FRANKFURT/MAIN (cw). Boehringer Ingelheim und Eli Lilly haben eine Allianz zur weltweiten Entwicklung und Vermarktung neuer Antidiabetika geschlossen. Die Kooperation betrifft je zwei Wirkstoffe von Boehringer und zwei von Lilly plus Option auf einen fünften, einen Antikörper aus der frühen Lilly-Pipeline.
Am weitesten fortgeschritten ist Boehringers Linagliptin. Mit der Zulassung dieses oralen Typ-2-Kandidaten wird in Kürze gerechnet. Erste Markteinführungen sind bereits für das erste Halbjahr 2011 terminiert.
Die Kooperation mit einem der ganz großen Traditionsanbieter im Diabetes-Geschäft ist ein erster sichtbarer Erfolg für die noch recht junge Boehringer-Diabetes-Forschung. 300 Millionen Euro fließen dem Unternehmen zunächst zu; meilensteinabhängig kann das Familienunternehmen maximal weitere 625 Millionen Euro beanspruchen. Lilly verspricht die Allianz meilensteinabhängig bis zu 650 Millionen Dollar. Der Saldo zugunsten Boehringers erklärt sich dadurch, dass deren Kandidaten klinisch weiter fortgeschritten sind als diejenigen der Amerikaner. Die laufenden Entwicklungskosten sollen von beiden Partnern zu gleichen Teilen aufgebracht werden. Auch Marketingkosten sowie Bruttomargen nach erfolgreicher Zulassung sollen paritätisch geteilt werden.
Boehringer bringt sein orales Antidiabetikum Linagliptin sowie den experimentellen Wirkstoff BI 10773 in die Allianz ein, Lilly ein neuartiges basales Analoginsulin (LY 2605541) und ein Glargin-Biosimilar (LY 2963016). Alle vier Produkte zusammen hätten das Potenzial, Peak Sales von rund zehn Milliarden Euro zu erzielen, versicherte Boehringer-Vorstand Engelbert Tjeenk Willink bei Bekanntgabe der Allianz in Frankfurt.
Zudem erhält Boehringer die Möglichkeit, sich an der Entwicklung und Vermarktung eines TGF-beta-Antikörpers zu beteiligen. Das Mittel, aktuell noch in Phase II, soll Patienten mit Diabetes und chronischem Nierenleiden helfen. Sollte Boehringer diese Option wahrnehmen - bei erfolgreichem Abschluss der klinischen Phase II -, könnten zulassungsrelevante Meilensteinzahlungen an Lilly bis zu 525 Millionen Dollar fällig werden.
"Durch unsere Allianz entsteht eine der vielversprechendsten Diabetes-Pipelines in der pharmazeutischen Industrie", kommentierte Lilly-Konzernchef Dr. John C. Lechleiter den Deal. Boehringer-Chef Professor Dr. Dr. Andreas Barner zeigte sich überzeugt davon, die gemeinsame Entwicklung werde Resultate bringen, die "einen wirklichen Nutzen für Ärzte und Patienten bringen".
Produktkandidaten der Boehringer-Lilly-Allianz
• Zur Zulassung in Europa, den USA und Japan bereits eingereicht: Der Dipeptidylpeptidase-4-Hemmer Linagliptin. Das orale Antidiabetikum aus der Forschung von Boehringer Ingelheim wäre bei Zulassung das vierte Mittel dieser recht jungen Wirkstoffklasse.
Derzeit schon im Markt sind Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin. Ein weiteres Familienmitglied, Takedas Alogliptin, wartet ebenfalls noch auf das OK der Behörden. Als starken Zusatznutzen seines Gliptins macht Boehringer dessen sehr geringe Ausscheidung über die Nieren geltend.
Nur rund fünf Prozent des Wirkstoffes würden über die Nieren, der Großteil dagegen über Galle und Darm ausgeschieden. Damit sei Linagliptin das einzige Gliptin, dass selbst bei Typ-2-Diabetikern mit Nierenschädigung ohne Dosisanpassung eingesetzt werden könne.
Getestet wurde das Mittel an bis dato mehr als 6000 Patienten sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit Metformin und Pioglitazon.
• Boehringers zweiter Beitrag zur Diabetes-Allianz mit Lilly: ein Antagonist des natriumabhängigen Glukosetransporter-2 (SGLT-2-Inhibitor). Diese neue Wirkstoffklasse, aus der noch kein Kandidat zugelassen ist, hemmt die Glukoserückresorption in der Niere.
Das gesamte Phase-III-Programm für BI 10773, das im Sommer 2010 anlief, soll etwa 10.000 Patienten einschließen, heißt es. Wenn die Daten stimmen, könnte die Zulassung in Europa und den USA 2013 beantragt werden.