MOLLIGE ERDE
Der Planet wird fetter
Unser Heimatplanet ähnelt mehr einem Kürbis als einer perfekten Kugel. Am Äquator hat die Erde, wie Forscher entdeckt haben, in den letzten vier Jahren sogar zugelegt.
Mancher Mensch wird im Alter dick um die Hüften, und ein wenig scheint das auch für die Erde zu gelten: Der Blaue Planet hat, wie US-amerikanische Geowissenschaftler herausgefunden haben, in jüngster Zeit zugelegt. Die Ursachen für das Anwachsen am Äquator seien ungewiss, berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Science".
Eine leichte Kürbisform hatte die Erde ohnehin schon: Unter anderem wegen ihrer Rotation ist sie am Äquator etwas molliger als eine perfekte Kugel. Diese irdischen Rundungen verändern sich jedoch mit der Zeit; Geologen bezeichnen den Effekt als "dynamische Abplattung". Gemessen wird der Planetenbauch mit einer Maßeinheit namens J2, die Einflüsse der Gezeiten ausschließt.
Seit dieser Wert vor rund 20 Jahren erstmals ermittelt wurde, nahm die Abplattung der Erde, abgesehen von jahreszeitlichen Schwankungen, kontinuierlich ab. Christopher Cox und Benjamin Chao vom Goddard Space Flight Center der US-Raumfahrtbehörde Nasa haben nun Lasermessungen verschiedener Satelliten seit 1979 ausgewertet und daraus die Entwicklung von J2 errechnet.
Das Ergebnis widersprach den Erwartungen: Nachdem der Wert lange Zeit gesunken war, kehrten sich die Verhältnisse vor vier Jahren plötzlich um. Wie die Daten der Wissenschaftler zeigen, wächst J2 etwa ab 1998 wieder an - der Planet wird platter, die Kürbisform ausgeprägter. Als Grund kommt, wie Cox und Chao schreiben, nur eine Umverteilung der Masse von hohen zu niedrigen Breiten in Frage.
Worin aber diese Umverteilung besteht, ist noch unklar. Ein Abschmelzen der polaren Eisvorkommen oder der Alpengletscher könne die Beobachtung nach heutigem Kenntnisstand nicht erklären, schreiben Anny Cazenave von der französischen Weltraumbehörde CNES und Steven Nerem von der University of Colorado in Boulder in einem "Science"-Begleitkommentar.
Es bleiben den Forschern zufolge nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder gab es eine plötzliche Veränderung der Strömungen im äußeren, flüssigen Erdkern, auf die auch ein 1999 gemessener "Ruck" im geomagnetischen Feld hindeute. Oder eine Umverteilung von Masse in den Ozeanen, etwa durch Auswirkungen des starken El Niño von 1997 bis 1998, ist schuld. Dafür gebe es aber derzeit keine Beweise, so die Wissenschaftler.
Spiegel