Die Prognosen der Wallstreet-Strategen

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Nassie:

Die Prognosen der Wallstreet-Strategen

 
12.01.03 19:44
Wie jedes Jahr haben die Strategen in Wallstreet zum Jahresbeginn ihre Prognosen für den Verlauf des Aktienmarkts und des Wirtschaftswachstums ausgegeben


  Wie jedes Jahr haben die Strategen in Wallstreet zum Jahresbeginn ihre Prognosen für den Verlauf des Aktienmarkts und des Wirtschaftswachstums ausgegeben. Die Mehrheit geht von Kursgewinnen im Aktienmarkt aus. Nach dem schwächsten Jahr für den Dow Jones Industrial seit 1977 glauben zahlreiche Strategen wieder an bessere Zeiten. Nicht zuletzt die elf Zinssenkungen des Fed dürften sich günstig auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken. Geht es nach den Auguren, findet die Talfahrt in Wallstreet im laufenden Jahr ein Ende. Doch während zahlreiche Strategen ihre Prognosen in der Vergangenheit durch die rosarote Brille machten und der Wunsch oft Vater des Gedankens war, ist dieses Jahr eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Seit der Periode von 1929 bis 1932, dem Beginn der Depression, hat es in Wallstreet nicht mehr vier Jahre in Folge Kursverluste gegeben. Im Durchschnitt rechnen die nach wie vor mehr oder minder gefragten Strategen der Investmentbanken mit einem Anstieg des S&P-500-Index von annähernd 20 Prozent im heurigen Jahr.

Zu den größten Optimisten zählt – wieder einmal – Abby Joseph Cohen, Chefstrategin von Goldman Sachs, die sowohl für den Dow Jones Industrial als auch für den S&P-500-Index mit einem Plus von 30 Prozent rechnet. Die im Zuge der Börsenhausse zu Starruhm gekommene Cohen, deren Prognosden allerdings seit dem Ende der Börsenhausse mehr als nur daneben lagen, begründet ihren neuerlich unveränderten – oder doch unverbesserlichen – Optimismus mit einem besseren Wirtschaftsumfeld, transparenten Geschäftsberichten der Unternehmen und mit der höheren Risikofähigkeit der Anleger. Zudem streicht sie die tiefen Lagerbestände heraus, die sich günstig auswirken dürften, wenn sich die Nachfrage erholt.

Joseph Battipaglia, Chefstratege von Ryan Beck & Co, erwartet auch hohe Kursgewinne für 2003 von rund 30 Prozent Die expansive Geldpolitik des US-Offenmarktausschusses und zusätzliche Steuersenkungen von bis zu 300 Milliarden US-$ stimmen ihn zuversichtlich. Zudem rechnet er mit einer frühzeitigen Lösung des Konflikts mit dem Irak. Auffallend ist, daß nicht nur im Falle von Battipaglia die Ausblicke meist an Bedingungen geknüpft sind. Aussagen wie: „Die Börse steigt, vorausgesetzt, es gibt nicht mehr Buchführungsskandale, die Situation in Nordkorea eskaliert nicht und die Krise mit dem Irak wird bald gelöst“ zeugen von der weit verbreiteten Unsicherheit.

Carlos Asilis, US-Stratege von J.P. Morgan Chase, ist einer der wenigen, die von neuerlichen Kursverlusten im Jahr 2003 ausgehen. Er glaubt, daß die weiterhin hohe Bewertung der Aktien als Thema dominieren wird, und warnt vor Gewinnausweisen, die deutlich unter den Konsensschätzungen der von First Call befragten Analysten liegen werden. Zudem befürchtet Asilis, der in den Jahren 2001 und 2002 mit seinen pessimistischen und zurückhaltenden Prognosen gut lag, aber in den Jahren davor wiederum zu vorsichtig agierte, eine Abnahme der bis dato stabilen Konsumentenzuversicht, die Preise für Konsumgüter kaum steigen und Überkapazitäten ein Problem werden können.

Steve Galbraith, Chefstratege von Morgan Stanley, ist dagegen überzeugt von einer deutlichen Verbesserung der Gewinnausweise. Er bevorzugt großkapitalisierte Unternehmen gegenüber den Small Caps und dabei insbesondere jenen, die seiner Ansicht nach Marktanteile dazugewinnen könnten, wie etwa Micrsoft, Cisco, Walmart, Intel und General Electric. Ed Kerschner, Chefstratege von UBS Warburg, erwartet Kursgewinne von immerhin über 15 Prozent. Er begründet seine Zuversicht weniger mit der Geldpolitik als vielmehr mit den Gewinnausweisen, die 2003 bei den Unternehmen innerhalb des S&P-500-Index rund 8 Prozent und damit durchaus beachtlich wachsen sollten.

Tom McManus, Stratege von Banc of America Securities, hat per Anfang Jahr seine Aktienquote erhöht. Statt wie bisher 50, empfiehlt er den Investoren, 70 Prozent ihres Vermögens in Aktien zu halten. Den Rest verteilt er auf Obligationen (20 Prozent) und liquide Mittel (10 Prozent). Auch McManus war einer der wenigen, die vor einem Jahr vor weiteren Kursverlusten gewarnt hatten.

Tobias Levkovich, Stratege von Salomon Smith Barney, rät den Anlegern, mehr Wert auf die Ausschüttung von Dividenden zu legen. Er weist darauf hin, daß Dividenden im historischen Vergleich 40 Prozent des Ertrags ausmachen, im Moment beziehungsweise schon 2002 zum ersten Mal seit dreissig Jahren wieder steigen und die Dividendenrendite erstmals seit 1963 die Rendite von Treasury Bills übersteigt. Außerdem argumentiert Levkovich auf Basis der Änderung der Doppelbesteuerung von Dividenden.

Auch Richard Bernstein von Merrill Lynch legt großen Wert auf Dividendenzahlungen. Zusammen mit einer soliden Qualität der Unternehmen ist das für ihn das Anlagethema im neuen Jahr. Bekannte Aktien, die für ihn diese Voraussetzung erfüllen und die er zum Kauf empfiehlt, sind u.a. Merck, Gillette, Clorox, 3M und Procter & Gamble.

Wie immer werden wir am Ende des Jahres wissen wer Recht oder Unrecht behalten hat. Aber in jedem Fall sollten die genannten Prognosen nicht ausschließlich als Basis für die eigenen Anlagestrategien und –entscheidungen herangezogen werden. Wer sich dies zutraut und auch kontinuierlich – und nicht tagtäglich bei jeder Wendung der Märkte einen eigene Kehrtwendung von seiner Meinung vollzieht – befolgt, dürfte im Rahmen seiner Veranlagungen vor allem mittel bis längerfristig am ehesten richtig liegen!(red)

Nassie:

Weiter Zufluß von Auslandskapital

 
12.01.03 21:55
Amerika läßt die Anleger an alten Gewißheiten zweifeln

Aber der Zufluß von Auslandskapital wird nicht einbrechen / Bericht vom internationalen Finanzmarkt / Von Christian Schubert


LONDON, 12. Januar. Zu Beginn der neuen Woche fragen sich die Investoren, ob auf die alten Gewißheiten noch Verlaß ist. Die Währung der weltgrößten Volkswirtschaft verliert zusehends an Wert. Am vergangenen Freitag erreichte der Euro 1,055 Dollar, und so liegt der Dollar auf einer handelsgewichteten Basis heute 10 Prozent unter dem Vorjahresstand. Trotz eines Aufbäumens zum Wochenschluß haben zudem die amerikanischen Staatsanleihen in der vergangenen Woche schlechter abgeschnitten als ihre europäischen Gegenstücke, denn jenseits des Atlantik erwarten die Anleger angesichts der wachsenden Staatsverschuldung eine Welle neuer Papiere. Wendet sich die Finanzwelt nun von Amerika ab?

Solche Vorhersagen gab es in der Vergangenheit mehrfach - und sie wurden regelmäßig widerlegt. Den Vereinigten Staaten gelang es bis zuletzt, enorme Summen an Auslandskapital anzuziehen. Im Jahr 2001, als das amerikanische Bruttoinlandsprodukt nur um 0,3 Prozent wuchs, floß der Rekordwert von 530 Milliarden Dollar (5,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes) nach Amerika. Zu Beginn des folgenden Jahres erschütterten die bekannten Betrugsskandale in amerikanischen Konzernen die Investoren, doch bis März stellte sich bereits wieder der zweithöchste Wert seit 25 Jahren ein. Und die aktuellsten Zahlen bis Ende Oktober ergeben zwar einen Rückgang von 7 Prozent bei den Käufen durch Ausländer. Doch weil die Amerikaner in großem Umfang ihre Gelder von außerhalb der Heimat repatriierten, sind in den ersten zehn Monaten 2002 wieder 429 Milliarden Dollar aus dem Ausland zugeflossen. Das sind kaum Umfänge, die für eine Abkehr sprechen.

Ob Amerika weiter ein Magnet für die internationalen Investoren sein wird, hängt stark von der Gewinnsituation der amerikanischen Konzerne ab. Diese beeinflußt nicht nur die Aktienkurse, sondern auch die der Unternehmensanleihen und über die Privatanleger die allgemeine Stimmung bis hin zum Konsum. In dieser Woche beginnt wieder die Berichtssaison, und bei aller Enttäuschung über den Jahresbeginn an den Börsen ist es ein Trost, daß die Erwartungen inzwischen heruntergeschraubt wurden. Nach Angaben von Thomson First Call rechnen die Analysten für die Betriebsgewinne der Unternehmen im S&P-500 im vierten Quartal 2002 nun durchschnittlich mit einer Gewinnsteigerung von 11,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Anfang Oktober hatten sie mit 20 Prozent fast noch doppelt soviel erwartet.

Wie es in Amerika langfristig weitergeht, wird von der politischen Lage und von der Wirkung der jüngsten Steuererleichterungen abhängen. Doch die Freude des Konkurrenten Europa auf einen Attraktivitätsverlust Amerikas dürfte voreilig sein: In den vergangenen drei Krisenjahren mögen die Käufe von Aktien gelitten haben, doch dafür griffen die Ausländer bei Regierungs- oder bei Unternehmensanleihen zu. Bis Oktober 2002 standen Aktienkäufe nur noch für 10 Prozent der Zuflüsse, nachdem es im Vorjahr noch 22 Prozent gewesen waren.

Ein Delle im Zustrom von Kapital ist in naher Zukunft durchaus möglich, denn die Investoren wollen sehen, wie sich die amerikanische Konjunktur erholt. Große japanische Anleger haben bereits Gelder in den Euroraum verlegt. Doch ein Einbruch gilt als unwahrscheinlich. Auch im letzten Golfkrieg kauften Ausländer zwar keine Aktien mehr, ersetzten diese aber durch amerikanische Staatspapiere.

Amerika hat einen großen Vorteil, der die Weltmacht immer wieder aus der Asche aufsteigen läßt: seine Flexibilität. Der Kontinent wurde zu Beginn dieses Jahrtausends von der Wirtschaftskrise zwar schwerer getroffen als die Eurozone, denn er war zuvor kräftiger gewachsen, doch befreiten sich die Vereinigten Staaten daraus auch viel schneller. Dem Wachstumseinbruch des Bruttoinlandsproduktes auf 0,3 Prozent im Jahr 2001 folgte ein Sprung auf 2,3 Prozent alleine für die ersten drei Quartale 2002. Die Eurozone erreichte 2001 noch ein Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent, brach bis Ende September 2002 aber auf 0,6 Prozent ein; und seither ging es nicht besser, während in den Vereinigten Staaten sich der Aufschwung - wenn auch langsam - zu verstärken scheint. Für die Unterschiede sind vor allem drastische Zinssenkungen und die fiskalpolitische Förderung des Konsums verantwortlich. Der private Verbrauch hat in Amerika in den ersten drei Vierteln des vergangenen Jahres schon wieder um 3,3 Prozent zugelegt, während er in Europa mit einem Plus von gerade einmal 0,4 Prozent dahinkriecht.

Die Unterstützung durch die Regierung war dabei entscheidend. Die Deutsche Bank beziffert den Impuls durch Steuererleichterungen und Staatsausgaben in Amerika auf 1,2 Prozent (2001) und auf 2,4 Prozent (2002) des Bruttoinlandsproduktes. In der Eurozone kam es - bedingt durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt - dagegen nur zu einem Plus von 0,2 und 0,1 Prozent. Die Zinssenkungen der Fed seit Anfang 2001 führten zusätzlich dazu, daß die Realzinsen in Amerika 2001 und 2002 um 1,5 Prozentpunkte unter denen der Eurozone lagen. Angesichts flexibler Arbeitsmärkte dürfte dann der Aufschwung nicht mehr weit sein.


     
 
 
 
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