Freenet - Die 1100-Prozent-Aktie (EurAmS)
13.07.2003 11:59:00
Wie in der Blütezeit des Neuen Markts schoss die Aktie von Freenet in wenigen Monaten raketengleich um rund 1100 Prozent in die Höhe - und zog auch Konzernmutter Mobilcom mit. Geht der Aufstieg weiter oder droht den beiden Telekom- Papieren jetzt der Absturz?
von Tobias Meister
Dass der Börsenstar des Jahres 2003 aus dem Umfeld des angeschlagenen Telekom-Unternehmens Mobilcom kommt, ahnte vor wenigen Monaten niemand. Und doch: Die Internet-Tochter Freenet, an der die Büdelsdorfer 76 Prozent halten, ist in der Mobilcom-Schatulle eine echte Rakete. Der Hamburger Internet-Dienstleister legte einen sagenhaften Kursanstieg hin. Von Tiefstkursen bei 3,30 Euro im Oktober 2002 kletterte das Papier in der Spitze um mehr als 1100 Prozent auf fast 40 Euro. "Die Freenet-Story erinnert mich schon sehr an vergangene Boomzeiten des Neuen Marktes", sagt denn auch ein Händler.
Ein interessanter Nebenaspekt der Freenet-Rally: Auch die Mutter Mobilcom profitiert dank ihrer Beteiligung von dem strahlenden Comeback an der Börse. Mittlerweile ist Freenet über den Umweg Mobilcom sogar mit Discount zu bekommen, denn allein das Freenet-Paket der Büdelsdorfer ist derzeit mehr wert als die gesamte Marktkapitalisierung von Mobilcom (siehe Interview). Ganz unschuldig ist der Mutterkonzern an dem raketenhaften Aufstieg nicht. Denn gestartet wurde dieser durch den Verkauf der Mobilcom-Festnetzsparte an die Tochter. Monatelang kämpfte Freenet-Chef Eckhard Spoerr um diese. Ohne Ergebnis. Doch dann kam dem Schwaben Mobilcoms akute Geldnot entgegen. So zahlte Freenet schlussendlich 35 Millionen Euro an Mobilcom - und kaum ein Börsianer verstand Mitte März auf Anhieb, welchen Mega-Deal Spoerr da gemacht hatte.
Denn solange Mobilcom noch das Festnetz besaß, musste Freenet als reiner Internet-Zugangsdienst funktionieren. Surften die Freenet-Kunden erst einmal über die Mobilcom-Leitungen, wurden die Hamburger mit kleinen Provisionen abgespeist. Genau dies bemängelten Analysten in der Vergangenheit immer wieder an Freenet. Im Vergleich zu Konkurrent T-Online, der den kompletten Umsatz verbuchen konnte, blieb bei Freenet immer nur ein Bruchteil hängen. Der Rest ging an Mobilcom.
Zudem verfolgten beide Unternehmen komplett unterschiedliche Strategien. So war Mobilcom an einem möglichst hohen Tarif interessiert, um möglichst viel Geld einzunehmen, während Freenet die Tarife gerne flexibler gestaltet hätte, um mehr Kunden zu bekommen. "Da wir nun das Festnetz besitzen, können wir am Markt aggressiver auftreten und besser um neue Kunden kämpfen", erklärt Eckard Spoerr.
Das Festnetz birgt ein millionenschweres Einsparpotenzial. Um bis zu 40 Millionen Euro jährlich will der ehrgeizige Vorstands-Chef so die Kosten senken. Unter anderem durch den Ausbau von Points of Interconnect (POI) genannten Knotenpunkten. Diese verknüpfen das Netz der Deutschen Telekom mit dem Netz von Freenet. Da die Regulierungsbehörde vorschreibt, dass mit steigender POI-Zahl die Weiterleitungskosten sinken, verringern sich diese bei Freenet ab dem kommenden Jahr um 40 Prozent.
Der Kauf des Festnetzes hätte für Spoerrs Truppe nicht besser laufen können. Denn schon seit mehr als einem Jahr warten seine Mitarbeiter das Netz im Auftrag von Mobilcom. Dabei wurden nochmals 25 Millionen Euro investiert, die voll von der angeschlagenen Mutter getragen wurden.
Aber auch für Mobilcom-Aktionäre machte sich der Deal bezahlt. Bedingt durch den Freenet-Aufstieg kletterte die Mobilcom-Aktie kräftig. Besonders gewiefte Anleger schichten derzeit von Freenet in Mobilcom um, da sie über diesen "Umweg" Freenet mit einem Abschlag bekommen - und das operative Mobilcom-Geschäft gibt es quasi umsonst dazu. Ob das "kostenlose" Geschäft des Mobilfunk-Serviceproviders jedoch so spannend ist, bleibt dahingestellt: Im ersten Quartal schrieb Mobilcom mit 4,5 Millionen Kunden bei einem Umsatz von rund 321 Millionen Euro einen Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von rund 5,2 Millionen Euro. Doch noch dieses Jahr soll die Gewinnschwelle erreicht werden.
Selbst Mobilcom-Großaktionär Gerhard Schmid, der 40 Prozent hält, dürfte sich über die Entwicklung freuen, hat für ihn damit doch der letzte Rettungsanker gegriffen: Insider behaupten, bei Mobilcom-Kursen um die acht Euro seien seine Kredite komplett gedeckt.
Während die Freenet-Aktie noch von einem Hoch zum nächsten stürmt, wollen einige Börsianer am liebsten bereits das nächste Kapitel der Sensations-Story schreiben. Demnach soll Mobilcom Freenet komplett übernehmen. Das würde Fianzminister Eichel kräftig ärgern und wäre für beide Firmen nicht ohne Reiz. Denn ohne profitables Geschäft könnte Mobilcom seine Verlustvorträge von rund 2,5 Milliarden Euro wohl nie aufbrauchen. Freenet hingegen verfügt über entsprechendes Business und könnte dank der Mobilcom-Verlustvorträge kräftig Steuern sparen.
Ob dieses Modell umgesetzt wird, ist völlig offen. Ein Mobilcom-Sprecher wollte das Gerücht nicht kommentieren. Die kreditgebenden Banken, die noch vor Wochen den Verkauf von Freenet zur Deckung der Kredite forderten, lehnen das Modell nicht rundweg ab. Damit ist zumindest eines sicher: Die Mobilcom-Familie wird auch künftig für Schlagzeilen sorgen.
13.07.2003 11:59:00
Wie in der Blütezeit des Neuen Markts schoss die Aktie von Freenet in wenigen Monaten raketengleich um rund 1100 Prozent in die Höhe - und zog auch Konzernmutter Mobilcom mit. Geht der Aufstieg weiter oder droht den beiden Telekom- Papieren jetzt der Absturz?
von Tobias Meister
Dass der Börsenstar des Jahres 2003 aus dem Umfeld des angeschlagenen Telekom-Unternehmens Mobilcom kommt, ahnte vor wenigen Monaten niemand. Und doch: Die Internet-Tochter Freenet, an der die Büdelsdorfer 76 Prozent halten, ist in der Mobilcom-Schatulle eine echte Rakete. Der Hamburger Internet-Dienstleister legte einen sagenhaften Kursanstieg hin. Von Tiefstkursen bei 3,30 Euro im Oktober 2002 kletterte das Papier in der Spitze um mehr als 1100 Prozent auf fast 40 Euro. "Die Freenet-Story erinnert mich schon sehr an vergangene Boomzeiten des Neuen Marktes", sagt denn auch ein Händler.
Ein interessanter Nebenaspekt der Freenet-Rally: Auch die Mutter Mobilcom profitiert dank ihrer Beteiligung von dem strahlenden Comeback an der Börse. Mittlerweile ist Freenet über den Umweg Mobilcom sogar mit Discount zu bekommen, denn allein das Freenet-Paket der Büdelsdorfer ist derzeit mehr wert als die gesamte Marktkapitalisierung von Mobilcom (siehe Interview). Ganz unschuldig ist der Mutterkonzern an dem raketenhaften Aufstieg nicht. Denn gestartet wurde dieser durch den Verkauf der Mobilcom-Festnetzsparte an die Tochter. Monatelang kämpfte Freenet-Chef Eckhard Spoerr um diese. Ohne Ergebnis. Doch dann kam dem Schwaben Mobilcoms akute Geldnot entgegen. So zahlte Freenet schlussendlich 35 Millionen Euro an Mobilcom - und kaum ein Börsianer verstand Mitte März auf Anhieb, welchen Mega-Deal Spoerr da gemacht hatte.
Denn solange Mobilcom noch das Festnetz besaß, musste Freenet als reiner Internet-Zugangsdienst funktionieren. Surften die Freenet-Kunden erst einmal über die Mobilcom-Leitungen, wurden die Hamburger mit kleinen Provisionen abgespeist. Genau dies bemängelten Analysten in der Vergangenheit immer wieder an Freenet. Im Vergleich zu Konkurrent T-Online, der den kompletten Umsatz verbuchen konnte, blieb bei Freenet immer nur ein Bruchteil hängen. Der Rest ging an Mobilcom.
Zudem verfolgten beide Unternehmen komplett unterschiedliche Strategien. So war Mobilcom an einem möglichst hohen Tarif interessiert, um möglichst viel Geld einzunehmen, während Freenet die Tarife gerne flexibler gestaltet hätte, um mehr Kunden zu bekommen. "Da wir nun das Festnetz besitzen, können wir am Markt aggressiver auftreten und besser um neue Kunden kämpfen", erklärt Eckard Spoerr.
Das Festnetz birgt ein millionenschweres Einsparpotenzial. Um bis zu 40 Millionen Euro jährlich will der ehrgeizige Vorstands-Chef so die Kosten senken. Unter anderem durch den Ausbau von Points of Interconnect (POI) genannten Knotenpunkten. Diese verknüpfen das Netz der Deutschen Telekom mit dem Netz von Freenet. Da die Regulierungsbehörde vorschreibt, dass mit steigender POI-Zahl die Weiterleitungskosten sinken, verringern sich diese bei Freenet ab dem kommenden Jahr um 40 Prozent.
Der Kauf des Festnetzes hätte für Spoerrs Truppe nicht besser laufen können. Denn schon seit mehr als einem Jahr warten seine Mitarbeiter das Netz im Auftrag von Mobilcom. Dabei wurden nochmals 25 Millionen Euro investiert, die voll von der angeschlagenen Mutter getragen wurden.
Aber auch für Mobilcom-Aktionäre machte sich der Deal bezahlt. Bedingt durch den Freenet-Aufstieg kletterte die Mobilcom-Aktie kräftig. Besonders gewiefte Anleger schichten derzeit von Freenet in Mobilcom um, da sie über diesen "Umweg" Freenet mit einem Abschlag bekommen - und das operative Mobilcom-Geschäft gibt es quasi umsonst dazu. Ob das "kostenlose" Geschäft des Mobilfunk-Serviceproviders jedoch so spannend ist, bleibt dahingestellt: Im ersten Quartal schrieb Mobilcom mit 4,5 Millionen Kunden bei einem Umsatz von rund 321 Millionen Euro einen Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von rund 5,2 Millionen Euro. Doch noch dieses Jahr soll die Gewinnschwelle erreicht werden.
Selbst Mobilcom-Großaktionär Gerhard Schmid, der 40 Prozent hält, dürfte sich über die Entwicklung freuen, hat für ihn damit doch der letzte Rettungsanker gegriffen: Insider behaupten, bei Mobilcom-Kursen um die acht Euro seien seine Kredite komplett gedeckt.
Während die Freenet-Aktie noch von einem Hoch zum nächsten stürmt, wollen einige Börsianer am liebsten bereits das nächste Kapitel der Sensations-Story schreiben. Demnach soll Mobilcom Freenet komplett übernehmen. Das würde Fianzminister Eichel kräftig ärgern und wäre für beide Firmen nicht ohne Reiz. Denn ohne profitables Geschäft könnte Mobilcom seine Verlustvorträge von rund 2,5 Milliarden Euro wohl nie aufbrauchen. Freenet hingegen verfügt über entsprechendes Business und könnte dank der Mobilcom-Verlustvorträge kräftig Steuern sparen.
Ob dieses Modell umgesetzt wird, ist völlig offen. Ein Mobilcom-Sprecher wollte das Gerücht nicht kommentieren. Die kreditgebenden Banken, die noch vor Wochen den Verkauf von Freenet zur Deckung der Kredite forderten, lehnen das Modell nicht rundweg ab. Damit ist zumindest eines sicher: Die Mobilcom-Familie wird auch künftig für Schlagzeilen sorgen.