Bei Blue Chips unterscheidet Professor Max Otte zwischen Königen und Dauerflops. Obwohl Könige in Deutschland Mangelware sind, empfiehlt er derzeit zehn DAX-Werte zum Kauf: Adidas, Allianz, BASF, BMW, DaimlerChrysler, E.ON, Fresenius Medical Care, Henkel, MLP und Schering.
EURO: Welche DAX-Aktien sind Könige?
Otte: Leider keine einzige. Mir ist auch außerhalb des DAX kein börsennotiertes deutsches Unternehmen bekannt, das alle Königskriterien erfüllt. Allenfalls Porsche könnte man vielleicht als "Fürst" bezeichnen.
EURO: Welche Kriterien muss ein Unternehmen erfüllen, um sich König nennen zu dürfen?
Otte: Ganz wichtig ist ein bekannter Markenname. Da wir in einer reizüberfluteten Gesellschaft leben, ist das Gold wert. Zudem sollte das Unternehmen möglichst niedrigpreisige Wirtschaftsgüter produzieren, die man immer wieder kaufen muss. Es sollte sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, absoluter Herrscher über eine stabile Branche mit guten Wachstumsaussichten sein, hohe Margen und eine Eigenkapitalrendite von mindestens 25 Prozent erwirtschaften. Wenn dann auch die Verschuldung gering ist, haben wir es mit einem König zu tun.
EURO: Und woran liegt es, dass wir in Deutschland keinen König haben?
Otte: Die meisten Unternehmen scheitern an der Eigenkapitalverzinsung, sind zu klein oder haben eine zu schwache Marktposition. Die Ausnahme-Erscheinung Porsche stellt keine geringwertigen Wirtschaftsgüter her. SAP hätte unter Umständen das Zeug zum König, muss aber einen immer größeren Anteil des Cash-Flow in die Entwicklung investieren. Das ist ein Anzeichen für einen gesättigten Markt.
EURO: Trotzdem empfehlen Sie derzeit zehn DAX-Werte zum Kauf.
Otte: Das liegt an der günstigen Bewertung. Auch Unternehmen, die keine Könige sind, können unterbewertet sein. Ich halte es zwar für gefährlich, das Kurs/Gewinn-Verhältnis als oberstes Bewertungskriterium heranzuziehen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass solide Werte, beispielsweise die Autobauer, langfristig mit KGVs zwischen fünf und acht gehandelt werden. Im Automobilbau sind wir Deutschen nach wie vor Weltspitze, deshalb steckt in diesen Aktien einiges an Potenzial.
EURO: Apropos solide Werte. Wie kommt ausgerechnet MLP auf Ihre Kaufliste?
Otte: Weil das Unternehmen den Königs-Kriterien recht nahe kommt. Mit seiner Vertriebspower hat der Finanzdienstleister sich gegen das Banken-Establishment durchgesetzt. Das Unternehmen ist allerdings zu klein für einen König und war vielleicht noch nicht reif für den DAX. Aber wenn MLP nicht die besten Verkäufer abspringen, wird das Unternehmen wieder zum gewohnten Wachstum zurückfinden.
EURO: Und die Manipulationsvorwürfe?
Otte: Wenn MLP bei der Bilanz getrickst hat, was nicht erwiesen ist, dann vermutlich nicht schlimmer als der Rest der Finanz-Branche.
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