31. Mai 2003 Wer im Internet etwas sucht, findet schnell viele Informationen. Doch der Computer ist immer noch nicht so weit verbreitet wie das Telefon. Zusätzlich sind die Menschen es bei Weitem nicht so gewöhnt, per Internet zu bezahlen, wie sie völlig selbstverständlich Mehrgebühren für besondere Telefonnummern zahlen. Darin sehen Firmen, die auf eine Vernetzung zwischen Telefonservices und Internet anstreben, ihre Chance.
Eine davon ist Genesys, Anbieter von Call- und Contact-Center-Lösungen. Genesys möchte alle Informationen, die es im Internet gibt, per Sprachumwandlung auch im Telefon verfügbar machen. Eine vergleichsweise einfache Infrastruktur soll die verfügbaren Daten von dem Webserver des Unternehmens direkt an das so genannte Voice Portal weitergeben. Die Möglichkeiten der übertragenen Inhalte reichen von Produktinformationen, die per Telefon abfragbar sind, bis zur Teilnahme an „Wer wird Millionär“, bei der Anrufer gegen eine später abbuchbare feste Gebühr mitspielen können.
Abrechnung per Gebühr
Diese Möglichkeit der Bezahlung ist für viele Firmen, die Informationen im Internet frei zur Verfügung stellen, eine erfreuliche Alternative. Denn mit der Telefonrechnung sind es die Menschen gewöhnt, für Extra-Services extra zu bezahlen, seien das Festbeträge oder höhere Gebühren für bestimmte Nummer - 0190er Nummern sind wohl das prominenteste, wenn auch nicht sonderlich angesehene Beispiel. Es sind also nicht nur die Nutzer interessiert, sondern auch die Anbieter. „Voice hält Einzug in unser Leben“, ist Michael-Maria Bommer, Managing Director bei Genesys, überzeugt. Und dabei denkt er auch an die Menschen, die nicht selbstverständlich im Internet arbeiten, sondern an Menschen, deren Arbeits- und Lebenswelt keinen Computer und die damit verbundenen Informationsquellen beinhaltet.
Die Idee ist nicht ganz neu, denn schon seit Erfindung des Telefons machen sich Menschen die Möglichkeit, schnell, einfach und persönlich Informationen auszutauschen zunutze. Doch Genesys sieht vor allem in der einfacheren technischen Umsetzung neue Möglichkeiten. Durch Sprachprogramme, die die menschliche Sprache mittlerweile so gut im Griff haben, daß die Maschine nicht mehr stockend und stammelnd durch den Text stolpert, grenzen solche Anwendungen die hohen Personalkosten ein, die mit Menschen, die in Call-Centern sitzen einher gehen. Die schlechten Erfahrungen der Vergangenheit mit mißmutigen Computerstimmen, die die Eingaben nur selten wie gewünscht umsetzten und endlosen Telefonaten bis zum richtigen Navigationspunkt, gehören jedoch der Vergangenheit an. „Schlechte Anwendungen machen einfach schlechte Stimmung, heutzutage haben wir aber eine hohe Akzeptanz bei den Nutzern,“ sagt Ralf Rottmann von Twenty4help, einer Firma, die unter anderem Call Center mit der nötigen Informationstechnologie ausstattet.
Einsparungen in Call-Centern
Darin sieht die Branche weiteres Potential, denn nicht nur Gewinne durch die eingehenden Gebühren sind möglich, auch das Einsparen horrender Kosten durch Textprogramm statt Mensch scheinen realistisch. Statt menschliche Telefonisten Anrufe über mehrere Stationen zum richtigen Ansprechpartner zu leiten, kann ein Computerprogramm mit einfachen befehlen diese Verteilung bewerkstelligen und so immens Kosten sparen. Rottmann gibt die Kosten pro Anruf in einem Call-Center mit fünf bis acht Euro an, wenn ein Mensch damit befaßt ist. Ein Rechner kostet höchstens einen Euro, wenn er die Anrufe komplett selber abwickelt. Dieser Wert ergibt sich laut Rottmann daraus, daß die meisten Anfragen Standardfragen sind. Mit solchen Fragen kann der Computer alleine fertig werden, die Call-Center-Mitarbeiter können sich auf qualifizierte Fragen konzentrieren.
In einem weiteren Schritt könnte der Nutzer, mit Bearbeitungsnummer oder ähnlichem ausgestattet, während eines Anrufes schon in der Warteschleife Informationen zu seinem Vorgang erhalten. Dann würde die Zeit des Nutzers nicht mit einer Musikschleife vertrödelt, sondern er erführe nach Angabe seiner persönlichen Daten schon vor dem eigentlichen Telefonat, ob seine Bestellung versandt, seine Frage geklärt oder sein Auftrag bearbeitet ist. Und braucht den menschlichen Ansprechpartner gar nicht mehr.
Lukrative Alternative zum Netz
Die Aussage, daß die Sprachanwendungen per Telefon auf diese Art uns ähnlich mit Informationen umgeben werden wie das Internet, ist nicht überprüfbar. Aber wirtschaftlich zeigt sich dieses Konzept für die Anbieter sehr lukrativ. Denn schließlich nehmen wir alle die Gebühren in Kauf, die ein Anruf kostet, eventuell mehr, wenn wir eine bestimmte Information brauchen. Aber allermeistens greift der Mensch doch zum Hörer, um einen anderen Menschen zu hören - und keine Maschine.