Die richtige Rally kommt vermutlich im Winter
Die Karten müssen jetzt wieder neu gemischt werden. Die europäischen Börsen haben ihre nach den Anschlägen stark unterdurchschnittliche Entwicklung gegenüber der Wall Street vergangene Woche komplett aufgeholt, der zittrige Dax nicht ganz.
Ziemlich sicher ist soviel: Die Aktienmärkte werden in den kommenden Monaten einmal einen mächtigen Lauf haben. Geld- und bald auch Fiskalpolitik sind so expansiv, dass es - abgesehen von weiteren schweren Gewaltakten - fast kein Mittel dagegen gibt. Die Zinskurve spricht Bände.
Mit Blick auf die nicht enden wollende Reihe von Gewinnwarnungen und schwachen Konjunkturindikatoren müsste es aber eigentlich noch eine Weile dauern, zumal das Vertrauen der Anleger allem Anschein zum Trotz noch angeknickt ist und das Risiko von neuen Attacken besteht. Diese Logik spricht dafür, dass man die schlimmsten Nachrichten erst einmal abwartet.
Danach kann es im Grunde nur eine Richtung geben. Und da die meisten Anleger nicht wahrhaben wollen, dass vor allem die Werte der Neuen Ökonomie nach wie vor zu teuer sind, werden TMT-Titel die Rally anführen; es wird Verdoppler geben. Ist es so weit, heißt es: raus damit! Im Verhältnis zum BIP sind amerikanische Aktien immer noch gut ein Viertel höher bewertet, als sie es seit dem 2. Weltkrieg im Mittel waren. Der Anteil der Vorsteuergewinne hingegen liegt gut ein Siebtel unter dem Schnitt.
In der Zwischenzeit ist das Verlustrisiko vermutlich geringer als 25 Prozent. Aber bei den großen US-Ungleichgewichten, die das Wachstum von wenigen Ausreißern abgesehen auf Jahre hin hemmen werden, ist ein Boom kaum denkbar. Die Indizes werden vielleicht gar nicht so schlecht abschneiden. Aber die Gewinner werden andere sein: billige Aktien mit soliden Fundamenten. Die meisten der anderen werden zeigen, dass sie ihre Umsatzmultiplikatoren nicht wert sind.
Sony
Sony muss abspecken. Der Medien- und Unterhaltungsriese beherbergt zu viele Geschäfte unter seinem Dach, die kaum profitabel arbeiten. In der jetzigen Abschwungphase rächt sich das. Die Japaner haben ihre Umsatzprognose fürs Gesamtjahr um 200 Mrd. Yen auf 7 500 Mrd. Yen reduziert. Das wäre immer noch ein Plus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahresumsatz. Aber wegen der Fixkosten in vielen Sparten dürfte das operative Ergebnis um fast die Hälfte geringer ausfallen. Und Sony kann froh sein, wenn netto überhaupt etwas übrig bleibt.
Der Konzern reagiert mit Kostenkürzungen, 15 Prozent sollen eingespart werden. Aber das verschafft allenfalls kurzfristig Linderung. Sony wird margenschwache Felder wie Bildschirmröhren und Halbleiter zurückfahren oder sich ganz davon trennen. Doch das braucht Zeit, besonders in Japan. Mit Chipdesign und der Vermarktung von Inhalten ließe sich langfristig mehr Geld verdienen, als mit der Eigenfertigung von elektronischer Massenware. Bei der sollte sich Sony auf margenstarke Neuentwicklungen wie die Playstation beschränken.
Sony kostet noch gut die Hälfte des fürs laufende Jahr erwarteten Umsatzes. Das ist weniger als bei Philips, die für den 0,7fachen Umsatz zu haben sind. Um den Abschlag zu reduzieren, muss Sony beim Konzernumbau schneller Fortschritte machen als bisher.
Hennes & Mauritz
Verfügt H&M über eine Resistenz gegenüber der schwachen Wirtschaft? Der Umsatzzuwachs von 34 Prozent im dritten Quartal sieht beeindruckend aus. Aber da waren Faktoren im Spiel, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat. H&M hat ein abweichendes Geschäftsjahr, der Schock vom 11. September ist in den US-Zahlen noch nicht enthalten. Hier kam aber zuletzt das stärkste Wachstum her. Zudem war das dritte Quartal 1999/2000 für H&M ungewöhnlich schwach, das Unternehmen hat also von einer niedrigen Vergleichsbasis profitiert. Hinzu kam die billige schwedische Krone, die zwölf Prozentpunkte zum Umsatzwachstum beigesteuert hat.
Die Kostenseite konnte H&M zwar im Zaum halten, dadurch ist die Marge sogar leicht gestiegen. Im vergangenen Quartal haben die Schweden aber weltweit nur sechs neue Geschäfte eröffnet, gegenüber 43 im Vorquartal. Schon im laufenden Vierteljahr soll die Expansion ungehemmt weiter gehen. H&M will 38 neue Läden eröffnen, zehn allein in den USA. Das wird die Kosten nach oben treiben. Zugleich hat die Einkaufslust der US-Verbraucher abgenommen, das könnte das Umsatzwachstum bremsen. Beides zusammen wird der Marge nicht gut tun.
Dennoch genießt H&M einen gewaltigen Vertrauensvorschuss: Das Unternehmen kostet das 3,3fache des für 2002 erwarteten Umsatzes und den 36fachen Gewinn. Der Sektor ist schon für den 0,6fachen Umsatz und den 15fachen Gewinn zu haben. Die kleinste Enttäuschung beim Wachstum, und die Bewertung saust in den Keller.
© 2001 Financial Times Deutschland
Die Karten müssen jetzt wieder neu gemischt werden. Die europäischen Börsen haben ihre nach den Anschlägen stark unterdurchschnittliche Entwicklung gegenüber der Wall Street vergangene Woche komplett aufgeholt, der zittrige Dax nicht ganz.
Ziemlich sicher ist soviel: Die Aktienmärkte werden in den kommenden Monaten einmal einen mächtigen Lauf haben. Geld- und bald auch Fiskalpolitik sind so expansiv, dass es - abgesehen von weiteren schweren Gewaltakten - fast kein Mittel dagegen gibt. Die Zinskurve spricht Bände.
Mit Blick auf die nicht enden wollende Reihe von Gewinnwarnungen und schwachen Konjunkturindikatoren müsste es aber eigentlich noch eine Weile dauern, zumal das Vertrauen der Anleger allem Anschein zum Trotz noch angeknickt ist und das Risiko von neuen Attacken besteht. Diese Logik spricht dafür, dass man die schlimmsten Nachrichten erst einmal abwartet.
Danach kann es im Grunde nur eine Richtung geben. Und da die meisten Anleger nicht wahrhaben wollen, dass vor allem die Werte der Neuen Ökonomie nach wie vor zu teuer sind, werden TMT-Titel die Rally anführen; es wird Verdoppler geben. Ist es so weit, heißt es: raus damit! Im Verhältnis zum BIP sind amerikanische Aktien immer noch gut ein Viertel höher bewertet, als sie es seit dem 2. Weltkrieg im Mittel waren. Der Anteil der Vorsteuergewinne hingegen liegt gut ein Siebtel unter dem Schnitt.
In der Zwischenzeit ist das Verlustrisiko vermutlich geringer als 25 Prozent. Aber bei den großen US-Ungleichgewichten, die das Wachstum von wenigen Ausreißern abgesehen auf Jahre hin hemmen werden, ist ein Boom kaum denkbar. Die Indizes werden vielleicht gar nicht so schlecht abschneiden. Aber die Gewinner werden andere sein: billige Aktien mit soliden Fundamenten. Die meisten der anderen werden zeigen, dass sie ihre Umsatzmultiplikatoren nicht wert sind.
Sony
Sony muss abspecken. Der Medien- und Unterhaltungsriese beherbergt zu viele Geschäfte unter seinem Dach, die kaum profitabel arbeiten. In der jetzigen Abschwungphase rächt sich das. Die Japaner haben ihre Umsatzprognose fürs Gesamtjahr um 200 Mrd. Yen auf 7 500 Mrd. Yen reduziert. Das wäre immer noch ein Plus von drei Prozent gegenüber dem Vorjahresumsatz. Aber wegen der Fixkosten in vielen Sparten dürfte das operative Ergebnis um fast die Hälfte geringer ausfallen. Und Sony kann froh sein, wenn netto überhaupt etwas übrig bleibt.
Der Konzern reagiert mit Kostenkürzungen, 15 Prozent sollen eingespart werden. Aber das verschafft allenfalls kurzfristig Linderung. Sony wird margenschwache Felder wie Bildschirmröhren und Halbleiter zurückfahren oder sich ganz davon trennen. Doch das braucht Zeit, besonders in Japan. Mit Chipdesign und der Vermarktung von Inhalten ließe sich langfristig mehr Geld verdienen, als mit der Eigenfertigung von elektronischer Massenware. Bei der sollte sich Sony auf margenstarke Neuentwicklungen wie die Playstation beschränken.
Sony kostet noch gut die Hälfte des fürs laufende Jahr erwarteten Umsatzes. Das ist weniger als bei Philips, die für den 0,7fachen Umsatz zu haben sind. Um den Abschlag zu reduzieren, muss Sony beim Konzernumbau schneller Fortschritte machen als bisher.
Hennes & Mauritz
Verfügt H&M über eine Resistenz gegenüber der schwachen Wirtschaft? Der Umsatzzuwachs von 34 Prozent im dritten Quartal sieht beeindruckend aus. Aber da waren Faktoren im Spiel, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat. H&M hat ein abweichendes Geschäftsjahr, der Schock vom 11. September ist in den US-Zahlen noch nicht enthalten. Hier kam aber zuletzt das stärkste Wachstum her. Zudem war das dritte Quartal 1999/2000 für H&M ungewöhnlich schwach, das Unternehmen hat also von einer niedrigen Vergleichsbasis profitiert. Hinzu kam die billige schwedische Krone, die zwölf Prozentpunkte zum Umsatzwachstum beigesteuert hat.
Die Kostenseite konnte H&M zwar im Zaum halten, dadurch ist die Marge sogar leicht gestiegen. Im vergangenen Quartal haben die Schweden aber weltweit nur sechs neue Geschäfte eröffnet, gegenüber 43 im Vorquartal. Schon im laufenden Vierteljahr soll die Expansion ungehemmt weiter gehen. H&M will 38 neue Läden eröffnen, zehn allein in den USA. Das wird die Kosten nach oben treiben. Zugleich hat die Einkaufslust der US-Verbraucher abgenommen, das könnte das Umsatzwachstum bremsen. Beides zusammen wird der Marge nicht gut tun.
Dennoch genießt H&M einen gewaltigen Vertrauensvorschuss: Das Unternehmen kostet das 3,3fache des für 2002 erwarteten Umsatzes und den 36fachen Gewinn. Der Sektor ist schon für den 0,6fachen Umsatz und den 15fachen Gewinn zu haben. Die kleinste Enttäuschung beim Wachstum, und die Bewertung saust in den Keller.
© 2001 Financial Times Deutschland