel berichteten, teilte das Maritime Liaison Office (MLO), das von Bahrain aus die Aufgaben der MIF koordinierte mit, es habe "keine Informationen" darüber. Doch wie Financial Times und "Il Sole" herausfanden, meldete Saybolt den Schmuggel, inklusive des Namens eines Schiffes, per E-Mail an die Behörde. Das MLO bestätigte den Erhalt der Information am gleichen Tag.
Satter Gewinn
Nachdem die Schiffe im Irak beladen worden waren, brauchten die internationalen Ölhändler, die die Transaktion koordinierten, noch Monate, um einen Abnehmer für das Öl zu finden. "Nach sechs Monaten, wurden wir aufgefordert, das Öl zu liefern", sagte ein Sprecher der Empress des Mers, einer der Tanker, die am Geschäft beteiligt waren. Die Ladung wurde in Ägypten gelöscht, sagte der Sprecher.
Mit dem Verkauf des Öls verdienten die Iraker etwa 50 Mio. $, wie Händler schätzen. Geld, das nie an die Uno gemeldet wurde. Der Weiterverkauf des Öls brachte den Beteiligten einen Nettogewinn von 150 Mio. $.
Claudio Gatti ist Auslandsreporter in New York für die italienische Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore".
Quelle: Financial Times Deutschland