´sind für lange Zeit vorbei´
ftd.de, So, 6.10.2002, 7:00
Strategie-Interview:
Alan Levenson, Chief Economist beim US-Vermögensverwalter T. Rowe Price, zählt zum Lager der Optimisten unter den amerikanischen Ökonomen. Rowe vertritt die Ansicht, dass die US-Wirtschaft das Schlimmste hinter sich hat, die Konjunktur- und Börsenkrise sich ihrem Ende nähert.
FTD Herr Levenson, in welchem Zustand sehen Sie die amerikanische Wirtschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt?
Levenson Ich glaube, dass sich die US-Konjunktur in einem frühen Stadium der Erholung befindet. Die Rezession sollte damit von Mitte 2000 bis Ende letzten Jahres gedauert haben.
FTD Ist das bereits die langfristige Erholung, in die so viele Hoffnungen gesetzt werden?
Levenson Ich denke ja, da die Ungleichgewichte, die sich in den Jahren von 1996 bis 2000 herausgebildet hatten, mittlerweile korrigiert sind. Hinzu kommt, dass die aggressive Geld- und Finanzpolitik der Fed das ihrige zum Aufschwung beiträgt.
FTD Die Möglichkeit eines Double Dips, also eines Rückfalls in die Rezession, schließen Sie demnach völlig aus?
Levenson Ja, denn die genannten Faktoren sprechen dagegen. Wir sehen zurzeit den größten Rückgang in der Lagerhaltung seit Beginn unserer Aufzeichnungen. In einigen Bereichen befinden sich die Lagerbestände auf historischen Tiefstständen, was auf eine große Nachfrage hindeutet. Ich sehe deshalb keine Anzeichen für eine weitere Korrektur. Außerdem sollte man bedenken, dass die Fed die Zinsen bis auf das Inflationsniveau abgesenkt hat. Die Geld- und Kreditnachfrage signalisiert, dass wir uns auf dem Pfad zu mehr Wachstum befinden.
FTD Das ist eine recht optimistische Einschätzung angesichts aktueller Probleme wie eines drohenden Krieges gegen Irak. Immerhin dürfte ein solcher Militärschlag nach Schätzungen rund 200 Mrd. $ kosten. Würde das nicht das zarte Konjunkturpflänzchen zum Absterben bringen?
Levenson Der Meinung bin ich nicht. Eine Folge des Militärschlags wären mittelfristig sinkende Öl- und Energiepreise. Durch den starken Anstieg des Ölpreises in den vergangenen Wochen ist das Kriegsrisiko bereits eingepreist. Mittelfristig sinkende Energiepreise würden jedoch dem Aufschwung einen weiteren Schub verleihen.
FTD Ihr Optimismus in allen Ehren, aber wenn die Wirtschaft bereits wachsen würde, müsste man das doch an den Arbeitslosenzahlen sehen. Die verharren weiterhin auf verhältnismäßig hohem Niveau. Besteht da nicht das Risiko, dass die Nachfrage einbricht?
Levenson Nein. Immerhin hat sich die Arbeitslosenrate ja bereits stabilisiert. Dass sie nicht sofort in die andere Richtung weist, ist durchaus natürlich. Erst muss die Wirtschaft deutlich an Fahrt gewinnen, dann folgen die Arbeitsplätze. Schließlich kann man von Arbeitgebern nicht erwarten, dass sie beim geringsten Zeichen einer Konjunkturaufhellung sofort Arbeitskräfte einstellen. Aber die Trendwende ist da, höher werden die Arbeitslosenzahlen nicht mehr steigen. Das sollte auch den Konsum stützen.
FTD Das ist wohl auch bitter nötig, schließlich steht der amerikanische Konsument in dem Ruf, kein Geld für Notfälle zur Seite zu legen und stattdessen fleißig auf Kredit zu kaufen. Tickt da nicht eine Zeitbombe?
Levenson Die neuesten Zahlen sprechen eine andere Sprache. Demnach spart der Durchschnittsamerikaner sehr wohl, nämlich etwa vier Prozent seines monatlichen Einkommens. Außerdem liegen die Vermögen der US-Haushalte auch nach dem zweieinhalbjährigen Bärenmarkt nahe an ihren historischen Hochs. Kein Grund zur Sorge also.
FTD Das passt aber irgendwie nicht zusammen: Einerseits sparen die Leute vier Prozent, andererseits soll das überhaupt keine Auswirkungen auf den Konsum haben?
Levenson Natürlich bestand die Gefahr, dass der Konsums einbricht, aber letztlich ist es nicht dazu gekommen.
FTD Wie sollten Investoren angesichts eines solchen Marktumfeldes agieren?
Levenson Die Zusammensetzung des Portfolios muss stimmen. Es nützt nichts, in einer Branche übergewichtet zu sein, in der Hoffnung, dass die Kurssteigerungen hier in nächster Zeit besonders stark ausfallen werden. Diversifikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Außerdem sollten Investoren nicht kurzfristig agieren, sondern eine langfristige Perspektive einnehmen. Trotzdem darf man nicht zu viel erwarten. Die Jahre der fetten Renditen sind für lange Zeit vorbei.
Das Interview führte Martin Diekmann für die Financial Times Deutschland.
© 2002 Financial Times Deutschland
ftd.de, So, 6.10.2002, 7:00
Strategie-Interview:
Alan Levenson, Chief Economist beim US-Vermögensverwalter T. Rowe Price, zählt zum Lager der Optimisten unter den amerikanischen Ökonomen. Rowe vertritt die Ansicht, dass die US-Wirtschaft das Schlimmste hinter sich hat, die Konjunktur- und Börsenkrise sich ihrem Ende nähert.
FTD Herr Levenson, in welchem Zustand sehen Sie die amerikanische Wirtschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt?
Levenson Ich glaube, dass sich die US-Konjunktur in einem frühen Stadium der Erholung befindet. Die Rezession sollte damit von Mitte 2000 bis Ende letzten Jahres gedauert haben.
FTD Ist das bereits die langfristige Erholung, in die so viele Hoffnungen gesetzt werden?
Levenson Ich denke ja, da die Ungleichgewichte, die sich in den Jahren von 1996 bis 2000 herausgebildet hatten, mittlerweile korrigiert sind. Hinzu kommt, dass die aggressive Geld- und Finanzpolitik der Fed das ihrige zum Aufschwung beiträgt.
FTD Die Möglichkeit eines Double Dips, also eines Rückfalls in die Rezession, schließen Sie demnach völlig aus?
Levenson Ja, denn die genannten Faktoren sprechen dagegen. Wir sehen zurzeit den größten Rückgang in der Lagerhaltung seit Beginn unserer Aufzeichnungen. In einigen Bereichen befinden sich die Lagerbestände auf historischen Tiefstständen, was auf eine große Nachfrage hindeutet. Ich sehe deshalb keine Anzeichen für eine weitere Korrektur. Außerdem sollte man bedenken, dass die Fed die Zinsen bis auf das Inflationsniveau abgesenkt hat. Die Geld- und Kreditnachfrage signalisiert, dass wir uns auf dem Pfad zu mehr Wachstum befinden.
FTD Das ist eine recht optimistische Einschätzung angesichts aktueller Probleme wie eines drohenden Krieges gegen Irak. Immerhin dürfte ein solcher Militärschlag nach Schätzungen rund 200 Mrd. $ kosten. Würde das nicht das zarte Konjunkturpflänzchen zum Absterben bringen?
Levenson Der Meinung bin ich nicht. Eine Folge des Militärschlags wären mittelfristig sinkende Öl- und Energiepreise. Durch den starken Anstieg des Ölpreises in den vergangenen Wochen ist das Kriegsrisiko bereits eingepreist. Mittelfristig sinkende Energiepreise würden jedoch dem Aufschwung einen weiteren Schub verleihen.
FTD Ihr Optimismus in allen Ehren, aber wenn die Wirtschaft bereits wachsen würde, müsste man das doch an den Arbeitslosenzahlen sehen. Die verharren weiterhin auf verhältnismäßig hohem Niveau. Besteht da nicht das Risiko, dass die Nachfrage einbricht?
Levenson Nein. Immerhin hat sich die Arbeitslosenrate ja bereits stabilisiert. Dass sie nicht sofort in die andere Richtung weist, ist durchaus natürlich. Erst muss die Wirtschaft deutlich an Fahrt gewinnen, dann folgen die Arbeitsplätze. Schließlich kann man von Arbeitgebern nicht erwarten, dass sie beim geringsten Zeichen einer Konjunkturaufhellung sofort Arbeitskräfte einstellen. Aber die Trendwende ist da, höher werden die Arbeitslosenzahlen nicht mehr steigen. Das sollte auch den Konsum stützen.
FTD Das ist wohl auch bitter nötig, schließlich steht der amerikanische Konsument in dem Ruf, kein Geld für Notfälle zur Seite zu legen und stattdessen fleißig auf Kredit zu kaufen. Tickt da nicht eine Zeitbombe?
Levenson Die neuesten Zahlen sprechen eine andere Sprache. Demnach spart der Durchschnittsamerikaner sehr wohl, nämlich etwa vier Prozent seines monatlichen Einkommens. Außerdem liegen die Vermögen der US-Haushalte auch nach dem zweieinhalbjährigen Bärenmarkt nahe an ihren historischen Hochs. Kein Grund zur Sorge also.
FTD Das passt aber irgendwie nicht zusammen: Einerseits sparen die Leute vier Prozent, andererseits soll das überhaupt keine Auswirkungen auf den Konsum haben?
Levenson Natürlich bestand die Gefahr, dass der Konsums einbricht, aber letztlich ist es nicht dazu gekommen.
FTD Wie sollten Investoren angesichts eines solchen Marktumfeldes agieren?
Levenson Die Zusammensetzung des Portfolios muss stimmen. Es nützt nichts, in einer Branche übergewichtet zu sein, in der Hoffnung, dass die Kurssteigerungen hier in nächster Zeit besonders stark ausfallen werden. Diversifikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Außerdem sollten Investoren nicht kurzfristig agieren, sondern eine langfristige Perspektive einnehmen. Trotzdem darf man nicht zu viel erwarten. Die Jahre der fetten Renditen sind für lange Zeit vorbei.
Das Interview führte Martin Diekmann für die Financial Times Deutschland.
© 2002 Financial Times Deutschland