"Die Bewertungen liegen am oberen Ende"
Die US-Wirtschaft zeigt zarte Anzeichen einer Erholung, die Börse honoriert's mit Kurszuwächsen. Geht die Story weiter oder droht schon wieder der nächste Abschwung? Fragen an Heinz Schumacher, Fondsmanager bei Julius Bär für den US Navigator Stock Funds.
manager-magazin.de*: Sind in den USA die Weichen gestellt, schneller aus der Rezession zu kommen als in Europa?
Heinz Schumacher: Seit der Rezession, die im März begann, stehen die Zeichen jetzt erstmals wieder deutlich auf Aufschwung. Ein Beleg dafür ist die Lagerhaltung, die sich aktuell auf einem sehr tiefen Niveau befindet. Das ist ein Impuls für das verarbeitende Gewerbe, denn allein die Aufgabe, die Lagerbestände wieder auf ein Durchschnittsmaß zu bringen, wird den Umsatz in diesem Bereich nach oben treiben. In diesem Prozess sind die USA weiter fortgeschritten als die meisten anderen Industrienationen.
mm.de: Werden die Konsumausgaben in den USA ebenfalls zulegen?
Schumacher: Eher nicht. Den Konsum gestützt haben sicher einerseits die Appelle von George W. Bush und Rudolph Giuliani, sich durch den Terror nicht beeinflussen zu lassen. Nachweisbar beflügelten auch die Nullzins- und Rabattangebote der Autoindustrie den Konsum. Die niedrigen Zinsen haben außerdem für günstige Re-Finanzierungskonditionen von Hypotheken gesorgt. Andererseits verzeichnen die USA auch die höchste Pro-Kopf-Verschuldung der vergangenen zehn Jahre - das Thema Konsumwachstum ist aus meiner Sicht ausgereizt. Ein Beibehalten des bestehenden Niveaus erscheint mir wahrscheinlicher. Ein Rückgang allerdings würde die Börse empfindlich treffen - der Konsument ist aus meiner Sicht die kritische Größe für den Aufschwung.
mm.de: Und wenn Notenbankchef Alan Greenspan noch einmal die Zinsen senkt?
Schumacher: Auch dieses Thema scheint mir ausgereizt. Einen Viertelprozentpunkt könnte die Fed noch streichen - dann dürfte Schluss sein. Positiv sehe ich, dass auf der Inflationsseite kaum Gefahr für die US-Konjunktur droht.
mm.de: Viele Finanzmarktexperten halten die US-Börsen für sehr hoch bewertet und geben beispielsweise den steigenden Goldpreis als Indiz dafür an, dass die Investoren jetzt eher sicherheitsorientiert handeln.
Schumacher: Die Bewertungen vieler US-Aktien sind momentan sicher am oberen Ende - vor allem mit Blick auf die Gewinnentwicklung. Die Kurse haben bereits zugelegt, obwohl die Earnings vielfach weiter fallen. Wenn also im zweiten Halbjahr 2002 keine Wende auf der Gewinnseite einsetzt, drohen Kursverluste. Die Unternehmen, die dann ihre Vorhersagen für das Gesamtjahr senken müssen, erwarten sicher drastische Kursverluste.
mm.de: Das klingt nach Wackelbörse.
Schumacher: Nach unserer Einschätzung wird der S&P-500-Index am Jahresende um etwa zehn Prozent höher notieren als heute. Aber zwischenzeitlich könnte es durchaus heftig schwankende Kurse geben. Das liegt auch an der hohen Liquidität, die blitzschnell an die Börse strömen könnte - derzeit haben viele Investoren ihr Kapital kurzfristig geparkt und lauern auf günstige Einstiegszeitpunkte. Wenn die Gewinne stärker steigen sollten als heute prognostiziert, könnte dieses Geld einen Aufwärtstrend beschleunigen.
mm.de: Welche Branche wird aus Ihrer Sicht besonders von einem Aufschwung profitieren?
Schumacher: Unser Fonds ist übergewichtet bei Anbietern von IT-Software. Erstens, weil das Thema Outsourcing bei vielen Konzernen eine wichtige Rolle spielt - und die Auslagerung von Produktion oder Services gelingt ohne aktuelle Computer-Programme nicht ideal. Zweitens sorgen Weiterentwicklungen dafür, dass die aktuelle Software eine wesentlichen Effiziensschub für die Unternehmen bringt. Und schließlich erkennen immer mehr Unternehmen, dass ihre IT-Systeme aus zu vielen unterschiedlichen, teilweise selbst gestrickten Programmen zusammengesetzt sind. Immer mehr Konzerne entschließen sich daher, von Grund auf zu renovieren und ihr IT-System auf einer einheitlichen Basis neu aufzubauen.
mm.de: Erwarten Sie ein Comeback der Internet-Werte wie Yahoo, Priceline, Excite@Home?
Schumacher: Nein. Die Börsengeschichte zeigt, dass es nach dem Platzen einer Blase - hier des Dotcom-Bubble - nie ein Revival gab, das auch nur annähernd so hohe Kurse gebracht hätte wie zur Boomzeit des Sektors. Dieses Börsen-Kapitel halte ich für beendet.
mm.de: Der Enron-Skandal und die aus jetziger Sicht unrühmliche Rolle der Prüfgesellschaft Andersen haben das Vertrauen in die US-Konzerne geschädigt. Jetzt sind Unternehmen wie Tyco und Global Crossing im Visier der Börsenaufsicht, der Vorwurf von Bilanzmanipulation steht im Raum. Könnte sich daraus ein negativer Trend entwickeln?
Schumacher: Bisher kann ich nicht erkennen, dass die in den Medien erhobenen Vorwürfe gegen die Beteiligungsgesellschaft Tyco stichhaltig wären. Ein zweiter Fall Enron allerdings würde das Vertrauen in die Corporate Governance der USA sicher tief erschüttern. Das hätte erhebliche negative Effekte für die Wall Street.
Quelle: Das Gespräch führte manager-magazin.de-Redakteur Christian Buchholz
Die US-Wirtschaft zeigt zarte Anzeichen einer Erholung, die Börse honoriert's mit Kurszuwächsen. Geht die Story weiter oder droht schon wieder der nächste Abschwung? Fragen an Heinz Schumacher, Fondsmanager bei Julius Bär für den US Navigator Stock Funds.
manager-magazin.de*: Sind in den USA die Weichen gestellt, schneller aus der Rezession zu kommen als in Europa?
Heinz Schumacher: Seit der Rezession, die im März begann, stehen die Zeichen jetzt erstmals wieder deutlich auf Aufschwung. Ein Beleg dafür ist die Lagerhaltung, die sich aktuell auf einem sehr tiefen Niveau befindet. Das ist ein Impuls für das verarbeitende Gewerbe, denn allein die Aufgabe, die Lagerbestände wieder auf ein Durchschnittsmaß zu bringen, wird den Umsatz in diesem Bereich nach oben treiben. In diesem Prozess sind die USA weiter fortgeschritten als die meisten anderen Industrienationen.
mm.de: Werden die Konsumausgaben in den USA ebenfalls zulegen?
Schumacher: Eher nicht. Den Konsum gestützt haben sicher einerseits die Appelle von George W. Bush und Rudolph Giuliani, sich durch den Terror nicht beeinflussen zu lassen. Nachweisbar beflügelten auch die Nullzins- und Rabattangebote der Autoindustrie den Konsum. Die niedrigen Zinsen haben außerdem für günstige Re-Finanzierungskonditionen von Hypotheken gesorgt. Andererseits verzeichnen die USA auch die höchste Pro-Kopf-Verschuldung der vergangenen zehn Jahre - das Thema Konsumwachstum ist aus meiner Sicht ausgereizt. Ein Beibehalten des bestehenden Niveaus erscheint mir wahrscheinlicher. Ein Rückgang allerdings würde die Börse empfindlich treffen - der Konsument ist aus meiner Sicht die kritische Größe für den Aufschwung.
mm.de: Und wenn Notenbankchef Alan Greenspan noch einmal die Zinsen senkt?
Schumacher: Auch dieses Thema scheint mir ausgereizt. Einen Viertelprozentpunkt könnte die Fed noch streichen - dann dürfte Schluss sein. Positiv sehe ich, dass auf der Inflationsseite kaum Gefahr für die US-Konjunktur droht.
mm.de: Viele Finanzmarktexperten halten die US-Börsen für sehr hoch bewertet und geben beispielsweise den steigenden Goldpreis als Indiz dafür an, dass die Investoren jetzt eher sicherheitsorientiert handeln.
Schumacher: Die Bewertungen vieler US-Aktien sind momentan sicher am oberen Ende - vor allem mit Blick auf die Gewinnentwicklung. Die Kurse haben bereits zugelegt, obwohl die Earnings vielfach weiter fallen. Wenn also im zweiten Halbjahr 2002 keine Wende auf der Gewinnseite einsetzt, drohen Kursverluste. Die Unternehmen, die dann ihre Vorhersagen für das Gesamtjahr senken müssen, erwarten sicher drastische Kursverluste.
mm.de: Das klingt nach Wackelbörse.
Schumacher: Nach unserer Einschätzung wird der S&P-500-Index am Jahresende um etwa zehn Prozent höher notieren als heute. Aber zwischenzeitlich könnte es durchaus heftig schwankende Kurse geben. Das liegt auch an der hohen Liquidität, die blitzschnell an die Börse strömen könnte - derzeit haben viele Investoren ihr Kapital kurzfristig geparkt und lauern auf günstige Einstiegszeitpunkte. Wenn die Gewinne stärker steigen sollten als heute prognostiziert, könnte dieses Geld einen Aufwärtstrend beschleunigen.
mm.de: Welche Branche wird aus Ihrer Sicht besonders von einem Aufschwung profitieren?
Schumacher: Unser Fonds ist übergewichtet bei Anbietern von IT-Software. Erstens, weil das Thema Outsourcing bei vielen Konzernen eine wichtige Rolle spielt - und die Auslagerung von Produktion oder Services gelingt ohne aktuelle Computer-Programme nicht ideal. Zweitens sorgen Weiterentwicklungen dafür, dass die aktuelle Software eine wesentlichen Effiziensschub für die Unternehmen bringt. Und schließlich erkennen immer mehr Unternehmen, dass ihre IT-Systeme aus zu vielen unterschiedlichen, teilweise selbst gestrickten Programmen zusammengesetzt sind. Immer mehr Konzerne entschließen sich daher, von Grund auf zu renovieren und ihr IT-System auf einer einheitlichen Basis neu aufzubauen.
mm.de: Erwarten Sie ein Comeback der Internet-Werte wie Yahoo, Priceline, Excite@Home?
Schumacher: Nein. Die Börsengeschichte zeigt, dass es nach dem Platzen einer Blase - hier des Dotcom-Bubble - nie ein Revival gab, das auch nur annähernd so hohe Kurse gebracht hätte wie zur Boomzeit des Sektors. Dieses Börsen-Kapitel halte ich für beendet.
mm.de: Der Enron-Skandal und die aus jetziger Sicht unrühmliche Rolle der Prüfgesellschaft Andersen haben das Vertrauen in die US-Konzerne geschädigt. Jetzt sind Unternehmen wie Tyco und Global Crossing im Visier der Börsenaufsicht, der Vorwurf von Bilanzmanipulation steht im Raum. Könnte sich daraus ein negativer Trend entwickeln?
Schumacher: Bisher kann ich nicht erkennen, dass die in den Medien erhobenen Vorwürfe gegen die Beteiligungsgesellschaft Tyco stichhaltig wären. Ein zweiter Fall Enron allerdings würde das Vertrauen in die Corporate Governance der USA sicher tief erschüttern. Das hätte erhebliche negative Effekte für die Wall Street.
Quelle: Das Gespräch führte manager-magazin.de-Redakteur Christian Buchholz