Die Finanzmärkte nach dem 11. September

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Die Finanzmärkte nach dem 11. September

 
11.09.02 13:54

Der 11. September wird in seinen Börsen-Folgen überschätzt


Der Ökonom Paul Krugman sagte, als die Welt noch unter dem Schock der Anschläge stand, dass der 11. September, verglichen mit anderen Ereignissen, in seinen Folgen überschätzt wird.

Das war provokant. Und dennoch: Die Weltwirtschaft befand sich bereits in einer latenten Krise. Das wissen wir aufgrund von revidierten Wirtschaftsdaten heute besser als damals. Die Aktienkurse sanken bereits seit über einem Jahr. Mehr als eine Millionen Amerikaner hatten seit dem Platzen der High-Tech-Blase ihre Arbeit verloren und auch in Europa begann der bis heute immer noch andauernde Abbau von Überkapazitäten. Doch bis zum 11. September fehlte das eine Ereignis, der allumfassende Schock, woran man die Krise fest machen konnte. Insofern ist der 11. September durchaus ein Ereignis, das einen rigiden Einschnitt symbolisiert.

Der 11. September als Katalysator verschiedener Ereignisse

Aber erst durch das Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren ist die momentane Situation zu erklären. Es ist fahrlässig, den 11. September unabhängig von Bilanzierungsskandalen à la Enron, der brisanten Situation in Südamerika, oder den reduzierten Wachstumserwartungen zu betrachten. Stefan Schneider, zuständig für Macro-Trends bei der Deutschen Bank, spricht daher zurecht von einer Katalysatorfunktion, die der 11. September einnimmt.

Unbestreitbar ist hingegen, dass - eingeleitet durch die Anschläge - ein grundlegender Wechsel in der Wirtschaftspolitik stattfand. Das massive Gegensteuern der Geld- und Fiskalpolitik in Amerika und - wenn auch in geringerem Umfang - Europa, hat die fundamentale Situation in der sich die Weltwirtschaft befand, entscheidend verändert. Das wurde von vielen Volkswirten, die ihre Wachstumsprognosen deutlich reduzierten, nicht in dem Maße vorhergesehen, meint Schneider.

Amerika nahm hier wie so oft wieder einmal die Vorreiterrolle ein. Es entdeckte den Staat als Wirtschaftsakteur neu. Die republikanische Regierung machte in weniger als zwei Jahren aus einem milliardenschwerden Überschuss ein Defizit. Trotzdem konnte, nach einem heftigen, aber kurzen Anstieg, ein erneutes Absinken der Wirtschaftsleistung nicht verhindert werden. Ohne eine Erholung der USA wird sich aber auch die Weltkonjunktur nicht erholen, sagt Jörg Beyfuß, vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

Die hohe Volatilität als Ausdruck der allgemeinen Unsicherheit

Auch ein anderes Phänomen scheint betrachtenswert: Die in den vergangenen Wochen auftretende extreme Volatilität der Aktienkurse. Panik beschreibt die Reaktion auf jegliche Ereignisse wohl am ehesten. Ein möglicher Angriff auf den Irak und ein damit verbundener Anstieg des Ölpreises mit der gesamten Palette an Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, lässt die Anleger nicht zur Ruhe kommen.

Aber auch hier ist es eine Vielzahl an Einflussfaktoren, welche die Kurse so heftig ausschlagen lässt. Hauptrisiko bleibt die Unsicherheit der Anleger. Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung und die damit verbundenen Gewinnerwatungen der Unternehmen. Denn ob ein Unternehmen billig oder teuer bewertet ist, hängt letzten Endes davon ab, ob ein Unternehmen seine Gewinnprognosen erfüllen kann. Der 11. September hat hierbei nur indirekte Bedeutung, Ursache und Folge sind schwer zuzuordnen. Jedoch fällt eine deutlich gestiegene Risikoaversion der Anleger auf, sagt David Milleker, Analyst bei der Dresdner Bank.

Die Situation ist nur in ihrer Gesamtheit bewertbar

Das genaue Ausmaß der Anschläge vom 11. September ist angesichts vieler Einflussfaktoren für sich alleine genommen unmöglich zu bewerten. Es erscheint hypothetisch darüber zu spekulieren. Eins wäre jedoch falsch: den 11. September als alleinigen Ursprung der momentanen Situation zu dämonisieren. Der 11. September ist vielmehr aufgrund seiner symbolhaften Bedeutung ein Mosaikstein und nur im verzahnten Zusammenhang sämtlicher Ereignisse beschreibbar.


Die Lehren des 11. September aus Anlegersicht


Unter dem Eindruck der Anschläge des 11. September rauschten die Börsen weltweit in den Keller. Das war abzusehen. Der Schock saß tief. Die Welt erstarrte in Erwartung vor einem Militärschlag der USA. Besonders die Börse, die mit Zukunftserwartungen handelt, litt unter der Unsicherheit.

Als die Wall Street nach den Aufräumarbeiten am Montag den 17. September 2001 wieder eröffnet wurde, verlor der Dow Jones 685 Punkte oder mehr als sieben Prozent. Der Absturz summierte sich innerhalb weniger Handelstage auf 15 Prozent. Das selbe Bild weltweit: Der Deutsche Aktienindex verlor am 11. September beinahe 400 Punkte und damit 8,5 Prozent an Wert. Der Einbruch summierte sich hier sogar auf 19 Prozent.

Nach dem tiefen Fall folgt meist ein steiler Aufstieg

Gingen Volkswirte bereits vor den Terrorangriffen von einer länger anhaltenden Wirtschaftskrise aus, so änderte der 11. September paradoxerweise diese Sichtweise. Einige Tage nach Beginn der Gegenschläge in Afghanistan prognostizierte Stephen Roach, Chefökonom der Investmentbank Morgen Stanley, einen baldigen deutlichen Aufschwung. Dem wirtschaftlichen Beispiel einer starken Erholung nach einer schweren Rezession folgend, erholten sich die Aktienmärkte innerhalb kürzester Zeit von ihren Verlusten. Bereits wenige Wochen nach den Anschlägen waren diese wieder aufgeholt.

Daraus ergibt sich für den Anleger folgendes Bild: Der rasche Wiederanstieg der Kurse - infolge der Einbrüche nach dem 11. September - war aufgrund der panikartigen Verkäufe rückblickend in gewisser Weise vorhersehbar. (Dazu der Link: “Der finale Ausverkauf ist nur schwer zu erkennen“) Hätten Anleger den Mut aufgebracht, antizyklisch während der Verkaufspanik in Aktien zu investieren, wäre ein sattes Plus innerhalb kürzester Zeit möglich gewesen. Allerdings hat dieses Szenario mehrere Schwachstellen: Wäre der Militäreinsatz in Afghanistan weniger reibungslos verlaufen, wer weiß welche Auswirkungen dies auf die Finanzmärkte gehabt hätte.

Ein punktgenaues Treffen der Tiefst- und Höchststände bleibt das andere Problem. Die Aufwärtsbewegung nach den Panikverkäufen hielt nur kurz an, danach wurde der Abwärtstrend, der bereits im März 2000 einsetzte, erneut aufgenommen. Eine ständige Überprüfung der getroffenen Entscheidungen ist daher unbedingt erforderlich.

Lehren für den Anleger

Von dem Anleger wird aufgrunddessen heute eine wesentlich erhöhte Analysebereitschaft gefordert. Deutliche Gewinnzuwächse sind in den volatilen Phasen der vergangenen Monate erheblich schwerer geworden. Gerade für Ereignisse wie den 11. September gilt allerdings, dass Panik ein schlechter Ratgeber ist. „Wenn es ganz düster aussieht, lohnt sich oftmals der Einstieg“, so ein Händler. Der Anleger sollte versuchen eine gesunde Mischung aus antizyklischem Verhalten und der Börsenweisheit “greife nie in ein fallendes Messer“ finden.

Angesichts des anhaltenden Bärenmarktes, für den die Terroranschläge nur im Verbund mit weiteren Negativnachrichten relevant ist, bleibt die Wahl der richtigen Strategie jedoch eine Momentaufnahme. Die Schwierigkeit aktuelle Ereignisse wie den 11. September richtig einzuordnen und daraus resultierende Marktbewegungen vorhersagen zu können, bleibt die Krux im Börsengeschäft.


Schuld ist nicht nur der 11. September


Nur wenige Reisende wollen am kommenden 11. September von Europa aus in die USA fliegen. Vielleicht aus Angst, am Jahrestag der Anschläge auf das Word Trade Center Opfer von neuen Attentaten zu werden. Vielleicht auch nur, weil sie nicht daran erinnert werden möchten, was im Jahr zuvor mit anderen Flugzeuggästen und Besatzungsmitgliedern geschah. Viele Transatlantikflüge jedenfalls fallen am 11. September mangels Nachfrage aus.

Für die Fluggesellschaften eine allzu bekannte Situation. Bereits unmittelbar nach den Anschlägen hatten sie Schwierigkeiten, ihre Tickets für USA-Flüge zu verkaufen. Die Meldungen über Massenentlassungen, Flugzeugverkäufe, Gewinnwarnungen, gestrichene Flüge, abstürzende Börsenkurse und staatliche Subventionen häuften sich nach den Attentaten. Auch die Flugzeugbauer litten: Boeing kündigte Massenentlassungen an, und bei Airbus geriet der Zeitplan für den Bau des Großraumfliegers A380 durcheinander.

Airlines gerieten in die Krise

Die Fluggesellschaften durchlebten nach dem 11. September die schlimmste Krise seit dem Golfkrieg. Das spiegelte sich in den Börsenkursen: Der Standard & Poor's-Airline-Index brach weit stärker ein als der breite Markt, gemessen am Standard & Poor's-500-Index. Heute aber, fast ein Jahr später, notiert der Flug-Index über seinem Stand vom 11. September 2001 - der Marktindex darunter.

Dennoch dauern die Schwierigkeiten an. US Airways stellte mittlerweile einen Insolvenzantrag. Die Muttergesellschaft United Airlines steht kurz davor. Seit den Anschlägen liegen die Buchungszahlungen aller Fluggesellschaften konstant unter Vorjahresnivau. Doch der 11. September ist nicht der Grund der Probleme - er hat die Krise nur verschärft.

Die Krise der Fluglinien ist strukturell bedingt. In den USA hatte sich schon vor den Attentaten abgezeichnet, dass fast alle Fluglinien im laufenden Geschäftsjahr Milliardenverluste machen würden. In Europa hatten Lufthansa und SAS Scandinavian Airlines Gewinnwarnungen herausgegeben. Die Anschläge waren für viele Fluglinien der willkommene Vorwand für Kostenabbau und Entlassungen. Sie verschärften die zuvor schon latente Krise. Heute, zu Zeiten verschärfter Konkurrenz durch Billigflieger, ist die Konsolidierungsphase noch lange nicht abgeschlossen.

Anschläge verschärften Probleme nur

Die Fluggesellschaften sind das Paradebeispiel für eine nach dem 11. September in Turbulenzen geratene Branche. Für fast alle gilt das gleiche: Der 11. September hat ihre Schwierigkeiten allenfalls verschärft, aber nicht ausgelöst. Die Versicherer beispielsweise verkauften kurz nach den Anschlägen, in Bedrängnis geraten durch die Kurseinbrüche und aus Angst vor weiteren Verlusten einen Teil ihrer Aktienpakete. Wie die Banken leiden sie besonders unter der schwachen Konjunktur und Börsenlage.

Doch der Aktienmarkt kränkelte schon vor den Attentaten, und die Konjunktur war schon vorher lahm - vielleicht hätten die Notverkäufe ohne die Anschläge einfach später stattgefunden. Die Krise der Branche wäre allenfalls abgemildert oder verschoben worden. Ähliches gilt für die Reiseindustrie und den Einzelhandel. Auch sie trifft die Konjunkturschwäche und Zukunftsangst schwer. Doch der 11. September hat beide Phänomene nicht verursacht, höchstens verschärft.

Rüstung, Biotech und Internet profitierten kaum

Nicht allen Branchen war nach dem 11. September eine Krise prophezeit worden. Rüstungsbranche, Biotech und Internet könnten profitieren, sagte man. Doch der Optimismus hat sich kaum erfüllt. Die erwartete Auftragsflut für Sicherheitsunternehmen blieb angesichts der rasch abklingenden öffentlichen Aufmerksamkeit und leerer Kassen aus. Die Rüstungsbranche hingegen boomte zwar, zumindest in den USA. Doch auch sie steckt in einer Konsolidierungsphase (siehe Link: Neben Licht auch Schatten), und auch die Rüstungsaktien konnten sich nicht vom allgemeinen negativen Markttrend abkoppeln.

Biotech-Aktien profitierten zwar kurzzeitig von der Hoffnung auf einen Impfstoff gegen Milzbrand. Doch der Effekt verpuffte bald (siehe Link: Milzbrand-Fantasie ist übertrieben). Ähnliches geschah mit Internet-Aktien, die aus der Hoffnung auf die wachsende Bedeutung von Anti-Viren-Programmen keine Kursgewinne machen konnten. Beide Branchen gerieten in den Sog der auf breiter Front fallenden Märkte.

Die Wirkung des 11. September ist also in zweifacher Hinsicht überschätzt worden: Er verschärfte Krisen nur, löste sie nicht aus. Und er konnte Branchen höchstens kurzfristig positiv beeinflussen. Gegen den breiten Trend bewirkten auch die Folgen der Anschläge nichts.


Neuer Terror würde die Börsen kalt erwischen


Mit der zunehmenden Berichterstattung über den Jahrestag drehen sich natürlich auch unweigerlich die Gedanken der Börsianer um diese schrecklichen Ereignisse. Beeinflusst wird das Handeln von diesem Termin derzeit aber nicht.

Das hat in erster Linie damit zu tun, dass kaum jemand ernsthaft an neue Anschläge glaubt. „Ich halte es praktisch für ausgeschlossen, dass es zu Terrorakten kommt“, legt sich beispielsweise Heino Ruland, Stratege beim Finanzdienstleister Steubing, eindeutig fest. Und auch im Gespräch mit Händler wird stets betont, dass neue Anschläge derzeit nicht das große Thema sind. Die jüngsten Meldungen, wonach Osama bin Laden wieder die Kontrolle über die Terrororganisation Al Qaida haben soll, wurden jedenfalls relativ gelassen aufgenommen.

Wichtiger als der Jahrestag seien derzeit die unklaren konjunkturellen Aussichten. Im speziellen Fall von Deutschland würden außerdem manche Anleger vermutlich auch noch durch die kurz bevorstehenden Bundestagswahlen von langfristigen Anlageentscheidungen abgehalten.

Prognosen im Vorfeld zu möglichen Kursreaktionen unseriös

Sollte es entgegen der Erwartungen der Börsianer dennoch zu neuen Anschlägen kommen, dann wäre dies natürlich ein Schock. Aber selbst dann sind sich die Auguren uneinig über die Konsequenzen. Letztlich sei es sogar unlauter, darüber zu diskutieren. Schließlich müsse man für eine einigermaßen seriöse Prognose der Kurswirkungen wissen, um welche Dimensionen es dabei gehe und wie die Reaktion darauf ausfallen.

Vorderhand wäre zunächst eine neue Terrorwelle natürlich als äußerst nachteilig für die ohnehin angeschlagene Konjunktur zu werten. Vor allem das Verbrauchervertrauen dürfte vermutlich einen neuerlichen Knick bekommen. Eine erneute Rezession wäre bei dieser Lesart die naheliegendste Konsequenz.

Krieg bestimmt derzeit nicht das Denken der Börsianer

Doch ganz so einfach lässt sich laut Ruland die Sachlage nicht interpretieren. Nach den Anschlägen im Vorjahr habe die US-Wirtschaft wegen der dadurch ausgelösten Welle des nationalen Stolzes sogar positive Impulse erhalten. Und die diesmaligen Effekte hängen laut Ruland sehr stark von der Dauer der nachfolgenden Gegenmaßnahmen ab. Werde beim dann unweigerlich folgenden Schlag gegen den Irak kurzer Prozess gemacht, könnte dies danach sogar zu einem besseren Konsumklima führen. Ganz im Gegensatz natürlich zu einem lang anhaltenden Krieg, da dies der ohnehin schleppenden Konjunktur schweren Schaden zufügen würde.

Aber wie viele andere Börsianer glaubt auch Ruland derzeit nicht so recht an einen neuen Irak-Krieg. Zum einen sei derzeit wegen der großen Hitze im Irak ohnehin nicht der passende Zeitpunkt und zum anderen werde um das Thema zu viel öffentlicher Lärm gemacht, was bei derartigen Operationen eher untypisch sei, wenn man es wirklich Ernst meinen würde.

Kursausschläge dürften trotzdem volatil bleiben

Doch selbst ohne neuen Terror und ohne einen Irak-Krieg können sich die Börsianer aktuell noch nicht recht wohl in ihrer Haut fühlen. Dafür ist die konjunkturelle Ausgangslage einfach noch zu fragil. Dies bedingt auch, dass die demnächst anlaufende Saison der Gewinnwarungen mit vielen Fragezeichen versehen ist.

Garniert um die Erkenntnis, dass sich die Aktienkurse im Monat September traditionell sowieso oft schwer tun, dürfte dies die Märkte zunächst weiter im Zaum halten. Was sich angesichts dieser schwierigen Lage noch mit der höchsten Wahrscheinlichkeit vorhersagen lässt, ist die Prognose, dass die Kursausschläge bis auf weiteres sehr volatil bleiben werden.


Ein Angriff auf den Irak träfe auch die Finanzmärkte


Wird er angreifen oder nicht? Die Aufmerksamkeit der Teilnehmer am Ölmarkt ist auf US-Präsident George W. Bush gerichtet. Viele halten für wahrscheinlich, dass Bush einen Krieg gegen den Irak beschließen wird - nicht nur wegen der jüngsten Äußerungen seines Vizepräsidenten Dick Cheney. Dieser hatte vor einigen Tagen gesagt, das Risiko der Untätigkeit sei bei weitem größer als das Risiko des Handelns. Der Ölpreis war daraufhin auf ein Elfmonatshoch gestiegen.

Cheney war Verteidigungsminister, als Vater George Bush vor gut zehn Jahren in Kuwait einmarschierte. Hardliner wie er haben in der US-Regierung nach dem 11. September die Oberhand. Seit der Kuwait-Krise darf der Präsident zudem einen Waffengang anordnen, ohne die Einwilligung des Parlaments einzuholen. Das würde dem Sohn George Bush die Entscheidung für einen Angriff zumindest erleichtern. Bis zum Frühjahr 2003 sollte klar sein, was Bush tut, denn in den heißen Sommermonaten hätte eine Invasion des Irak wenig Sinn.

Ein Krieg triebe den Ölpreis in die Höhe...

Ein Krieg um den Irak würde das Ölangebot verknappen und so den Preis in die Höhe treiben. Allein die Sorge davor reicht aus, um das Öl teurer zu machen. Seit Wochen rechnet der Markt eine Risikoprämie von ungefähr fünf Dollar pro Barrel Rohöl in den Preis ein. Diese Kriegs- oder Risikoprämie beziffert die Abweichung der aktuellen Notierung vom als fundamental gerechtfertigt geltenden „fairen Wert“, der für Nordseeöl der Sorte Brent zwischen 20 und 22 Dollar liegt. Nach den Kommentaren Cheneys erhöhte sich die Prämie zeitweise auf über acht Dollar pro Barrel Rohöl.

Kommt es zum Krieg, könnte der Ölpreis weiter anziehen, wie schon während der Kuwait-Krise. Damals schoss der Preis von unter 20 Dollar je Barrel Brent-Öl auf 40 Dollar, als der Irak in Kuwait einfiel. Als die USA ihre „Operation Wüstensturm“ begannen, kostete ein Barrel immer noch über 25 Dollar.

Langfristig hängt die Entwicklung des Ölpreises aber von Kriegsverlauf und -dauer ab. Gewänne die USA die mögliche militärische Auseinandersetzung schnell und käme der Wiederaufbau der Kriegsregion rasch in Gang, könnte die Versorgung der Märkte mit Öl stabiler werden. Der Westen hätte einen leichteren Zugang zum irakischen Erdöl gewonnen. Immerhin besitzt das Land 15 Prozent der Weltreserven, und seine Produktionskosten je Barrel liegen unter einem Dollar. Die gleiche Menge aus sibirischen Böden oder der Nordsee zu fördern, kostet zwischen 16 und 18 Dollar. Der Haken dieses Szenarios: Ein vom Krieg zerstörtes Land wieder aufzubauen, ist mühsam, erst recht in einer ohnehin instabilen Region. Das zeigt sich gerade in Afghanistan.

... ließe die Aktienkurse sinken und könnte den Dollar belasten

Was für den Ölmarkt gilt, gilt auch für die Börse. Ein Angriff auf Bagdad dürfte die Aktienkurse abstürzen lassen wie zu Beginn der Kuwait-Krise. Damals erholten sie sich jedoch wieder, als sich ein Sieg der westlichen Truppen abzuzeichnen begann. Je kürzer und erfolgreicher ein Krieg, desto besser für die Aktienmärkte. Die einzige Ausnahmen könnten Rüstungs- und Energieaktien sein. Ölförderer, deren Bohrfelder nicht im möglichen Kriegsgebiet liegen, und Waffenproduzenten könnten von einem Krieg profitieren. Weil sie derzeit aber ohnehin eher hoch bewertet werden, wären ihre Gewinne begrenzt.

An den Devisenmärkten schließlich könnte der Dollar unter einem Krieg leiden. Es besteht die Gefahr, dass ein Angriff auf Bagdad die Verbündeten der USA in der arabischen Welt verprellt. Und falls sich arabische Kapitalgebern entschieden, ihre Anlagen in den USA in großem Stil zu verkaufen, würde das den Dollarkurs drücken. Auch hier gilt aber: Je schneller und je erfolgreicher die USA einen Krieg beenden könnten und je besser der Wiederaufbau der betroffenen Region funktioniert, desto eher käme der Devisenmarkt wieder ins Gleichgewicht.

Kriege zahlen sich nicht aus

Das trifft auf die Finanzmärkte insgesamt zu. Das hat einen realwirtschaftlichen Hintergrund: Kriege zahlen sich für eine Volkswirtschaft nicht aus. Zwar können die mit ihnen verbundenen Rüstungsausgaben die Konjunktur ankurbeln, wie während des zweiten Weltkriegs, als die USA im Durchschnitt um mehr als sieben Prozent jährlich wuchsen. Doch der Nachfrageschub wird konterkariert durch das unsicher werdende Geschäftsumfeld, zurückhaltende Konsumenten und eine steigende Staatsverschuldung. In den Kriegsgebieten kommt dazu noch die Last des Wiederaufbaus.

Ähnliche Negativeffekte hat, zumindest in Ansätzen, bereits der 11. September hervorgerufen. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center wurden die staatlichen Ausgaben für Sicherheit erhöht. Das ohnehin beschädigte Vertrauen von Geschäftsleuten und Verbrauchern in die Wirtschaft litt, die Konjunktur wurde noch stärker gedämpft.

Im Gegensatz zum Kuwait-Krieg könnte sich aber diesmal die Hoffnung des US-Präsidenten auf einen schnellen, problemlosen Sieg nicht erfüllen. George Bush Vater zählte bei der „Operation Wüstensturm“ auf die breite Unterstützung anderer Länder und war zudem durch eine Uno-Resolution legitimiert. Sein Sohn erntet - zumindest außenpolitisch - für seine Kriegspläne Kritik von allen Seiten. Scheiterte er im Krieg oder beim Wiederaufbau, militärisch oder politisch, müssten auch die Märkte die Konsequenzen tragen.


Gruß
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Konsequenzen für die Wirtschaft (1)

 
11.09.02 14:05

Der Kampf um eine neue Normalität



Alberico Campana ist einer von denen, die vorsichtig geworden sind. Vor sechs Monaten hätte sein drittes Restaurant öffnen sollen, unten in Tribeca, wenige Häuserzüge von den Absperrungen um das ehemalige World Trade Center entfernt. Noch im letzten Dezember, drei Monate nach den Terroranschlägen, hielt er unerschütterlich an seinen Plänen fest. Der Rohbau war fertig, die Inneneinrichtung bestellt. Doch dann blies er die Renovierung ab. “Wir warten erst mal, wie es mit der Wirtschaft weitergeht“, sagt er.

Campana ist im großen New York ein kleiner Fisch, doch er ist typisch für Unternehmer jeder Größenordnung in diesen Tagen, ein Jahr nach den Terroranschlägen. Der erste trotzige Patriotismus ist verflogen, der Konjunkturaufschwung lässt auf sich warten, die großen Finanzhäuser bauen weiter Arbeitsplätze ab - kein gutes Klima für Investitionen.

Das bekommt vor allem der Finanzdistrikt im südlichen Manhattan zu spüren, dessen Symbol das World Trade Center war. Zwar hetzen schon seit vielen Monaten wieder scharenweise Angestellte in Anzug und Kostüm durch die engen Straßen zwischen den Wolkenkratzern, sind die Fähren aus den Wohngebieten von New Jersey gut besetzt, doch die Bürgersteige sind zur Stoßzeit leerer als früher, die Schlangen bei den Sandwich-Verkäufern kürzer.

Viele Mieter sind zurückgekehrt

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 vernichteten in Lower Manhattan, wie die Südspitze der Insel rund um die Wall Street heißt, mehr als 100.000 Arbeitsplätze und 1,5 Millionen Quadratmeter Büro- und Ladenfläche. Weitere eine Million Quadratmeter Bürofläche im nahe gelegenen World Financial Center war so stark beschädigt, dass die Gebäude monatelang renoviert werden mussten.

Inzwischen sind viele Mieter wieder in diese Häuser, die direkt neben dem World Trade Center standen, zurückgekehrt. Als erster großer Mieter kam im Februar Merrill Lynch, im Mai folgte American Express, im Juni das Wall Street Journal. Alle haben allerdings weniger Angestellte in Lower Manhattan als zuvor. “Wir haben uns entschieden, einen Teil unserer Operationen dezentral weiterzuführen“, sagt ein American Express-Sprecher. Die Firma liegt im Trend: In einer Umfrage der New Yorker Handelskammer gaben 70 Prozent der befragten Unternehmen an, ihr Geschäft künftig stärker geographisch aufzuteilen, um besser gegen Anschläge gerüstet zu sein.

Auch Wirtschaftsskandale belasten

Die Wirtschaftsvereinigung New York City Partnership schätzt, dass bis Ende 2003 erst 40.000 der verlorenen Arbeitsplätze zurückgekehrt sein werden. Denn außer den Terroranschlägen und ihren Folgen setzen dem Finanzdistrikt auch die Talfahrt der Börsen und die Wirtschaftsskandale in den USA zu. Die großen Banken bauen Tausende von Stellen ab, während viele kleine Geschäfte, die von der Laufkundschaft der Angestellten leben, ganz schließen.

Zwar gibt es eine ganze Reihe von Förderprogrammen, um Unternehmen in Lower Manhattan zu halten. Doch die Resonanz ist verhalten. “Lower Manhattan hat wirtschaftlich einen schweren Rückschlag erlitten, tausende von kleinen und mittleren Unternehmen tragen die volle Wucht“, sagt Kathryn Wylde, Vorsitzende von New York City Partnership. Unternehmen, die für sich keine Zukunft sehen, beantragen auch keine Unterstützung.

Tourismus rückläufig

Der Tourismus ist trotz des Besucherandrangs an “Ground Zero“, der Brachfläche, auf der das World Trade Center stand, kein Ausgleich. Nach dem 11. September ging die Zahl der Besucher stark zurück und erholte sich viele Monate lang nicht. Erst seit dem Frühjahr nähert sich der Touristenstrom wieder annähernd dem Niveau früherer Jahre. Doch die meisten Besucher bleiben statt einer Woche nur wenige Tage und geben daher weniger Geld aus. In der Gegend rund um Ground Zero verweilen die wenigsten. “Außer der Baugrube gibt es hier ja nicht viel“, sagt achselzuckend eine spanische Touristin.
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Konsequenzen für die Wirtschaft (2)

 
11.09.02 14:08

Weltweite Wohlfahrtsverluste


Schon kurz nachdem der zweite Zwillingsturm zusammengefallen war, gingen die Schadensberechnungen los - war der Anschlag auf das World Trade Center der größte Versicherungsfall in der Geschichte? Wie hoch sind die Schäden für New York? Ein Jahr nach der Tragödie wird immer noch gerechnet.

Während bei den unmittelbaren Folgen der Attacken mittlerweile einigermaßen Klarheit besteht - Ansprüche an Versicherungen liegen vor, sinkende Fluggastzahlen führten zu ersten Pleiten in der amerikanischen Flugbranche, New York legte kürzlich einen umfassenden Schadensbericht vor -, sind die mittelbaren Kosten viel schwieriger zu berechnen. Natürlich ahnten die Experten, dass die Angst vor weiteren Anschlägen, aber auch die Gefahr eines Krieges zu einer Zurückhaltung der Konsumenten führen würde. Doch um wieviel Prozent drückte das gesunkene Verbrauchervertrauen das Volkseinkommen?

Nachfrageschock und Produktivitätseinbußen

Wie sich die Terroranschläge nicht nur auf die amerikanische Konjunktur, sondern auf die gesamte Weltwirtschaft auswirkten, hat nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) zusammen mit internationalen Wissenschaftlern versucht zu kalkulieren. In ihren Untersuchungen kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die direkten Schäden „nur“ 0,1 Prozent des gesamten nationalen Vermögens vernichteten. Im Vergleich zum Erdbeben 1995 im japanischen Kobe (2,5 Prozent) oder dem Wirbelsturm Andrew 1992 (mehr als ein Prozent) also ein überschaubarer Betrag.

Doch weitaus folgenschwerer waren die indirekten Effekte. Dazu gehörten neben dem schon angesprochenen Nachfrageschock die Folgen der massiven zusätzlichen Sicherheitsausgaben. Laut DIW führten die Erhöhung der Sicherheitsaufwendungen in der amerikanischen Wirtschaft zu einer Senkung der Arbeitsproduktivität um 1,12 Prozent. Für sich genommen entspräche das einem Verlust für das amerikanische Bruttoinlandsprodukt von 70 Milliarden Dollar im Jahr. Allerdings räumen die Wissenschaftler ein, dass effizienzsteigernde Maßnahmen wie der Einsatz neuer Technologien die Produktivität wieder erhöhen könnten.

Erhöhte Transaktionskosten

Auf internationaler Ebene führen die verstärkten Sicherheitsbemühungen zu erhöhten Transaktionskosten. Als Transaktionskosten gelten alle Aufwendungen, die rund um den Tausch von Gütern und Dienstleistungen anfallen. Diese erhöhten sich nach den Berechnungen der Wissenschaftler aufgrund der Terroranschläge weltweit um rund einen Prozentpunkt des gehandelten Warenwertes.

Absolut betrachtet entstanden laut DIW die höchsten Wohlfahrtsverluste in Westeuropa, Nordamerika und Nordasien. Die Wohlfahrtsverluste seien absolut gesehen in Südasien, Nordafrika und im Nahen Osten zwar geringer, fielen dort aber im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt stärker ins Gewicht. Nicht zuletzt die hohe Importabhängigkeit in diesen Regionen verstärke die Wirkung.

Ausgleichende Wachstumsimpulse

Insgesamt ergebt sich nach DIW-Kalkulationen eine Abnahme des Weltbruttosozialproduktes um rund 75 Milliarden Dollar, was 0,24 Prozent des Wertes aus dem Jahr 2001 entspricht. Um die Beeinträchtigungen zu kompensieren, müssten nach Auffassung der Wissenschaftler weltweit ausgleichende Wachstumsimpulse geschaffen werden. Dazu gehörten auch ein beschleunigter Abbau von Handelsbarrieren bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation. Dies dürfte auch Entwicklungsländer motivieren, die ursprüngliche Anti-Terror-Koalition weiter zu unterstützen.
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Konsequenzen für die Wirtschaft (3)

 
11.09.02 14:13

Unsicherheit bei den Versicherern


Der versicherte Schaden des Anschlages auf das World Trade Center könnte bis zu 60 Milliarden US-Dollar kosten. Jüngste Zahlen sprechen von 45 Milliarden Dollar, was rund einem Drittel des Eigenkapitals der globalen Rückversicherungswirtschaft entspricht, schreibt Kai-Uwe Schanz von der Swiss Re in der jüngsten Ausgabe der “Versicherungswirtschaft“. Zusammen mit den massiven Kursverlusten an den Börsen dürfte die Branche weltweit 100 Milliarden Dollar verloren haben. Zugleich wurden bis Ende vergangenen Jahres aber auch mehr als 20 Milliarden Dollar investiert, da Investoren erhebliche Prämienerhöhungen in der Erst- und Rückversicherungswirtschaft erwarten, stellt Schanz fest.

Zeitgleich zu den Terroranschlägen tagte die Branche zufälligerweise bei der traditionellen Erneuerungsrunde in Monte Carlo. Die Versicherer begannen die Sparten Industrie, Feuer und Kraftfahrt zu sanieren. Diese Bereiche waren seit Mitte der neunziger Jahre defizitär. Die Terroranschläge beschleunigten nun den Reformtrend. Der Schaden hat weltweit die Versicherungskapazitäten verknappt. Aus Angst vor Insolvenzen sind bei Erst- wie Rückversicherern nur noch erste Bonitäten gefragt. Zudem verstärkte die Talfahrt an den Börsen die Notwendigkeit, im Kerngeschäft Geld zu verdienen. Allerdings stieg der Bedarf nach Absicherung.

Preise und Bedingungen ändern

Der zunächst erwartete Deckungsnotstand für die Industrie ist nicht eingetreten“, sagt Gerhard Heidbrink, Vorstand beim HDI Haftpflichtverband der Deutschen Industrie. “Aber die Versicherungsprämien sind deutlich teurer geworden. Während in früheren Sanierungsphasen die Preise um jährlich 15 bis 20 Prozent angehoben wurden, waren es diesmal drei bis vier Prozentpunkte mehr.“ Ein Ende der Teuerung ist noch nicht in Sicht: Die Münchener Rückversicherung rechnet mit weiteren Preiserhöhungsrunden in den nächsten zwei bis drei Jahren.

Freilich könne man nicht allein über den Preis sanieren, sondern müsse auch die Bedingungswerke für die Verträge wieder einschränken, fordert Arno Junke, der bei der Kölnischen Rückversicherung das Deutschlandgeschäft leitet. So genannte Allgefahren-Deckungen ließen sich eben nicht kalkulieren.

Den Staat ins Boot geholt

Für das Terrorismusrisiko hat sich auch in Deutschland die Branche den Staat ins Boot geholt: Extremus haftet für Sachschäden und Betriebsunterbrechungen bis insgesamt 13 Milliarden Euro jährlich. Die ersten drei Milliarden Euro Deckungssumme bringt die Versicherung auf, für den Rest haftet der Staat.

Auch für die Verluste aus der rasanten Börsentalfahrt fand die Branche Hilfe beim Staat: Fast über Nacht wurden die Bilanzierungsrichtlinien für Wertpapiere dahingehend geändert, dass Aktien, die dauerhaft gehalten werden, nicht mehr abgeschrieben werden müssen, wenn der Wertverfall als vorübergehend gilt. Damit habe man im Herbst letzten Jahres den Verkaufsdruck von den Börsen genommen, sagt Gabriele Hoffmann, Sprecherin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Bei vielen Gesellschaften sind die Kursverluste wegen eingetretener operativer Probleme allerdings nicht mehr vorübergehend. Hier zeigt sich die Branche geschlossen: Statt der Übernahme einzelner Schieflagen von Fall zu Fall wurde schnell ein Poollösung auf den Weg gebracht, in der man die Verträge weiterführen will.  
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Konsequenzen für die Wirtschaft: Airlines

 
11.09.02 14:15

Absturz auf Raten


Ein Jahr nach den Attentaten vom 11. September stecken viele Airlines tiefer in den roten Zahlen als je zuvor. Die sechstgrößte amerikanische Fluggesellschaft US Airways fliegt seit kurzem unter Gläubigerschutz. United Airlines, Nummer zwei in den USA, droht bald dasselbe Los, sollte sie die Kosten nicht senken können. Zusammengebraut hatte sich der schwer verdauliche Mix aus Überkapazitäten, hohen Lohnkosten und unrentablem Betrieb bereits vorher. Die Luftfahrtkrise nach dem 11. September hat die Schwierigkeiten, die sich seit längerem in der Branche abzeichneten, lediglich verstärkt und damit offensichtlich gemacht.

Über Jahre haben viele Fluglinien ausgedehnte Netzwerke mit verschiedenen Drehkreuzen aufgebaut und ihr Personal aufgestockt. Schon vor den Anschlägen waren bei amerikanischen Airlines Milliardenverluste absehbar. Auch die Lufthansa machte drei Monate vor den Anschlägen ihre Aktionäre darauf aufmerksam, dass das Jahr weniger erfolgreich als geplant verlaufen werde. Mit der belgischen Sabena und der Swissair kollabierten schließlich zwei Gesellschaften, die  - unabhängig vom 11. September - schon lange nicht mehr rentabel wirtschafteten.

Konjunkturflaute, Konkurrenzdruck und weniger Geschäftsreisen

Auch wenn die Nachfrageeinbrüche nach dem 11. September langsam zurückgehen, zwingen die anhaltende Konjunkturflaute, der hohe Konkurrenzdruck und der Rückgang bei den Geschäftsreisen, die im Technologieboom der späten Neunziger für einen gewaltigen Schub gesorgt hatten, die Fluggesellschaften zu weiteren Anpassungen. Die Flotte der Lufthansa zählt heute mit 194 Flugzeugen 20 weniger als vor einem Jahr. Doch die Lufthansa, die im vergangenen Jahr mit 600 Millionen Euro erstmals einen Verlust eingeflogen hatte, ist drauf und dran, sich zu erholen und 2002 wieder Gewinn zu machen. Auch British Airways, die größte Airline Europas, hat nach dem ersten Verlustjahr seit ihrer Privatisierung mit dem Abbau von 13.500 Stellen wohl den Umschwung geschafft und zum Halbjahr gute Zahlen vorgelegt.

Die Branche steht vor einer weiteren Bereinigung, allesamt schrauben die Airlines beharrlich an den Kosten. Die fünf größten US-Fluglinien wollen in diesem Jahr ihre Kapazitäten nochmals um bis zu 14 Prozent kürzen. American Airlines, die direkt nach den Attentaten die Entlassung von 20.000 Mitarbeitern bekannt gab, streicht nochmals 7.000 Stellen; Delta hat die Lieferung von neuen Maschinen verschoben. Auch die Flugzeugbauer sind von der Luftfahrtkrise hart getroffen. 30.000 Mitarbeiter mussten beim Weltmarktführer Boeing gehen. Aufträge aus Rüstung und Raumfahrt sollen die Verluste in der zivilen Luftfahrt wettmachen.

Passagiere müssen sich umstellen

Beim Kampf um Passagiere rücken die Konkurrenten näher zusammen: US Airways und United an, kündigten an Flüge zusammenzulegen, kurz darauf beschlossen auch Delta, Continental und Northwest ein Code-Sharing und das gemeinsame Sammeln von Vielfliegermeilen. Auch beim Ausstellen der Tickets müssen sich Passagiere in den USA demnächst umstellen. Um Kosten zu senken, stellen einige Gesellschaften auf papierlose Etix-Tickets um. Flugscheine aus Papier kosten bis zu 25 Dollar Aufpreis. Auch das so genannte Upgraden in die nächsthöhere Klasse wird teurer, die Bedingungen für den Umtausch strenger, kostenlose alkoholische Getränke fallen auf Transatlantikflügen weg. Profitabel arbeiten in den USA allein die Billigflieger, die derzeit auch den europäischen Markt in Aufruhr bringen.

Bis nach Asien reichen die Folgen des 11. September für die Luftfahrt: Thai Airways, Cathay Pacific aus Hongkong und Korean Air Lines haben in den vergangenen Monaten konsequent Kapazitäten gestrichen und Gehälter gekürzt. Jetzt sprechen die asiatischen Flieger bereits wieder von zweistelligen Zuwachsraten bei den Überschüssen.
Happy End:

Versicherung gegen das Unkalkulierbare

 
11.09.02 14:17
Terrorschäden sind versicherbar, einschätzbar sind sie aber nicht. Die Versicherungswirtschaft hat sich auf diese undankbare Situation eingestellt: Niemand weiß, was in den Gehirnen von Terroristen vorgeht, niemand mag sich ausmalen, welche Art von Anschlägen denkbar sind. Eine Kalkulation solcher Risiken ist für Versicherungsmathematiker unmöglich.

Vor den Terroranschlägen in den USA galten diese Risiken in der westlichen Industriegesellschaft als vernachlässigbar. Sie waren durch die normale Haftpflicht- und Feuerversicherung abgedeckt. Nach dem 11. September 2001 musste man diese Sichtweise revidieren. Reihenweise wurde der Versicherungsschutz aufgekündigt, um die Risiken neu zu taxieren.

Spezialversicherer für Deutschland

Mittlerweile hat sich die Industrie dazu entschlossen, Terrorschäden an Sachanlagen wie Büros und Produktionsstätten unter neuen Bedingungen zu versichern. In Deutschland wurde am 3. September 2002 mit der Extremus AG ein Spezialversicherer von Terrorschäden gegründet, der in Kürze, nachdem die Bundesanstalt für Finanzaufsicht BAFin ihren Segen gegeben hat, seine Arbeit aufnehmen wird. Rund 40 Versicherer beteiligen sich an Extremus; versichert werden Terrorschäden von bis zu drei Milliarden Euro im Jahr. Die Maximalentschädigung pro Einzelrisiko liegt bei 1,5 Milliarden Euro. Einzig für Fluggesellschaften bestehen Sonderregelungen.

Über die Höhe der Prämien besteht noch Uneinigkeit. Die Exponiertheit der Gebäude und die Höhe der Wertkonzentration sind die entscheidenden Indikatoren. „Wichtig ist auch, ob die für diese Schäden zu bildenden Rückstellungen von der Steuer befreit werden“, sagt Gabriele Hoffmann, Pressechefin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV. Solche Steuerbefreiungen sind in Ausnahmefällen, zum Beispiel beim Rückstellungspool für Schäden der Atomkraftwirtschaft, möglich.

Gewisse Beitragshöhe nötig

Von der Höhe der Prämie wird auch abhängen, wie die Industrie das Angebot annimmt. Rund 300 Millionen Euro an Beiträgen, so die Vorgabe, würden benötigt, damit Extremus effizient wirtschaften könne.

Extremus versichert Terrorgroßschäden, die über 25 Millionen Euro betragen. Kleinrisiken, die darunter liegen, sind durch den gängigen Versicherungsschutz über Haftpflicht-, Feuer- und Gebäudeversicherung abgedeckt und bedürfen keiner Zusatzversicherung. Der Staat übernimmt zusätzliche Haftungsgarantien für Fabriken und Anlagen in Höhe von zehn Milliarden Euro. Insgesamt stehen also pro Jahr 13 Milliarden Euro zur Abdeckung von Großschäden durch Terroranschläge zur Verfügung.

Mehr Staatshaftung in anderen Ländern

In anderen Staaten gehen die staatlichen Garantien für Terrorschäden weiter als in Deutschland. In Großbritannien besteht für Sach- und Folgeschäden durch terroristische Angriffe für gewerbliche und industrielle Risiken bereits seit 1993 der „Pool Re“. Diese Rückversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit ist Eigentum der freiwillig teilnehmenden Mitgliedsversicherer; der Staat übernimmt per Retrozessionsvertrag (die Risikoabsicherung wird hier durch ein strukturiertes Finanzprodukt finanziert) die Rolle des Rückversicherers „in letzter Instanz“.

In Spanien gibt es aufgrund der langjährigen Erfahrung mit terroristischen Anschlägen durch die baskische Autonomiebewegung ETA bereits seit vielen Jahren eine in die Versicherungswirtschaft integrierte Spezialorganisation für Katastrophenschäden. Die staatliche „Consorcio de Compensacion de Seguros“ ist beim spanischen Wirtschaftsministerium angesiedelt.

USA noch ohne Regelung

Der französische Staat hat als Reaktion auf die Terrorattacken des vergangenen Jahres zum 1. Januar 2002 einen Terrorismus-Pool (GAREAT) gegründet. Alle französischen Versicherer sind verpflichtet, sich daran zu beteiligen, die Staatshaftung ist unbegrenzt.

Dem gegenüber hat die US-Regierung trotz zahlreicher verschiedener Gesetzesinitiativen bisher noch keine abschließende Regelung getroffen, mit der Folge, dass die gewerbliche Bauwirtschaft immer öfter Aufträge aufschiebt oder ganz zurückzieht. Der Grund: Die kreditgebenden Banken verlangen von den Investoren als Sicherheit eine Terrorschadenversicherung, die diese nicht beibringen können.
Happy End:

Schulden für das Vaterland

 
11.09.02 14:19
Konjunkturprogramme sind Teufelszeug, könnte man meinen, wenn man die Reaktionen hiesiger Ökonomen auf entsprechende Vorschläge zur staatlichen Ankurbelung der müden deutschen Wirtschaft liest. Anders sieht die Lage in Amerika aus: Als George W. Bush kurz nach dem 11. September ein milliardenschweres Aufbauprogramm in Aussicht stellte, ging etwaige Kritik schnell in der Aufwallung patriotischen Überschwangs unter.

Zwar fiel das Programm nach zähen politischen Verhandlungen mit dem Kongress mit einem Volumen von 51 Milliarden Dollar letztlich deutlich geringer aus, als ursprünglich von Bush gefordert, doch die Details deuten auf einen veränderten wirtschaftspolitischen Kurs der Regierung. Dabei mag Bushs Entscheidung, marode Fluggesellschaften durch günstige Kredite am Leben zu halten und Staatshilfen zum Wiederaufbau von Lower Manhattan zu bewilligen, ebenso wie die um 20 Prozent erhöhten Verteidigungsausgaben angesichts der besonderen Lage noch verständlich sein. Doch mehr verwundert, dass Bush wenige Hemmungen zeigte, seine Maßnahmen auf Pump zu finanzieren, wodurch das amerikanische Budget erstmals seit vier Jahren wieder ein Defizit auswies.

Defizite bis 2010

Der Staatshaushalt war durch die Ereignisse des 11. September ein wenig in den Hintergrund geraten - wer wollte sich angesichts der nationalen Aufbau- und Verteidigungsanstrengungen kleinkarierte Gedanken um die Balance von Einnahmen und Ausgaben machen. Schon im Sommer 2001 hatte sich angesichts besorgniserregend niedriger Steuereinnahmen ein Defizit im Budget abgezeichnet. Bush hatte sein Wahlversprechen einer spürbaren Steuererleichterung umgesetzt, sich jedoch zu wenige Gedanken um die Gegenfinanzierung gemacht.

Dennoch staunte das Ausland nicht schlecht, als die USA im Mai 2002 kurz vor dem Staatsbankrott standen, weil der Kongress in Washington sich zunächst weigerte, die Verschuldungsgrenze zu erhöhen. In diesem Jahr wird nun ein Defizit von immerhin 165 Milliarden Dollar erwartet. Allen Beteuerungen der Regierung zum Trotz rechnet die Investmentbank Goldman Sachs mit Haushalts-Fehlbeträgen von deutlich über 100 Milliarden Dollar jährlich bis zum Ende des Jahrzehnts.

An kaum einer Stelle wird der wirtschaftspolitische Unterschied zwischen Bush und seinem Vorgänger so augenscheinlich wie bei einem Blick auf das Budget. Zu den wenigen unumstrittenen Erfolgen der Clinton-Administration gehört, die langjährigen Defizite in Überschüsse umgewandelt zu haben. Während Clinton zum Ende seiner Amtszeit noch glaubhaft versichern konnte, Amerika werde bis zum Jahr 2012 völlig schuldenfrei, ist dieses Ziel unter Bush in weite Ferne gerückt. Verkehrte Welt: Hieß es noch zum Amtsantritt von Clinton im Jahr 1992, Demokraten könnten nicht mit Geld umgehen und stünden für eine Ausweitung der Staatsaktivitäten, scheint sich nun Bush den Ruf eines Schuldenmachers und populistischen Interventionisten einzuhandeln.

Sporadischer Protektionismus

Denn auch in den Monaten nach den Terroranschlägen griff Bush beherzt in die Wirtschaft ein, wenn dies seinen politischen Zielen entgegenkam. Auf besondere Verwunderung auch im eigenen Land stieß dabei seine Entscheidung, die einheimische Stahlindustrie durch eine drastische Erhöhung der Zölle vor ausländischen Produkten zu schützen. Hier war plötzlich ein waschechter Protektionist am Werk.

Natürlich hatte sich auch schon zuvor die Freihandelsrhetorik von Amerikanern wie von Europäern oft genug als reine Sonntagsrede herausgestellt, doch selten hat ein Industrieland in jüngerer Zeit so offenkundig gegen Handelsvereinbarungen verstoßen. Da muteten die Worte von Finanzminister Paul O´Neill in einem kurze Zeit später gegebenen Interview wie blanke Ironie: „Die USA gehen immer noch von dem Ideal einer Welt ohne Handelsbarrieren aus.“ Nachdem Bush einmal diesen Weg eingeschlagen hatte, passte es ganz gut, dass er en passant noch die Agrarsubventionen für die amerikanischen Landwirte in den kommenden sechs Jahren um 70 Prozent auf 173,5 Milliarden Dollar ausweitete.

Verstaatlichung und Regulierung

Auch an anderer Stelle zeigt sich Bush als wesentlich staatsgläubiger als etwa sein Vorgänger - auch wenn es sich oft nur um eine notwendige Korrektur von liberalen Exzessen handelt. Während Clinton noch privatisierte und deregulierte - etwa im Bereich der Telekommunikation -, verstaatlichte Bush nach dem 11. September die Flughafensicherheit und sorgte mit seinem 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung von Bilanztricksereien für eine Stärkung staatlicher Aufsichtsbehörden und eine größere Rechenschaftspflicht von Managern und Wirtschaftsprüfen.

Sicher eine wichtige Maßnahme, um das Vertauen der Anleger zu stärken, doch Kritiker befürchten, Bush könnte überregulieren. „Es ist nicht auszuschließen, dass die Politik über das Ziel hinausschießt“, warnt Janet Yellen, ehemalige Wirtschaftsberaterin von Clinton.

Konzeptlos

Bei allen sporadischen Eingriffen seit dem 11. September, trotz der zunehmenden Regulierung und den verschiedenen Konjunkturprogrammen wollen allerdings viele Kritiker noch nicht von einer „Wende in der Wirtschaftspolitik“ reden. Denn dazu müsste es überhaupt erst ein stringentes Konzept geben, was aber weitgehend vermisst wird.

Mitte August veranstaltete der Präsident auf seiner Ranch in Texas ein Wirtschaftsforum und lud dazu unter anderem einen Postboten, einen Müllmann und eine Kellnerin ein. Er wolle eben aus allen Lebensbereichen Empfehlungen für seine Wirtschaftspolitik bekommen, begründete Bush die Anwesenheit der ungewöhnlichen Berater. Nicht völlig überraschend blieb das Resultat der Konferenz enttäuschend, so dass die „Süddeutsche Zeitung“ anschließend spotten konnte: „Der Wirtschaftsgipfel als Gipfel der Hilflosigkeit.“ Auch wenn das ein wenig über das Ziel hinausschießt, zeichnet sich die Bush-Administration ein Jahr nach dem 11. September nicht durch eine stringente Wirtschaftspolitik aus.
Dr.UdoBroem.:

Happy der 2-Minutenrhythmus ist gut!

 
11.09.02 14:21
Soll ich den 15.000-Gratulatinsthread schon mal vorbereite?

Die Finanzmärkte nach dem 11. September 780348mitglied.lycos.de/ArbeiterX/Dr1.jpg" style="max-width:560px" >
Happy End:

Ich dachte, der wäre schon fertig?!?!

 
11.09.02 14:27
Happy End:

Warten auf Bush und Greenspan

 
12.09.02 11:52
NEW YORK. Solidarität ist schön, hört aber auf, wenn es um Bares geht. Dass die US-Märkte am Mittwoch kletterten, und dass Investoren so ein Zeichen setzten, das nach „Amerika ist wieder stark“ klang, das sah gut aus – doch dass die Kurse am Nachmittag einbrachen und die großen Indizes den Handel im Minus beendeten, das war nicht wirklich überraschend.

Denn was die Notenbank Fed in ihrem „Beige Book“ festgehalten hat, das klang nicht nach „Amerika ist wieder stark“, sondern vielmehr nach „Sorry, ich glaube wir brauchen noch ein bisschen Zeit“. Und genau das wollten Anleger nicht hören. Nach den Terroranschlägen und einem Quartal mit Negativ-Wachstum im Bruttoinlandsprodukt hatte man solides Wachstum für spätestens Jahresende prophezeit, und es sieht nicht so aus, als wäre das noch zu schaffen.

Auch lässt das „Beige Book“ erahnen, was Fed Chairman Alan Greenspan am Donnerstag sagen wird, wenn er vor dem Finanzausschuss des Kongress eine aktualisierte Einschätzung zur US-Konjunktur gibt. Vieles deutet darauf hin, dass die Notenbank eine weitere Zinssenkung in spätestens drei Monaten plant – eingepreist wäre sie für Dezember –, und das trifft den Markt umso härter, als man doch im Juli noch über eine eventuelle Anhebung der Zinsen spekuliert hatte.

Nicht nur Greenspans Rede zur Konjunktur wird mit Spannung erwartet. Am New Yorker Vormittag wird US-Präsident George W. Bush vor den Vereinten Nationen sprechen. Man rechnet mit einer klaren Aussage zum Irak-Konflikt und fürchtet die Ankündigung eines militärischen Schlages gegen die Wüsten-Diktatur. Ein solcher dürfte sich zwar auf einige Bereiche der US-Wirtschaft förderlich auswirken, er könnte aber erneut die Stimmung an der Wall Street trüben und für marktbreite Kurseinbrüche sorgen.
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