Die Negativmeldungen vom Neuen Markt reißen nicht ab. Die Neueste: SER Systems ist pleite. Doch nicht nur das. Der Ex-Chef hat den Laden regelrecht ausgeplündert. Sogar von einem Toten ist die Rede.
Der Chef eines einst hoch gelobten Neuer-Markt-Unternehmens ist in dubiose Machenschaften verwickelt - an der deutschen Wachstumsbörse inzwischen fast alltäglich. Doch der Fall der Firma SER Systems aus Neustadt/Wied, die am Donnerstag Insolvenz angemeldet hat, ist mehr als ein normaler Skandal: "Das ist der schlimmste Fall, der mir in meiner 20-jährigen Tätigkeit vorgekommen ist", so Erika Cebulla, Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK).Im Internet machen sogar Gerüchte die Runde, dass ein SER-Angestellter gewaltsam zu Tode gekommen sei. Dieser habe zuvor im Auftrag der Firmenleitung Zahlen für die außerordentliche Hauptversammlung im April manipuliert. Angeblich ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits.
Die Vorgeschichte: Das fünftgrößte deutsche Software-Unternehmen hatte schon seit Monaten mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen. Die Gläubigerbanken saßen dem damaligen Vorstands-Chef Gert Reinhardt mit Kre- ditforderungen von über 35 Millionen Euro im Nacken. Dieser kam daher auf die Idee, alle US-Tochtergesellschaften und die deutsche SER Technology zu Geld zu machen. Dafür holte er sich am 26. April 2002 auf einer außerordentlichen Hauptversammlung die Erlaubnis.
Reinhardt verkaufte dann sowohl die Gesellschaften als auch fast alle Software- und Markenrechte des Konzerns. Käufer war die US-Gesellschaft KES. Das Pikante: Sie wird von Ex-SER-Finanzvorstand Carl Mergele geführt. Und der bekam Firmen und Rechte praktisch für ein Butterbrot. Allein die verkauften Unternehmen haben nach Schätzungen der SdK einen Wert von 66 Millionen Euro - ohne die Rechte. SER sollte aber insgesamt nur 20 Millionen Euro erhalten. Und das auch erst im Dezember 2002.
Dabei war für Reinhardt voraussehbar, dass SER dann schon längst pleite sein wird. Auf Antrag der SdK und mehrerer SER-Aktionäre untersagte das Landgericht Koblenz am 4. Juni den Verkauf jedoch durch eine einstweilige Verfügung. "Die Hauptversammlungsbeschlüsse sind gesetzeswidrig zu Stande gekommen und daher nichtig", begründeten die Richter ihre Entscheidung. Denn der SER-Chef hatte den Aktionären erklärt, dass die Insolvenz nur durch einen Verkauf der Tochtergesellschaften abgewendet werden könne. Das aber war falsch. Wie er später vor Gericht selbst zugab, sei die Insolvenz auch mit den Verkäufen nicht mehr abzuwenden gewesen.
Auch das Verkaufsverbot interessierte Reinhardt nicht. Er machte vielmehr Aufsichtsrat und Gläubigerbanken den Vorschlag, ungeachtet des Gerichtsbeschlusses die Töchter zu veräußern, so die SdK. Der Plan sickerte durch, und das Landgericht Koblenz verbot den Verkauf zum zweiten Mal. Reinhardt scherte sich auch darum nicht und verkaufte. Doch Geld sah SER dafür bisher keines. Um die Insolvenz abzuwenden, hatte die Firma versucht, zumindest Teile des Kaufpreises vor Dezember 2002 zu erhalten. Pustekuchen. Wie ein SER-Sprecher gegenüber EURO bestätigte, ist KES nicht zu einer vorgezogenen Zahlung bereit.Reinhardt aber, der gegen die gerichtlichen Verfügungen verstoßen, die Tochtergesellschaften weit unter Wert verkauft und die letzten Filetstücke des einstigen Börsenstars seinem Ex-Kollegen zugeschoben hat, ist ausgeflogen. Bereits im Mai verlegte er seinen Wohnsitz in die USA. Zusammen mit seiner Frau bezog er ein Haus ausgerechnet in dem Ort, in dem auch die KES ihren Sitz hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Und zurückkommen will er wohl auch nicht: SER gab in der Zwischenzeit bekannt, "dass Herr Reinhardt auf eigenen Wunsch mit sofortiger Wirkung von seinen Pflichten als Vorstands-Chef befreit wird." Einem Investmentmanager soll Reinhardt schon vor einem Jahr erzählt haben, dass er alle Beteiligungen in die USA verkaufen will. Dass er wohl schon länger mit einem Umzug in die USA geliebäugelt hat, unterstreicht auch seine Aussage, "die Deutschen verstehen mich nicht".Letzteres überrascht zumindest bei den SER-Anlegern, deren Aktien vom Allzeithoch bei 74 Euro auf ein paar Cent stürzten, genauso wenig wie bei den 320 Angestellten des Unternehmens, die wegen der kriminellen Energie ihres einstigen Chefs alle ihren Job verlieren werden.
von Nando Sommerfeldt / Euro am Sonntag
Der Chef eines einst hoch gelobten Neuer-Markt-Unternehmens ist in dubiose Machenschaften verwickelt - an der deutschen Wachstumsbörse inzwischen fast alltäglich. Doch der Fall der Firma SER Systems aus Neustadt/Wied, die am Donnerstag Insolvenz angemeldet hat, ist mehr als ein normaler Skandal: "Das ist der schlimmste Fall, der mir in meiner 20-jährigen Tätigkeit vorgekommen ist", so Erika Cebulla, Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK).Im Internet machen sogar Gerüchte die Runde, dass ein SER-Angestellter gewaltsam zu Tode gekommen sei. Dieser habe zuvor im Auftrag der Firmenleitung Zahlen für die außerordentliche Hauptversammlung im April manipuliert. Angeblich ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits.
Die Vorgeschichte: Das fünftgrößte deutsche Software-Unternehmen hatte schon seit Monaten mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen. Die Gläubigerbanken saßen dem damaligen Vorstands-Chef Gert Reinhardt mit Kre- ditforderungen von über 35 Millionen Euro im Nacken. Dieser kam daher auf die Idee, alle US-Tochtergesellschaften und die deutsche SER Technology zu Geld zu machen. Dafür holte er sich am 26. April 2002 auf einer außerordentlichen Hauptversammlung die Erlaubnis.
Reinhardt verkaufte dann sowohl die Gesellschaften als auch fast alle Software- und Markenrechte des Konzerns. Käufer war die US-Gesellschaft KES. Das Pikante: Sie wird von Ex-SER-Finanzvorstand Carl Mergele geführt. Und der bekam Firmen und Rechte praktisch für ein Butterbrot. Allein die verkauften Unternehmen haben nach Schätzungen der SdK einen Wert von 66 Millionen Euro - ohne die Rechte. SER sollte aber insgesamt nur 20 Millionen Euro erhalten. Und das auch erst im Dezember 2002.
Dabei war für Reinhardt voraussehbar, dass SER dann schon längst pleite sein wird. Auf Antrag der SdK und mehrerer SER-Aktionäre untersagte das Landgericht Koblenz am 4. Juni den Verkauf jedoch durch eine einstweilige Verfügung. "Die Hauptversammlungsbeschlüsse sind gesetzeswidrig zu Stande gekommen und daher nichtig", begründeten die Richter ihre Entscheidung. Denn der SER-Chef hatte den Aktionären erklärt, dass die Insolvenz nur durch einen Verkauf der Tochtergesellschaften abgewendet werden könne. Das aber war falsch. Wie er später vor Gericht selbst zugab, sei die Insolvenz auch mit den Verkäufen nicht mehr abzuwenden gewesen.
Auch das Verkaufsverbot interessierte Reinhardt nicht. Er machte vielmehr Aufsichtsrat und Gläubigerbanken den Vorschlag, ungeachtet des Gerichtsbeschlusses die Töchter zu veräußern, so die SdK. Der Plan sickerte durch, und das Landgericht Koblenz verbot den Verkauf zum zweiten Mal. Reinhardt scherte sich auch darum nicht und verkaufte. Doch Geld sah SER dafür bisher keines. Um die Insolvenz abzuwenden, hatte die Firma versucht, zumindest Teile des Kaufpreises vor Dezember 2002 zu erhalten. Pustekuchen. Wie ein SER-Sprecher gegenüber EURO bestätigte, ist KES nicht zu einer vorgezogenen Zahlung bereit.Reinhardt aber, der gegen die gerichtlichen Verfügungen verstoßen, die Tochtergesellschaften weit unter Wert verkauft und die letzten Filetstücke des einstigen Börsenstars seinem Ex-Kollegen zugeschoben hat, ist ausgeflogen. Bereits im Mai verlegte er seinen Wohnsitz in die USA. Zusammen mit seiner Frau bezog er ein Haus ausgerechnet in dem Ort, in dem auch die KES ihren Sitz hat. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Und zurückkommen will er wohl auch nicht: SER gab in der Zwischenzeit bekannt, "dass Herr Reinhardt auf eigenen Wunsch mit sofortiger Wirkung von seinen Pflichten als Vorstands-Chef befreit wird." Einem Investmentmanager soll Reinhardt schon vor einem Jahr erzählt haben, dass er alle Beteiligungen in die USA verkaufen will. Dass er wohl schon länger mit einem Umzug in die USA geliebäugelt hat, unterstreicht auch seine Aussage, "die Deutschen verstehen mich nicht".Letzteres überrascht zumindest bei den SER-Anlegern, deren Aktien vom Allzeithoch bei 74 Euro auf ein paar Cent stürzten, genauso wenig wie bei den 320 Angestellten des Unternehmens, die wegen der kriminellen Energie ihres einstigen Chefs alle ihren Job verlieren werden.
von Nando Sommerfeldt / Euro am Sonntag