von J. Christoph Amberger in Baltimore
"Egal ob es darum geht, despotische Regierungen zu stützen, Widerstand gegen Reformen des Welthandels zu leisten oder anti-amerikanische Gefühle auszunutzen – Chirac hat es in der Vergangenheit bemerkenswert oft geschafft, eine rückwärts gewandte und letztlich falsche Meinung zu vertreten", schrieb Martin Kettle vom britischen "Guardian" über das französische Nein zur EU-Verfassung. Wenn Politiker Puppen wären, dann würde man unseren Freund Jacques Chirac in einer Harry-Potter-Box finden, als Puppe mit Wachs in den Ohren.
Der Grund, warum die Franzosen die Verfassung ablehnten? Es war die Bedrohung ihrer luxuriösen Errungenschaften, wie den ganzen Monat August Urlaub, 35-Stunden-Woche und 6 Wochen bezahlter Urlaub, umfassende Sozialvorsorge und Frühruhestand mit 54. Es war der Gedanke, dass die Franzosen mit hart arbeitenden osteuropäischen Einwanderern in Wettbewerb treten müssten, außerhalb des schützenden Schirms von Sozialismus und Korporatismus. Kurz gesagt: Es war eine Abstimmung gegen den Kapitalismus ... der unter den Europäern als "Liberalismus" diskreditiert ist.
*** Als das Ergebnis der Abstimmung in Frankreich vermeldet wurde, da waren die amerikanischen Trader im Urlaub – hier in den USA war "Memorial Day". Während einige Alleswisser mich zuvor gemaßregelt hatten, dass die effizienten Märkte das potenzielle französische Nein schon vor zwei Wochen eingepreist hätten, beschleunigte der Euro seinen Abwärtstrend, wobei er "durch die charttechnische Unterstützung bei 1,2385 rasselte".
Die Analysten stellten das Offensichtliche fest: "Das 'Nein' vom Wochenende war negativ für den Euro und hat den Euro/Dollar in eine neue Trading-Range geschickt. Es ist möglich, dass der Euro in den kommenden Wochen bis auf 1,20 im Tief fallen könnte, bevor der Markt entscheidet, dass er genug Dollar gekauft hat", so ein gewisser Michael Woolfolk von der Bank of New York.
Gold, der andere Anti-Dollar, fiel ebenfalls, zunächst bis auf 413 Dollar pro Unze.
Dann erholte sich der Goldpreis auf 417 Dollar. Der Ölpreis fiel so gut wie gar nicht, und er bleibt weiter unkomfortabel nah an der 50-Dollar-Marke. Das könnte bald zum weiteren Problem für die Europäer werden, die die steigenden Rohstoffpreise bis jetzt durch den himmelhohen Euro abfangen konnten: Wenn sich der Euro wirklich in einer Trendumkehr befinden sollte, dann würde die Eurozonen-Volkswirtschaft bald unter der fallenden Kaufkraft des Euros und der dadurch verursachten realen Preissteigerung der Rohstoffe leiden