Die Distanz wächst

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Van Nelle-Half.:

Die Distanz wächst

 
02.02.03 09:42
Die Distanz wächst

Deutschland hat (noch) ein Problem: Der politische Konflikt mit den Amerikanern droht auch auf die Wirtschaft überzugreifen

Die Distanz wächst 926564




US-Eagle gegen Bundesadler: „Beschädigte Freundschaft"


Je nach Naturell fällt das Urteil der Herren unterschiedlich drastisch aus: „Vereinzelt kann es in den USA sicherlich zu negativen Folgen für deutsche Unternehmen kommen", sagt Siemens- Vorstandschef Heinrich von Pierer vorsichtig, wenn er nach den Auswirkungen der politischen Spannungen zwischen den USA und Deutschland auf die Wirtschaft gefragt wird. Boeing-Boss Phil Condit sieht in der gleichen Angelegenheit immerhin schon Handlungsbedarf: „Die politischen Differenzen müssen sich nicht zwangsläufig negativ auswirken, aber wir müssen uns mit dieser Frage auseinander setzen", so Condit. Und Unternehmensberater Roland Berger wird sehr unmissverständlich: „Die auftretenden Spannungen zwischen Deutschland und den USA sind für unsere Wirtschaft nicht gut." Schon jetzt seien diese, so Berger, „bei vielen Unternehmen hautnah zu spüren."

Deutschland, neuerdings das alte Europa symbolisierend, hat ein Problem. Galt das Nein der Bundesregierung zum Irak-Krieg vor der Bundestagswahl noch als reine Wahlkampf-Folklore und die deutsch-amerikanische Manager-Freundschaft als intakt, hat sich die Stimmung heute geändert. Je näher der Krieg rückt, desto rauer wird der Ton der Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks, desto größer wird auch die Kluft zwischen den Unternehmenslenkern. Die deutsch-amerikanische Freundschaft sei „beschädigt durch das, was geschehen ist. Das kann man nicht ignorieren", sagt US- Botschafter Dan Coats in Berlin.

Ersten politisch bedingten Auftragsschwund wittert schon Robert Linke, Leiter der US-Niederlassung des Schneidemaschinen- Herstellers Treif („Simply cutting better") aus Oberlahr in Rheinland- Pfalz: „Treif ist ein Auftrag des Pentagons im Wert von 900.000 Dollar geplatzt", sagt er. Wer nicht schießen will, soll sich auch keine Scheibe vom Geschäft abschneiden, so die Logik des US- Verteidigungsministeriums.

„Die Situation hat sich für Deutschland verschärft", ist sich Jurist Steven Thal von der Kanzlei LeBoeuf, Lamb, Greene & MacRae sicher. Bisher laufe zwar alles hinter den Kulissen ab. „Die Probleme werden nicht öffentlich diskutiert, um die Lage nicht noch weiter zu verschlechtern", sagt er.

Doch auch das, was in Hinterzimmern, sei es irrealen oder virtuellen, diskutiert wird, schlägt sich letzten Endes in Zahlen und an der Börse nieder. Für Wolfgang Reitzle, Chef des Wiesbadener Industriegase- und Gabelstaplerproduzenten Linde, ist der starke Kurssturz des Deutschen Aktienindex Dax auch durch den Verkauf durch „amerikanischer Investoren und Pensionsfonds" verursacht worden. „Die politischen Spannungen bekommt man immer stärker auch in der Wirtschaft zu spüren", räumt der Linde-Chef ein.

Und die Kriegsangst trägt ein Übriges dazu bei: „Dramatische Auswirkungen" erwartet Josef Ackermann, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, im Falle eines Irak-Kriegs. „2003 wird nicht zuletzt deshalb ein sehr schwieriges Jahr." Der Knoten löse sich erst, „wenn es zu einer kurzen und erfolgreichen Kriegshandlung kommt". Laufe der Konflikt aus dem Ruder und weite sich auch auf andere Länder aus, blühe Deutschland „ganz sicher eine lang andauernde Rezession".

Dabei geht es für die deutsche Wirtschaft zwar nicht um Tod und Lebensgefahr, dennoch steht für die Wirtschaft einiges auf dem Spiel. Mit rund elf Milliarden Euro sind die USA nach Frankreich das zwei wichtigste Exportland für deutsche Unternehmen. Die wachsende US-Wirtschaft war zuletzt die einzige Lokomotive mit nennenswerter Zugkraft für die nahe an der Stagnation dahinschleichenden deutschen Volkswirtschaft. BMW und Porsche, zum Beispiel, verdanken ihr gutes Abschneiden zum großen Teil den Kunden in Amerika.

Auf die Produkte deutscher Spitzentechnik verzichten die Amerikaner gewiss nicht so ohne weiteres. Noch spüren die Autohändler jedenfalls nichts von politisch motivierter Verachtung und Kaufzurückhaltung. Auf Dauer aber „strahlen Belastungen an der Spitze aus", vermutet Dierck Müller, Geschäftsführer der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland. „Es ist schwer", sagt er, „direkt etwas festzustellen." Aber wenn die politische Stimmungskrise anhält, könnten es deutsche Unternehmen künftig schwerer haben, etwa die Genehmigung amerikanischer Behörden bei geplanten Übernahmen von US-Unternehmen zu erhalten. Vor allem aber kommt der US-Hader zur wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands hinzu. „Die Stimme Deutschlands bekommt weniger Gewicht in der Welt", fürchtet Müller.

Ohnehin überlagert die Irak-Debatte derzeit jedes andere wirtschaftliche Problem. Darin sieht Unternehmensberater Berger die größte Gefahr für die deutsche Wirtschaft: „Der Konflikt überdeckt die nicht gelösten Reformaufgaben in Deutschland. Dabei haben die Hausaufgaben der Berliner
Regierung doch oberste Priorität."

Jedenfalls nach dem Krieg.
ribald:

sehr guter Artikel o. T.

 
02.02.03 11:21
hjw2:

Das ist der wichtigste Satz

 
02.02.03 11:53
"„Der Konflikt überdeckt die nicht gelösten Reformaufgaben in Deutschland. Dabei haben die Hausaufgaben der Berliner
Regierung doch oberste Priorität."

Dass der politische Konflikt auf die Wirtschaft überspringt,
halte ich für überzogen.

Anerkennung dem Kanzler für seine Antikriegseinstellung,
Schluss mit der Kritiklosigkeit an den USA.
Bush ist nicht Amerika, irgendwann schnallt das auch der Rest Europas.

Die USA werden ihre Vormachtstellung und Hegemonieansprüche auf Dauer nicht
durchsetzen können.

Die Wirtschaftsrealitaet in den USA wird bald die Politik Bushs auf den
Boden der Tatsachen zurück holen, schaun mer mal.
ruhrpottzocker:

Wirtschaftliche Strafmassnahmen ?

 
02.02.03 12:31

Wenn Bush das veranlasst, stellt er sich auf die gleiche Stufe mit komunistischen Diktatoren.

Das entspricht eigentlich nicht dem Amerikanischen Wesen. Spätestens dann hätte er sich als Anti-Amerikaner geoutet.

Ich bin gespannt, wie dann seine Hofnarren und - schranzen in Deutschland darauf reagieren würden.

Allerdings stimme ich hjw zu. Ich glaube nicht, dass es dazu kommt.  
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