Der 11. September wird in seinen Börsen-Folgen überschätzt
Der Ökonom Paul Krugman sagte, als die Welt noch unter dem Schock der Anschläge stand, dass der 11. September, verglichen mit anderen Ereignissen, in seinen Folgen überschätzt wird.
Das war provokant. Und dennoch: Die Weltwirtschaft befand sich bereits in einer latenten Krise. Das wissen wir aufgrund von revidierten Wirtschaftsdaten heute besser als damals. Die Aktienkurse sanken bereits seit über einem Jahr. Mehr als eine Millionen Amerikaner hatten seit dem Platzen der High-Tech-Blase ihre Arbeit verloren und auch in Europa begann der bis heute immer noch andauernde Abbau von Überkapazitäten. Doch bis zum 11. September fehlte das eine Ereignis, der allumfassende Schock, woran man die Krise fest machen konnte. Insofern ist der 11. September durchaus ein Ereignis, das einen rigiden Einschnitt symbolisiert.
Der 11. September als Katalysator verschiedener Ereignisse
Aber erst durch das Zusammenspiel unterschiedlichster Faktoren ist die momentane Situation zu erklären. Es ist fahrlässig, den 11. September unabhängig von Bilanzierungsskandalen à la Enron, der brisanten Situation in Südamerika, oder den reduzierten Wachstumserwartungen zu betrachten. Stefan Schneider, zuständig für Macro-Trends bei der Deutschen Bank, spricht daher zurecht von einer Katalysatorfunktion, die der 11. September einnimmt.
Unbestreitbar ist hingegen, dass - eingeleitet durch die Anschläge - ein grundlegender Wechsel in der Wirtschaftspolitik stattfand. Das massive Gegensteuern der Geld- und Fiskalpolitik in Amerika und - wenn auch in geringerem Umfang - Europa, hat die fundamentale Situation in der sich die Weltwirtschaft befand, entscheidend verändert. Das wurde von vielen Volkswirten, die ihre Wachstumsprognosen deutlich reduzierten, nicht in dem Maße vorhergesehen, meint Schneider.
Amerika nahm hier wie so oft wieder einmal die Vorreiterrolle ein. Es entdeckte den Staat als Wirtschaftsakteur neu. Die republikanische Regierung machte in weniger als zwei Jahren aus einem milliardenschwerden Überschuss ein Defizit. Trotzdem konnte, nach einem heftigen, aber kurzen Anstieg, ein erneutes Absinken der Wirtschaftsleistung nicht verhindert werden. Ohne eine Erholung der USA wird sich aber auch die Weltkonjunktur nicht erholen, sagt Jörg Beyfuß, vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Die hohe Volatilität als Ausdruck der allgemeinen Unsicherheit
Auch ein anderes Phänomen scheint betrachtenswert: Die in den vergangenen Wochen auftretende extreme Volatilität der Aktienkurse. Panik beschreibt die Reaktion auf jegliche Ereignisse wohl am ehesten. Ein möglicher Angriff auf den Irak und ein damit verbundener Anstieg des Ölpreises mit der gesamten Palette an Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, lässt die Anleger nicht zur Ruhe kommen.
Aber auch hier ist es eine Vielzahl an Einflussfaktoren, welche die Kurse so heftig ausschlagen lässt. Hauptrisiko bleibt die Unsicherheit der Anleger. Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung und die damit verbundenen Gewinnerwatungen der Unternehmen. Denn ob ein Unternehmen billig oder teuer bewertet ist, hängt letzten Endes davon ab, ob ein Unternehmen seine Gewinnprognosen erfüllen kann. Der 11. September hat hierbei nur indirekte Bedeutung, Ursache und Folge sind schwer zuzuordnen. Jedoch fällt eine deutlich gestiegene Risikoaversion der Anleger auf, sagt David Milleker, Analyst bei der Dresdner Bank.
Die Situation ist nur in ihrer Gesamtheit bewertbar
Das genaue Ausmaß der Anschläge vom 11. September ist angesichts vieler Einflussfaktoren für sich alleine genommen unmöglich zu bewerten. Es erscheint hypothetisch darüber zu spekulieren. Eins wäre jedoch falsch: den 11. September als alleinigen Ursprung der momentanen Situation zu dämonisieren. Der 11. September ist vielmehr aufgrund seiner symbolhaften Bedeutung ein Mosaikstein und nur im verzahnten Zusammenhang sämtlicher Ereignisse beschreibbar.
Die Lehren des 11. September aus Anlegersicht
Unter dem Eindruck der Anschläge des 11. September rauschten die Börsen weltweit in den Keller. Das war abzusehen. Der Schock saß tief. Die Welt erstarrte in Erwartung vor einem Militärschlag der USA. Besonders die Börse, die mit Zukunftserwartungen handelt, litt unter der Unsicherheit.
Als die Wall Street nach den Aufräumarbeiten am Montag den 17. September 2001 wieder eröffnet wurde, verlor der Dow Jones 685 Punkte oder mehr als sieben Prozent. Der Absturz summierte sich innerhalb weniger Handelstage auf 15 Prozent. Das selbe Bild weltweit: Der Deutsche Aktienindex verlor am 11. September beinahe 400 Punkte und damit 8,5 Prozent an Wert. Der Einbruch summierte sich hier sogar auf 19 Prozent.
Nach dem tiefen Fall folgt meist ein steiler Aufstieg
Gingen Volkswirte bereits vor den Terrorangriffen von einer länger anhaltenden Wirtschaftskrise aus, so änderte der 11. September paradoxerweise diese Sichtweise. Einige Tage nach Beginn der Gegenschläge in Afghanistan prognostizierte Stephen Roach, Chefökonom der Investmentbank Morgen Stanley, einen baldigen deutlichen Aufschwung. Dem wirtschaftlichen Beispiel einer starken Erholung nach einer schweren Rezession folgend, erholten sich die Aktienmärkte innerhalb kürzester Zeit von ihren Verlusten. Bereits wenige Wochen nach den Anschlägen waren diese wieder aufgeholt.
Daraus ergibt sich für den Anleger folgendes Bild: Der rasche Wiederanstieg der Kurse - infolge der Einbrüche nach dem 11. September - war aufgrund der panikartigen Verkäufe rückblickend in gewisser Weise vorhersehbar. (Dazu der Link: “Der finale Ausverkauf ist nur schwer zu erkennen“) Hätten Anleger den Mut aufgebracht, antizyklisch während der Verkaufspanik in Aktien zu investieren, wäre ein sattes Plus innerhalb kürzester Zeit möglich gewesen. Allerdings hat dieses Szenario mehrere Schwachstellen: Wäre der Militäreinsatz in Afghanistan weniger reibungslos verlaufen, wer weiß welche Auswirkungen dies auf die Finanzmärkte gehabt hätte.
Ein punktgenaues Treffen der Tiefst- und Höchststände bleibt das andere Problem. Die Aufwärtsbewegung nach den Panikverkäufen hielt nur kurz an, danach wurde der Abwärtstrend, der bereits im März 2000 einsetzte, erneut aufgenommen. Eine ständige Überprüfung der getroffenen Entscheidungen ist daher unbedingt erforderlich.
Lehren für den Anleger
Von dem Anleger wird aufgrunddessen heute eine wesentlich erhöhte Analysebereitschaft gefordert. Deutliche Gewinnzuwächse sind in den volatilen Phasen der vergangenen Monate erheblich schwerer geworden. Gerade für Ereignisse wie den 11. September gilt allerdings, dass Panik ein schlechter Ratgeber ist. „Wenn es ganz düster aussieht, lohnt sich oftmals der Einstieg“, so ein Händler. Der Anleger sollte versuchen eine gesunde Mischung aus antizyklischem Verhalten und der Börsenweisheit “greife nie in ein fallendes Messer“ finden.
Angesichts des anhaltenden Bärenmarktes, für den die Terroranschläge nur im Verbund mit weiteren Negativnachrichten relevant ist, bleibt die Wahl der richtigen Strategie jedoch eine Momentaufnahme. Die Schwierigkeit aktuelle Ereignisse wie den 11. September richtig einzuordnen und daraus resultierende Marktbewegungen vorhersagen zu können, bleibt die Krux im Börsengeschäft.
Schuld ist nicht nur der 11. September
Nur wenige Reisende wollen am kommenden 11. September von Europa aus in die USA fliegen. Vielleicht aus Angst, am Jahrestag der Anschläge auf das Word Trade Center Opfer von neuen Attentaten zu werden. Vielleicht auch nur, weil sie nicht daran erinnert werden möchten, was im Jahr zuvor mit anderen Flugzeuggästen und Besatzungsmitgliedern geschah. Viele Transatlantikflüge jedenfalls fallen am 11. September mangels Nachfrage aus.
Für die Fluggesellschaften eine allzu bekannte Situation. Bereits unmittelbar nach den Anschlägen hatten sie Schwierigkeiten, ihre Tickets für USA-Flüge zu verkaufen. Die Meldungen über Massenentlassungen, Flugzeugverkäufe, Gewinnwarnungen, gestrichene Flüge, abstürzende Börsenkurse und staatliche Subventionen häuften sich nach den Attentaten. Auch die Flugzeugbauer litten: Boeing kündigte Massenentlassungen an, und bei Airbus geriet der Zeitplan für den Bau des Großraumfliegers A380 durcheinander.
Airlines gerieten in die Krise
Die Fluggesellschaften durchlebten nach dem 11. September die schlimmste Krise seit dem Golfkrieg. Das spiegelte sich in den Börsenkursen: Der Standard & Poor's-Airline-Index brach weit stärker ein als der breite Markt, gemessen am Standard & Poor's-500-Index. Heute aber, fast ein Jahr später, notiert der Flug-Index über seinem Stand vom 11. September 2001 - der Marktindex darunter.
Dennoch dauern die Schwierigkeiten an. US Airways stellte mittlerweile einen Insolvenzantrag. Die Muttergesellschaft United Airlines steht kurz davor. Seit den Anschlägen liegen die Buchungszahlungen aller Fluggesellschaften konstant unter Vorjahresnivau. Doch der 11. September ist nicht der Grund der Probleme - er hat die Krise nur verschärft.
Die Krise der Fluglinien ist strukturell bedingt. In den USA hatte sich schon vor den Attentaten abgezeichnet, dass fast alle Fluglinien im laufenden Geschäftsjahr Milliardenverluste machen würden. In Europa hatten Lufthansa und SAS Scandinavian Airlines Gewinnwarnungen herausgegeben. Die Anschläge waren für viele Fluglinien der willkommene Vorwand für Kostenabbau und Entlassungen. Sie verschärften die zuvor schon latente Krise. Heute, zu Zeiten verschärfter Konkurrenz durch Billigflieger, ist die Konsolidierungsphase noch lange nicht abgeschlossen.
Anschläge verschärften Probleme nur
Die Fluggesellschaften sind das Paradebeispiel für eine nach dem 11. September in Turbulenzen geratene Branche. Für fast alle gilt das gleiche: Der 11. September hat ihre Schwierigkeiten allenfalls verschärft, aber nicht ausgelöst. Die Versicherer beispielsweise verkauften kurz nach den Anschlägen, in Bedrängnis geraten durch die Kurseinbrüche und aus Angst vor weiteren Verlusten einen Teil ihrer Aktienpakete. Wie die Banken leiden sie besonders unter der schwachen Konjunktur und Börsenlage.
Doch der Aktienmarkt kränkelte schon vor den Attentaten, und die Konjunktur war schon vorher lahm - vielleicht hätten die Notverkäufe ohne die Anschläge einfach später stattgefunden. Die Krise der Branche wäre allenfalls abgemildert oder verschoben worden. Ähliches gilt für die Reiseindustrie und den Einzelhandel. Auch sie trifft die Konjunkturschwäche und Zukunftsangst schwer. Doch der 11. September hat beide Phänomene nicht verursacht, höchstens verschärft.
Rüstung, Biotech und Internet profitierten kaum
Nicht allen Branchen war nach dem 11. September eine Krise prophezeit worden. Rüstungsbranche, Biotech und Internet könnten profitieren, sagte man. Doch der Optimismus hat sich kaum erfüllt. Die erwartete Auftragsflut für Sicherheitsunternehmen blieb angesichts der rasch abklingenden öffentlichen Aufmerksamkeit und leerer Kassen aus. Die Rüstungsbranche hingegen boomte zwar, zumindest in den USA. Doch auch sie steckt in einer Konsolidierungsphase (siehe Link: Neben Licht auch Schatten), und auch die Rüstungsaktien konnten sich nicht vom allgemeinen negativen Markttrend abkoppeln.
Biotech-Aktien profitierten zwar kurzzeitig von der Hoffnung auf einen Impfstoff gegen Milzbrand. Doch der Effekt verpuffte bald (siehe Link: Milzbrand-Fantasie ist übertrieben). Ähnliches geschah mit Internet-Aktien, die aus der Hoffnung auf die wachsende Bedeutung von Anti-Viren-Programmen keine Kursgewinne machen konnten. Beide Branchen gerieten in den Sog der auf breiter Front fallenden Märkte.
Die Wirkung des 11. September ist also in zweifacher Hinsicht überschätzt worden: Er verschärfte Krisen nur, löste sie nicht aus. Und er konnte Branchen höchstens kurzfristig positiv beeinflussen. Gegen den breiten Trend bewirkten auch die Folgen der Anschläge nichts.
Neuer Terror würde die Börsen kalt erwischen
Mit der zunehmenden Berichterstattung über den Jahrestag drehen sich natürlich auch unweigerlich die Gedanken der Börsianer um diese schrecklichen Ereignisse. Beeinflusst wird das Handeln von diesem Termin derzeit aber nicht.
Das hat in erster Linie damit zu tun, dass kaum jemand ernsthaft an neue Anschläge glaubt. „Ich halte es praktisch für ausgeschlossen, dass es zu Terrorakten kommt“, legt sich beispielsweise Heino Ruland, Stratege beim Finanzdienstleister Steubing, eindeutig fest. Und auch im Gespräch mit Händler wird stets betont, dass neue Anschläge derzeit nicht das große Thema sind. Die jüngsten Meldungen, wonach Osama bin Laden wieder die Kontrolle über die Terrororganisation Al Qaida haben soll, wurden jedenfalls relativ gelassen aufgenommen.
Wichtiger als der Jahrestag seien derzeit die unklaren konjunkturellen Aussichten. Im speziellen Fall von Deutschland würden außerdem manche Anleger vermutlich auch noch durch die kurz bevorstehenden Bundestagswahlen von langfristigen Anlageentscheidungen abgehalten.
Prognosen im Vorfeld zu möglichen Kursreaktionen unseriös
Sollte es entgegen der Erwartungen der Börsianer dennoch zu neuen Anschlägen kommen, dann wäre dies natürlich ein Schock. Aber selbst dann sind sich die Auguren uneinig über die Konsequenzen. Letztlich sei es sogar unlauter, darüber zu diskutieren. Schließlich müsse man für eine einigermaßen seriöse Prognose der Kurswirkungen wissen, um welche Dimensionen es dabei gehe und wie die Reaktion darauf ausfallen.
Vorderhand wäre zunächst eine neue Terrorwelle natürlich als äußerst nachteilig für die ohnehin angeschlagene Konjunktur zu werten. Vor allem das Verbrauchervertrauen dürfte vermutlich einen neuerlichen Knick bekommen. Eine erneute Rezession wäre bei dieser Lesart die naheliegendste Konsequenz.
Krieg bestimmt derzeit nicht das Denken der Börsianer
Doch ganz so einfach lässt sich laut Ruland die Sachlage nicht interpretieren. Nach den Anschlägen im Vorjahr habe die US-Wirtschaft wegen der dadurch ausgelösten Welle des nationalen Stolzes sogar positive Impulse erhalten. Und die diesmaligen Effekte hängen laut Ruland sehr stark von der Dauer der nachfolgenden Gegenmaßnahmen ab. Werde beim dann unweigerlich folgenden Schlag gegen den Irak kurzer Prozess gemacht, könnte dies danach sogar zu einem besseren Konsumklima führen. Ganz im Gegensatz natürlich zu einem lang anhaltenden Krieg, da dies der ohnehin schleppenden Konjunktur schweren Schaden zufügen würde.
Aber wie viele andere Börsianer glaubt auch Ruland derzeit nicht so recht an einen neuen Irak-Krieg. Zum einen sei derzeit wegen der großen Hitze im Irak ohnehin nicht der passende Zeitpunkt und zum anderen werde um das Thema zu viel öffentlicher Lärm gemacht, was bei derartigen Operationen eher untypisch sei, wenn man es wirklich Ernst meinen würde.
Kursausschläge dürften trotzdem volatil bleiben
Doch selbst ohne neuen Terror und ohne einen Irak-Krieg können sich die Börsianer aktuell noch nicht recht wohl in ihrer Haut fühlen. Dafür ist die konjunkturelle Ausgangslage einfach noch zu fragil. Dies bedingt auch, dass die demnächst anlaufende Saison der Gewinnwarungen mit vielen Fragezeichen versehen ist.
Garniert um die Erkenntnis, dass sich die Aktienkurse im Monat September traditionell sowieso oft schwer tun, dürfte dies die Märkte zunächst weiter im Zaum halten. Was sich angesichts dieser schwierigen Lage noch mit der höchsten Wahrscheinlichkeit vorhersagen lässt, ist die Prognose, dass die Kursausschläge bis auf weiteres sehr volatil bleiben werden.
Ein Angriff auf den Irak träfe auch die Finanzmärkte
Wird er angreifen oder nicht? Die Aufmerksamkeit der Teilnehmer am Ölmarkt ist auf US-Präsident George W. Bush gerichtet. Viele halten für wahrscheinlich, dass Bush einen Krieg gegen den Irak beschließen wird - nicht nur wegen der jüngsten Äußerungen seines Vizepräsidenten Dick Cheney. Dieser hatte vor einigen Tagen gesagt, das Risiko der Untätigkeit sei bei weitem größer als das Risiko des Handelns. Der Ölpreis war daraufhin auf ein Elfmonatshoch gestiegen.
Cheney war Verteidigungsminister, als Vater George Bush vor gut zehn Jahren in Kuwait einmarschierte. Hardliner wie er haben in der US-Regierung nach dem 11. September die Oberhand. Seit der Kuwait-Krise darf der Präsident zudem einen Waffengang anordnen, ohne die Einwilligung des Parlaments einzuholen. Das würde dem Sohn George Bush die Entscheidung für einen Angriff zumindest erleichtern. Bis zum Frühjahr 2003 sollte klar sein, was Bush tut, denn in den heißen Sommermonaten hätte eine Invasion des Irak wenig Sinn.
Ein Krieg triebe den Ölpreis in die Höhe...
Ein Krieg um den Irak würde das Ölangebot verknappen und so den Preis in die Höhe treiben. Allein die Sorge davor reicht aus, um das Öl teurer zu machen. Seit Wochen rechnet der Markt eine Risikoprämie von ungefähr fünf Dollar pro Barrel Rohöl in den Preis ein. Diese Kriegs- oder Risikoprämie beziffert die Abweichung der aktuellen Notierung vom als fundamental gerechtfertigt geltenden „fairen Wert“, der für Nordseeöl der Sorte Brent zwischen 20 und 22 Dollar liegt. Nach den Kommentaren Cheneys erhöhte sich die Prämie zeitweise auf über acht Dollar pro Barrel Rohöl.
Kommt es zum Krieg, könnte der Ölpreis weiter anziehen, wie schon während der Kuwait-Krise. Damals schoss der Preis von unter 20 Dollar je Barrel Brent-Öl auf 40 Dollar, als der Irak in Kuwait einfiel. Als die USA ihre „Operation Wüstensturm“ begannen, kostete ein Barrel immer noch über 25 Dollar.
Langfristig hängt die Entwicklung des Ölpreises aber von Kriegsverlauf und -dauer ab. Gewänne die USA die mögliche militärische Auseinandersetzung schnell und käme der Wiederaufbau der Kriegsregion rasch in Gang, könnte die Versorgung der Märkte mit Öl stabiler werden. Der Westen hätte einen leichteren Zugang zum irakischen Erdöl gewonnen. Immerhin besitzt das Land 15 Prozent der Weltreserven, und seine Produktionskosten je Barrel liegen unter einem Dollar. Die gleiche Menge aus sibirischen Böden oder der Nordsee zu fördern, kostet zwischen 16 und 18 Dollar. Der Haken dieses Szenarios: Ein vom Krieg zerstörtes Land wieder aufzubauen, ist mühsam, erst recht in einer ohnehin instabilen Region. Das zeigt sich gerade in Afghanistan.
... ließe die Aktienkurse sinken und könnte den Dollar belasten
Was für den Ölmarkt gilt, gilt auch für die Börse. Ein Angriff auf Bagdad dürfte die Aktienkurse abstürzen lassen wie zu Beginn der Kuwait-Krise. Damals erholten sie sich jedoch wieder, als sich ein Sieg der westlichen Truppen abzuzeichnen begann. Je kürzer und erfolgreicher ein Krieg, desto besser für die Aktienmärkte. Die einzige Ausnahmen könnten Rüstungs- und Energieaktien sein. Ölförderer, deren Bohrfelder nicht im möglichen Kriegsgebiet liegen, und Waffenproduzenten könnten von einem Krieg profitieren. Weil sie derzeit aber ohnehin eher hoch bewertet werden, wären ihre Gewinne begrenzt.
An den Devisenmärkten schließlich könnte der Dollar unter einem Krieg leiden. Es besteht die Gefahr, dass ein Angriff auf Bagdad die Verbündeten der USA in der arabischen Welt verprellt. Und falls sich arabische Kapitalgebern entschieden, ihre Anlagen in den USA in großem Stil zu verkaufen, würde das den Dollarkurs drücken. Auch hier gilt aber: Je schneller und je erfolgreicher die USA einen Krieg beenden könnten und je besser der Wiederaufbau der betroffenen Region funktioniert, desto eher käme der Devisenmarkt wieder ins Gleichgewicht.
Kriege zahlen sich nicht aus
Das trifft auf die Finanzmärkte insgesamt zu. Das hat einen realwirtschaftlichen Hintergrund: Kriege zahlen sich für eine Volkswirtschaft nicht aus. Zwar können die mit ihnen verbundenen Rüstungsausgaben die Konjunktur ankurbeln, wie während des zweiten Weltkriegs, als die USA im Durchschnitt um mehr als sieben Prozent jährlich wuchsen. Doch der Nachfrageschub wird konterkariert durch das unsicher werdende Geschäftsumfeld, zurückhaltende Konsumenten und eine steigende Staatsverschuldung. In den Kriegsgebieten kommt dazu noch die Last des Wiederaufbaus.
Ähnliche Negativeffekte hat, zumindest in Ansätzen, bereits der 11. September hervorgerufen. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center wurden die staatlichen Ausgaben für Sicherheit erhöht. Das ohnehin beschädigte Vertrauen von Geschäftsleuten und Verbrauchern in die Wirtschaft litt, die Konjunktur wurde noch stärker gedämpft.
Im Gegensatz zum Kuwait-Krieg könnte sich aber diesmal die Hoffnung des US-Präsidenten auf einen schnellen, problemlosen Sieg nicht erfüllen. George Bush Vater zählte bei der „Operation Wüstensturm“ auf die breite Unterstützung anderer Länder und war zudem durch eine Uno-Resolution legitimiert. Sein Sohn erntet - zumindest außenpolitisch - für seine Kriegspläne Kritik von allen Seiten. Scheiterte er im Krieg oder beim Wiederaufbau, militärisch oder politisch, müssten auch die Märkte die Konsequenzen tragen.
Gruß
Happy End