GESCHWÄRZTES BAHN-GUTACHTEN
Eklat im Verkehrsausschuss
Die Beratung zum Börsengang der Bahn hat im Bundestags-Verkehrsausschuss mit einem Eklat begonnen: Die Bahn halte dem Ausschuss bewusst Informationen vor, nach denen sie ihr Schienennetz nach dem Gang an den Aktienmarkt weiter reduzieren will, warfen die Grünen dem Konzern vor.
Berlin - Auslöser für den Aufruhr war der Grünen-Abgeordnete Winfried Hermann. In dem dem Ausschuss vorliegenden jüngsten Bahn-Gutachten der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton waren mehrere Stellen geschwärzt. Diese Passagen enthielten jedoch nicht nur sensible Firmendaten, warf Hermann der Deutschen Bahn nun vor. Vielmehr handle es sich auch um strategische Aussagen, aus denen hervorginge, dass die Bahn ihr Schienennetz weiter reduzieren wolle und dass es große Ungenauigkeiten bei den Ertragsprognosen gebe. Ihm sei ein vollständiges Exemplar des Gutachtens anonym zugespielt worden, erklärte der Verkehrsexperte später der Nachrichtenagentur AP.
DPAFrankfurter Hauptbahnhof: "Nicht für dumm verkaufen lassen" |
Abgeordnete von Regierung und Opposition verlangten daraufhin, dass wenigstens einige der unkenntlich gemachten Stellen freigegeben werden sollten. Man wolle sich "nicht für dumm verkaufen" lassen, schimpfte der FDP-Parlamentarier Horst Friedrich. SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer verwies darauf, dass als Eigentümer nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat einen Anspruch darauf habe, bei derart weit reichenden Entscheidungen umfassend informiert zu werden. Immerhin werde dem Eigentümer abverlangt, sich für mindestens zehn Jahre, also über mehrere Legislaturperioden hinweg, auf Finanzierungsvereinbarungen festzulegen.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte, möglicherweise sei in dem Gutachten, ohne die Bahn AG zu fragen, vorsichtshalber "mehr als nötig" geschwärzt worden. Beckmeyer erinnerte an die grundgesetzlich festgeschriebene Verpflichtung des Bundes, im ganzen Land eine Schieneninfrastruktur vorzuhalten. Er hatte am Vortag eine Zustimmung zum Börsengang von "belastbaren Fakten" zur wirtschaftlichen Situation der Bahn AG zur Voraussetzung einer Entscheidung über den Börsengang gemacht.
Ein Bahn-Sprecher betonte dagegen, es gebe kein Streckenstilllegungsprogramm. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee sagte nach dem Treffen mit Bahnchef Hartmut Mehdorn zügige Information über die noch offenen Fragen zu. Der Minister sagte, er werde "die DB eng in den jetzt beginnenden Diskussionsprozess einbeziehen". Im Detail geht es um einen Netzzustandsbericht sowie die Eckpunkte einer "Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung", die auf etwa zehn Jahre hinaus die staatlichen Zuwendungen festschreibt.
Die Frage, ob das Schienennetz mit an die Aktienmarkt gebracht werden soll, ist einer der sensibelsten Punkte bei der Diskussion um den Börsengang. Das jüngste Gutachten untersucht fünf Varianten dafür: den von Mehdorn vehement favorisierten "integrierten" Börsengang als Konzern einschließlich Netz sowie unterschiedlich starke Trennungs-Szenarien von Netz und Betrieb. Das Gutachten enthält keine klare Aussage, welche Form der Privatisierung die Experten favorisieren. Nach Einschätzung zahlreicher Verkehrspolitiker zeigt aber Mehdorns Modell weder für Haushalt noch für den Wettbewerb auf der Schiene Vorteile. Da zudem bekannt geworden ist, dass es unter den Gutachtern Auseinandersetzungen gegeben hat, hatte der Verkehrsausschuss alle Beteiligten zur Anhörung gebeten.
Im Bundestag haben sich bislang die FDP und Teile der Union für eine weitgehende Trennung ausgesprochen. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder und Teile der SPD unterstützten Mehdorns Kurs. Die Linke sind komplett gegen einen Börsengang. Tiefensee legte sich heute nicht fest, sagte aber, der Bund habe großes Interesse an einem starken Unternehmen. Die Bundesregierung werde eine eigene Position erarbeiten.