Die Finger verbrannt

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Die Finger verbrannt

 
21.04.01 00:35
Als die Börse so richtig losboomte, erfasste der Hype auch die Stars aus Film, Sport und Wirtschaft. Auf den Glamour-Partys quer durch die Republik tauschten sie auf einmal die heißesten Aktientipps aus und diskutierten die neusten Analystenempfehlungen. Doch jetzt bescheren die Investments in der New Economy den Promis mehr Frust als Lust. Wer wie viel verloren hat.

Liebe Aktionäre: Man hat jetzt festgestellt, dass im letzten Jahr das Sparbuch die Aktien geschlagen hat. Bitte? Sparbuch? Sie wissen nicht, was das ist? Ja, das ist das Ding, mit dem Sie sich die Zigarre angesteckt haben, als Sie im März letzten Jahres in den Neuen Markt eingestiegen sind."

Harald Schmidt, Deutschlands Lästermaul Nummer Eins, kann es nicht lassen. Für die gebeutelten deutschen Kleinanleger hat der Entertainer in seiner Late-Night-Show nur Häme übrig. Was er seinen Zuschauern verschweigt: Auch Schmidt, der laut eigenen Angaben an Aktienspekulationen „großen Spaß“ hat, investierte an der Börse. Zu Zeiten des Booms informierte sich der Schwabe aus Nürtingen jeden Morgen beim Nachrichtensender n-tv über das aktuelle Börsengeschehen. Jetzt klagt der mehrfache Millionär und Familienvater: „Ich habe teilweise auf die falschen Werte gesetzt. Auch aufgehetzt von den Börsen-Girlies von n-tv.“

Nicht nur der deutsche Otto-Normal-Aktionär, sondern auch die Promis aus Film, Fernsehen, Sport und Wirtschaft wurden reihenweise von der Jagd auf die schnelle Mark in der New Economy erfasst. Keiner wollte im „Aktien-Eldorado Deutschland“ („Bild“-Schlagzeile Anfang des Jahres 2000) außen vor bleiben. Auf den Glamour-Partys quer durch die Republik tauschten die Stars auf einmal die heißesten Aktientipps aus und diskutierten die neusten Analystenempfehlungen. Selbst die Wirtschaftselite mischte mit. „Wenn ich mit meinen Freunden Tennis gespielt habe“, erinnert sich SAP-Gründer Hasso Plattner, „haben mir alle erzählt, was ihre Ehepartner zu Hause beim Aktienhandel an ihrem Computer für Gewinne machen“.

Heute fällt dem Topmanager aus Walldorf dazu nur noch das Wort „Massenpsychose“ ein: „Die ganze Welt hat mitgezockt“. Dem kollektiven Wahn folgte der gemeinsame Absturz. Der Nemax, das Kursbarometer des Neuen Marktes, rutschte von seinem Höchststand im März 2000 von 8559 auf heute 1652 Punkte. An der US-Technologiebörse Nasdaq krachte der Index im gleichen Zeitraum von 5049 auf 1650 Punkte (siehe Grafik). Die hochgejubelten Wunderkinder der New Economy stürzten jäh ab – und mit ihnen die Hoffnungen der prominenten Anleger auf noch größeren Reichtum.

Besonders verspekuliert hat sich Deutschlands Supermodell Claudia Schiffer. Nach einem Bericht der britischen Zeitung „Daily Star“ soll die blonde Düsseldorferin rund 4,4 Millionen Euro in Internetaktien investiert haben. Der Wert ihrer Beteiligungen soll mittlerweile auf rund 260000 Euro geschrumpft sein – für Schiffer jedoch, auf der „Forbes“-Liste der Bestverdienenden mit rund 10 Millionen Euro Jahreseinkünften auf Platz 77 geführt, ein leicht zu verschmerzender Verlust.

Beim Absturz des einstigen Börsenlieblings EM.TV, dessen Kurs von seinem Höchststand von 114 Euro in Februar 2000 auf heute 5,8 Euro sackte, haben sich einige Mitglieder der Münchner Schickeria die Finger verbrannt. So ärgert sich etwa der Edelgastronom Michael Käfer, der neben der Feinkost- und Gastronomiegruppe Käfer auch die Münchner Nobeldisco „P1“ betreibt, dass er aus EM.TV „zu spät beziehungsweise noch gar nicht“ ausgestiegen ist.

Auch Mobilcom-Chef Gerhard Schmid ist mit seinem Internet-Investment in Fluxx.com nicht zufrieden. Der Multi-Millionär aus Büdelsdorf hält 16 Prozent an dem Kieler Unternehmen, das sich auf die Vermittlung von Wetten und Lotto im Internet spezialisiert hat. Seit dem Börsengang im September 1999 sackte der Kurs des Start-ups von 19 Euro – nach einem kurzen Zwischenhoch von 120 Euro – auf 4,3 Euro.

In großem Stil investierte auch der Vobis-Gründer Theo Lieven in die New Economy. Der 49-Jährige, der 1996 seinen Computerhändler Vobis für einen dreistelligen Millionenbetrag an Metro verkaufte, sah eine „zweite industrielle Revolution“ heraufziehen und schoss mehr als 50 Millionen Euro in IT-Unternehmen wie etwa den ostdeutschen Computerhändler Lintec oder den Internetspezialisten Elsa. An dem E-Commerce-Anbieter Adori ist Lieven mit rund 22 Prozent beteiligt; sein Aktienpaket an dem Regensburger Unternehmen ist heute im Vergleich zum Börsenstart über zwei Drittel weniger wert. Auch die Kurse der anderen Beteiligungen des Rolls-Royce-Liebhabers und Hobby-Pianisten stürzten tief ab. Das dürfte selbst den Finanzier Lieven schmerzen, der „20 Prozent Fehlinvestitionen für normal“ hält.

In der Hoffnung auf einen schnellen Börsengang beteiligte sich die siebenfache Wimbledonsiegern Steffi Graf im Juni vergangenen Jahres „maßgeblich“ an dem Online-Sporthändler Terrific. Nach dem Crash ist die ursprünglich für 2001 geplante Börsennotierung erstmal vom Tisch. „Dass es am Neuen Markt so runtergehen würde“, meint Hans Engert , Geschäftsführer der Stefanie Graf Marketing GmbH & Co.KG, „hätte niemand gedacht“.

Fraglich ist zudem, ob das Geschäftsmodell von Terrific Zukunft hat. Der amerikanische Super-Basketballer Michael Jordan, der Eishockey-Spieler Wayne Gretzky und der Football-Spieler John Elway schlossen erst kürzlich ihren Online-Sporthändler MVP.Com, in den sie zusammen mit institutionellen Investoren rund 65 Millionen Dollar investiert hatten (siehe auch Seite 101).

Von der Internet-Pleite seiner amerikanischen Sportskollegen lässt sich der Unternehmer Boris Becker, der sich seit seinem AOL-Werbeauftritt als "internet-affin“ bezeichnet, nicht schrecken. Nach monatelangem Warten eröffnete Ende März endlich sein Sportportal Sportgate, an dem er mit 55 Prozent Mehrheitsaktionär ist. Doch von den hochtrabenden Plänen, die Becker im August 2000 zusammen mit dem früheren RTL-Chef Helmut Thoma und Pixelpark-Gründer Paulus Neef vorgestellt hat, ist kaum etwas übrig geblieben: Viel mehr als Agentur- und Lokalsportmeldungen bietet der werbefinanzierte Dienst nicht. Becker will denn auch so schnell wie möglich seine Sportgate-Beteiligung auf unter 50 Prozent drücken.

Auch an anderen Start-ups hat sich das deutsche Tennisidol im Zuge der Internet-Euphorie beteiligt – unter anderem an der New Food AG mit einer Million Mark. Das Unternehmen, an dem Klaus Harisch, Gründer des Telefonauskunftsdiensts Telegate, 80 Prozent hält, will ab Sommer biologische Lebensmittel und Gesundheitsprodukte online verkaufen. Über die anderen Beteiligungen schweigt der Selbstdarsteller: „Ich kann und will nicht jede Beteiligung nennen“, erklärt Becker.

Lothar Matthäus ist da schon großzügiger mit seinem Informationen. Anfang des Jahres beteiligte sich der frisch aus den USA zurückgekehrte Fußballer an dem österreichischen Internet-Wettanbieter Bet-at-home.com mit vier Prozent. Neben seinem finanziellen Engagement will der ehemalige FC-Bayern-Münchnen-Star „seine Ideen, die ich in den letzten Jahren als Fußballspieler mitgenommen habe“, in das junge Unternehmen einbringen. Als künftige Kundschaft hat der deutsche Rekordnationalspieler seine alten Fußball-Kollegen im Visier: „Die haben schon immer gerne untereinander gezockt“.

Während die Sportpromis Matthäus Becker und Graf nach wie vor in der New Economy investieren, sind die ehemaligen Helden der Internet-Szene vorsichtiger. Die Gebrüder Samwer etwa, die ihr Internet-Auktionshaus Alando an den US-Marktführer Ebay verkauft hatten, haben nur noch ein Technologie-Investment in ihrem Portfolio: ihr neues Unternehmen Jamba, ein Portal für elektronischen Handel per Handy. Den Rest legen die drei Brüder mit Hilfe von diversen Vermögensverwaltern konservativ an. Dabei befolgt das Trio die bewährte Regel: „Wir wollen fünf Prozent nach Steuern“, erklärt Marc Samwer.

Quelle: wiwo.de
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