Die reichsten Füchse Amerikas

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Die reichsten Füchse Amerikas

 
31.01.03 21:35
Die Pequot-Indianer betreiben das größte Casino der Welt. Nun sind sie Milliardäre
von Martin Halusa

Ihr Stammessymbol ist ein einsamer Baum, unter dem ein einsamer Fuchs steht. Der Baum steht für „Mashantucket“, das „Viel-Wald-Land“, der Fuchs erinnert an ihren einstigen Kosenamen „Das Fuchsvolk“. In ihren Wäldern im Nordosten des Bundesstaates Connecticut leben die Mashantucket Pequots heute wieder, nachdem der Weiße Mann sie Anfang des 18. Jahrhunderts von dort vertrieben hatte.


Mit der Rückkehr in ihre Heimat hat der Indianerstamm eine Erfolgsgeschichte der US-Wirtschaft geschrieben. Die fuchsschlauen Pequots sind heute die reichsten Indianer der USA. Das größte und profitabelste Spielcasino der Welt – das Foxwoods – hat sie zu Milliardären gemacht. Vor zehn Jahren in das Viel-Wald-Land von New England erbaut, ist das Märchenschloss mit den grünbedachten Türmen heute ein Magnet für täglich 50 000 Zocker.


New York City ist drei, Boston zwei Stunden entfernt. Im Einzugsgebiet des Foxwoods leben 25 Millionen Menschen. Das Casino ist mit knapp 200 Mio. Dollar der größte einzelne Steuerzahler Connecticuts. Und das, obwohl nur 25 Prozent der Gewinne aus den rund 6700 Spielautomaten an den Fiskus abgeführt werden. Der Rest – der Profit aus Roulette, Poker oder Pferdewetten – fließt steuerfrei in die Kassen der rund 700 Mitglieder, die zum Stamm der Pequots gehören. Jedes Mitglied erhält gratis ein Haus, kostenfreie Schulausbildung für die Kinder und 60 000 Dollar garantiertes Jahreseinkommen, die Benutzung eines in die Wälder geschlagenen Golfplatzes, der Pool und Fitnessclub inklusive. Viele Mitglieder des Stammes – die noch vor zwei Jahrezehnten in bitterster Armut lebten – sind heute mehrfache Millionäre.


Für fast 200 Mio. Dollar bauten die Pequots gleich neben dem Casino – zu dem auch ein Hotel mit über 1400 Zimmern, 25 Restaurants, Bars und Diskotheken gehören – ein Indianermuseum, das nicht nur die Geschichte ihres Stammes erzählt, sondern in der Welt als einmalig gilt. Weitere Millionen fließen in Schulen und andere Sozialeinrichtungen. Zur Eröffnung des Fox Theater sang Frank Sinatra. Luciano Pavarotti ist regelmäßig Gast, Bruce Springsteen ebenso. Die Blues-Legende B.B. King hat im Foxwoods einen Club, der seinen Namen trägt.


Geöffnet hat das Foxwoods 24 Stunden am Tag, 364 Tage im Jahr. Rund um die Uhr klingelt und scheppert Geld in den Schächten. Besonders viele Asiaten scheinen den Weg ins Foxwoods gefunden zu haben. Jeans und T-Shirt lautet der Dress-Code. Überall darf – anders sonst in den USA üblich – geraucht werden. Indianerreservate haben ihre eigenen Gesetze. Rechtlich gesehen sind sie „Nationen“, gleichgestellt mit einem Bundesstaat.


Mehr als 13 000 Menschen arbeiten im Foxwoods, dem größten Arbeitgeber in der Gegend, vom Suppenkoch im „Han Garden“ über den Croupier im „Rainmaker Casino“ bis hin zum Sheriff der reservatseigenen Polizei. Nur 30 Pequots sind im Foxwoods angestellt, geleitet wird der Komplex mit seinen insgesamt 430 000 Quadratmetern von einem externen Management. Chief Executive Officer Bill Sherlock führt das Foxwoods wie ein Großunternehmen. Auch eine Pharmafirma, eine Schiffswerft und eine Beratungsfirma gehören zum Konzern. Rechenschaft ablegen muss Sherlock vor dem Tribal Council, dem Stammesrat, und vor dessen Chairman.


Indianercasinos haben Konjunktur in den USA. Mehr als 290 Spielhöhlen, die in der Hand der Ureinwohners Amerikas sind, existieren in 28 Bundesstaaten. Gemeinsam erzielen sie einen Umsatz von 12,7 Mrd. Dollar. Branchenkenner schätzen, dass sich der Gewinn auf fünf Mrd. Dollar beläuft – dies wäre mehr als die Wall-Street-Häuser JP Morgan Chase, Merrill Lynch, American Express und Lehman Brothers zusammen erwirtschaftet haben.


Einzelne Stämme, vor allem jene, die nur über wenige hundert Mitglieder verfügen, zahlen ihren Angehörigen Hunderttausende an Dollar aus. Beim kalifornischen Stamm Table Mountain Rancheria etwa gab es – zusätzlich zu den 15 000 Dollar pro Monat – an Thanksgiving einen Bonus von 200 000 Dollar. Details über die Gewinnmargen sind nicht bekannt, ihre Zahlen müssen die Indianer nicht veröffentlichen. Nur vereinzelt tritt ein Wert ans Tageslicht, der dann alle verblüfft: Im Haushalt von Connecticut sind 370 Mio. Dollar an Einnahmen verbucht, die von den beiden einzigen Casinos stammen. Dies bedeutet: Bei einem Steuersatz von 25 Prozent haben die Indianer pro Jahr einen Reingewinn von mindestens 1,5 Mrd. Dollar erzielt.


Rund 2,3 Millionen Indianer leben in den USA, 40 Prozent davon in Reservaten. Aber nur die Hälfte aller Stämme betreibt Casinos. Viele große Gruppen wie etwa die Navajos entsagen dem Glückspiel aus religiösen Gründen. Zahlreiche Casinos dümpeln geschäftlich vor sich hin, weil sie abseits der großen Städte liegen, am Rande von Landstraßen, durch die niemand fährt. Oder weil dort nur ältere Damen Bingo spielen. Nur wenige Stämme sind wirklich reich – am wohlhabendsten sind die Indianer in Florida, Kalifornien und Connecticut. Sie haben es verstanden, ein Gesetz am Schopfe zu packen, das Präsident Ronald Reagan einst einrichtete, um die Armut der Indianer zu lindern, und um die Wohlfahrt kürzen zu können.


Im Jahre 1988 verabschiedete der Kongress den Indian Gaming Regulatory Act, der den Indianern das Recht zusprach, in ihren Reservaten Glücksspiel zu betreiben. Das Gesetz gilt jedoch nur für staatlich anerkannte Stämme, seither haben viele Gruppen versucht, diesen Status zu erhalten – 200 Anträge sind immer noch anhängig. Viele träumen den Traum der Mashantucket Pequots aus Connecticut: Der Stamm war fast ausgestorben, die letzten Nachfahren der Pequots – die einst für die amerikanische Unabhängigkeit und gegen die Engländer kämpften – waren landesweit verstreut.


Erst in den 70er-Jahren zogen einzelne Pequots wieder in das Reservat im Nordosten der Bundesstaates, 1983 wurden sie als Stamm anerkannt, was sich später als Grundvoraussetzung für den Betrieb eines Casinos entpuppen sollte. Die Pequots erhielten ihr Land zurück, ein paar hundert Hektar Wald. 1992 eröffnete das Foxwoods, mitten in der Wildnis. Da den Pequots damals keine Bank einen Kredit zum Bau des Millionenprojekts geben wollte – was die Institute später schwer bedauerten – mussten sich die Pequots einen Investor suchen: Sie fanden ihn in Lim Goh Tong, einem chinesisch-malaysischen Geschäftsmann, der den Indianern erst 60, dann 175 Mio. Dollar lieh – zu hohen Zinsen und zehn Prozent der Nettoeinkünfte. Das Magazin „Time“ schätzt, dass Tong am Ende der Laufzeit des Vertrags (im Jahr 2018) mehr als eine Mrd. Dollar an seinem Engagement an Foxwoods verdient haben wird – eine Entwicklung, die Ronald Reagan kaum so gewollt hat.


Wie die „amerikanische Antwort auf Neuschwanstein“, so befindet ein süddeutscher Besucher, ragen die 17 Stockwerke des Foxwoods Resort Casinos seither aus den Wipfeln der Zedern. Der Hauch der Halbwelt und das Flair von Anrüchigkeit haben die Casinos längst verloren; das Zocken ist in den USA bürgerlich geworden, für viele Amerikaner ist das Glückspiel eine Art Freizeitbeschäftigung, vielleicht kommt der große Gewinn ja eines Tages.


Die Mashantucket Pequots haben mittlerweile Konkurrenz erhalten: 1996 eröffnete zehn Meilen westlich, der Stamm der Mohikaner – die einst zusammen mit den Engländern die Pequots abschlachteten – das „Mohegan Sun“, das zweite Mega-Casino in Connecticut. Das Mohegan Sun, obwohl kleiner, steht dem Foxwoods nur um wenig nach. So sind die alten Feinde auch heute Konkurrenten – und schon wieder droht Ungemach: Denn auch die „Eastern Pequots of North Stonington“, die erst im vergangenen Juni offiziell als Stamm anerkannt wurden, wollen nun ein Casino eröffnen und es ihren Brüdern gleichtun.


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