Die Bananenrepublik
Silvio Berlusconi, Neo-Außenminister, schafft seine Termine nicht. Sein bisheriger Mentor, der Fiat-Boss Gianni Agnelli, wendet sich mit Grausen.
ROMAN ARENS
ROM (SN).
Fiat-Senior Gianni Agnelli ist verbittert. Der weltgewandte Senator hatte im Wahlkampf des vergangenen Frühjahrs überraschend den von der Großindustrie lange geschnittenen Emporkömmling unterstützt. Agnelli hatte Silvio Berlusconi sogar vor ausländischen Attacken indigniert in Schutz genommen: "Wir sind doch keine Bananenrepublik." Ein fast schon geflügeltes Wort.
Jetzt wurde er daran erinnert. "Wissen Sie die Wahrheit?", brach es da aus dem Altindustriellen heraus, "in unserem Land gibt es leider nicht einmal Bananen. Hier gibt es nur Kaktusfeigen." Auch dieses Wort einer vernichtenden Zustandsbeschreibung wird in Erinnerung bleiben. Nach sieben Monaten, in denen Berlusconi das Land für sich selber und Seinesgleichen zugerichtet hat, sieht Agnelli Italien "viel schwächer".
Für ihn, den überzeugten und aktiv werbenden Europäer, war sein Freund und früherer Mitarbeiter Renato Ruggiero Garant eines starken Gewichts in Europa und der Welt. Nun gibt es diesen Außenminister nicht mehr. Berlusconi selber hat dessen Amt an sich genommen, aber nicht dessen Ansehen und Vertrauen geerbt.
Mario Monti, EU-Wettbewerbshüter, wurde von Berlusconi während seiner ersten siebenmonatigen Regentschaft 1994 als Kommissar nach Brüssel geschickt. Der Wirtschaftsprofessor aus Mailand, der daheim große politische Autorität hat und mehrfach für allerhöchste Ämter ins Gespräch gebracht wurde, nimmt gelegentlich zur Finanz- und Wirtschaftspolitik in Italien Stellung - gegen Brüsseler Gepflogenheiten und daher sachlich klar, aber dezent formuliert. Nach Ruggieros Rauswurf wurde Monti heftig. Er forderte Berlusconi zu einer klärenden Europa-Debatte "vor allem in seiner Regierungsmehrheit" auf. Diese Debatte müsse geführt werden "ohne Slogans, die in Europa ein wenig würdevolles Bild von Italien projizieren".
Berlusconi hatte offensichtlich nicht mit den massiven Reaktionen auf seine jüngsten Schachzüge gerechnet. Schritt für Schritt hatte er seine Projekte wie die Aufhebung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer, die weitgehende Einschränkung der Strafbarkeit von Bilanzfälschung verwirklicht. Erst als die Maßnahmen wie die faktische Behinderung der Justiz bei der Korruptions- und Terrorbekämpfung eine internationale Dimension bekamen, wurde das europäische Publikum wach.
Berlusconi versucht nun, seine beiden Ämter in einem Terminkalender unterzubringen. Das ginge vielleicht, wenn er außer Regierungschef etwa noch Kulturminister wäre. Aber allein die Reiseverpflichtungen eines Außenministers werden ihn dazu bringen, Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi frü-her als geplant einen neuen Chef des Außenamtes vorzuschlagen. Es werden schon reihenweise Termine, die in Ruggieros Kalender standen, gestrichen. "La Repubblica", die zweitgrößte Zeitung des Landes, kommentierte: "Das Italien von Berlusconi dümpelt wieder im Mittelmeer, ohne Kompass und ohne den heute einzig möglichen Polarstern, den Europas."
SN, 10.1.2002
Silvio Berlusconi, Neo-Außenminister, schafft seine Termine nicht. Sein bisheriger Mentor, der Fiat-Boss Gianni Agnelli, wendet sich mit Grausen.
ROMAN ARENS
ROM (SN).
Fiat-Senior Gianni Agnelli ist verbittert. Der weltgewandte Senator hatte im Wahlkampf des vergangenen Frühjahrs überraschend den von der Großindustrie lange geschnittenen Emporkömmling unterstützt. Agnelli hatte Silvio Berlusconi sogar vor ausländischen Attacken indigniert in Schutz genommen: "Wir sind doch keine Bananenrepublik." Ein fast schon geflügeltes Wort.
Jetzt wurde er daran erinnert. "Wissen Sie die Wahrheit?", brach es da aus dem Altindustriellen heraus, "in unserem Land gibt es leider nicht einmal Bananen. Hier gibt es nur Kaktusfeigen." Auch dieses Wort einer vernichtenden Zustandsbeschreibung wird in Erinnerung bleiben. Nach sieben Monaten, in denen Berlusconi das Land für sich selber und Seinesgleichen zugerichtet hat, sieht Agnelli Italien "viel schwächer".
Für ihn, den überzeugten und aktiv werbenden Europäer, war sein Freund und früherer Mitarbeiter Renato Ruggiero Garant eines starken Gewichts in Europa und der Welt. Nun gibt es diesen Außenminister nicht mehr. Berlusconi selber hat dessen Amt an sich genommen, aber nicht dessen Ansehen und Vertrauen geerbt.
Mario Monti, EU-Wettbewerbshüter, wurde von Berlusconi während seiner ersten siebenmonatigen Regentschaft 1994 als Kommissar nach Brüssel geschickt. Der Wirtschaftsprofessor aus Mailand, der daheim große politische Autorität hat und mehrfach für allerhöchste Ämter ins Gespräch gebracht wurde, nimmt gelegentlich zur Finanz- und Wirtschaftspolitik in Italien Stellung - gegen Brüsseler Gepflogenheiten und daher sachlich klar, aber dezent formuliert. Nach Ruggieros Rauswurf wurde Monti heftig. Er forderte Berlusconi zu einer klärenden Europa-Debatte "vor allem in seiner Regierungsmehrheit" auf. Diese Debatte müsse geführt werden "ohne Slogans, die in Europa ein wenig würdevolles Bild von Italien projizieren".
Berlusconi hatte offensichtlich nicht mit den massiven Reaktionen auf seine jüngsten Schachzüge gerechnet. Schritt für Schritt hatte er seine Projekte wie die Aufhebung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer, die weitgehende Einschränkung der Strafbarkeit von Bilanzfälschung verwirklicht. Erst als die Maßnahmen wie die faktische Behinderung der Justiz bei der Korruptions- und Terrorbekämpfung eine internationale Dimension bekamen, wurde das europäische Publikum wach.
Berlusconi versucht nun, seine beiden Ämter in einem Terminkalender unterzubringen. Das ginge vielleicht, wenn er außer Regierungschef etwa noch Kulturminister wäre. Aber allein die Reiseverpflichtungen eines Außenministers werden ihn dazu bringen, Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi frü-her als geplant einen neuen Chef des Außenamtes vorzuschlagen. Es werden schon reihenweise Termine, die in Ruggieros Kalender standen, gestrichen. "La Repubblica", die zweitgrößte Zeitung des Landes, kommentierte: "Das Italien von Berlusconi dümpelt wieder im Mittelmeer, ohne Kompass und ohne den heute einzig möglichen Polarstern, den Europas."
SN, 10.1.2002