Analysten halten jüngste Kursschwäche aber nicht für Trendwende - Anstieg bis 1,40 Dollar noch vorstellbar
von Beatrix Wirth
Berlin - Beim Ausgang eines Boxkampfes ist manchmal nicht nur die Fitness der Athleten, sondern auch die Stimmung in der Halle mitentscheidend. Auf ähnliche Weise ließ sich der jüngste Höhenflug des Euro bis an die Marke von fast 1,20 Dollar erklären. Gegen die übermächtigen Fans der Gemeinschaftswährung kamen die ökonomischen Ringrichter nicht an: Punkt für Punkt ging an den Euro, selbst fundamentale Schwächen gegenüber der Dollar-Konkurrenz wurden großzügig übersehen. Doch nun scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Seit einigen Tagen wird der Euro angezählt; in kürzester Zeit sackte er um rund fünf Cent auf 1,14 Dollar ab. Steht das K. o. bevor?
In der Tat gäbe es dafür einige Argumente. So schafften es die konjunkturstimulierenden Steuerpläne der deutschen Regierung nicht, die Euro-Anhänger bei Laune zu halten. Und selbst positive Faktoren wie die jüngste Zinssenkung der US-Notenbank konnten den Leistungsknick des Euro nicht verhindern - obwohl eine vergrößerte Zinsdifferenz eigentlich die Attraktivität von Euro-Anlagen verstärkt und damit für die Gemeinschaftswährung spricht. Seitdem hat sich die Abwärtsbewegung sogar noch beschleunigt.
Dennoch sei dies keinesfalls die Trendwende, weisen Währungsexperten den Herausforderer Dollar in die Schranken. In Zeiten extrem niedriger Renditen weltweit gehe die Zinsdifferenzrechnung schlichtweg nicht mehr auf. "Auch war der US-Zinsschritt um 25 Basispunkte zu klein, als dass er das Verhältnis zwischen Euro- und Dollar-Investments grundlegend umkehren würde", sagt Ulrich Beckmann, Leiter Global Markets bei der Deutschen Bank. Er interpretiert die Kurskorrektur als überfällige technische Reaktion auf den vorherigen rasanten Anstieg. "Wir haben eine Übertreibung gesehen, die sich jetzt normalisiert." Nun werde der Euro erst einmal auf der Stelle treten, sich dann aber auf Zwölf-Monats-Sicht an die Marke von 1,25 Dollar herantasten. Ulrich Wortberg, Währungsanalyst bei der DZ Bank, unterstreicht dieses Szenario. "Ich erwarte, dass der Euro aus der überkauften Situation heraus noch weiter bis zu den Unterstützungslinien bei 1,10 oder sogar 1,08 Dollar konsolidiert", sagt er. "Die verbesserten US-Konjunkturdaten stützen diese Bewegung aus fundamentaler Sicht." Nichtsdestotrotz bleibe der übergeordnete Aufwärtstrend bestehen. So habe sich an der grundlegenden Positionierung am Markt noch nicht viel geändert: Viele Händler seien weiter bullish für den Euro eingestellt.
Aus Sicht von Ökonomen gibt es dafür gute Gründe. Selbst wenn beim Dollar - wie zuvor beim Euro - derzeit nur Positives wahrgenommen wird, bleiben die belastenden Faktoren schließlich bestehen. Dies gestehen auch US-Experten ein. Einen der vordringlichsten Anlässe zur Sorge gibt ihnen weiterhin das enorme US-Leistungsbilanzdefizit. Nach Berechnungen der amerikanischen Bank Wachovia dürfte es sich in diesem Jahr auf 550 Mrd. Dollar summieren - während gleichzeitig die zur Finanzierung notwendigen Kapitalströme aus dem Ausland deutlich unter dieses Niveau gefallen sind. "Zwar hilft die Abwertung des Dollar, das Defizit zu minimieren. Doch wird sich die Lücke zwischen Exporten und Importen erst schließen, wenn bei den Abnehmern amerikanischer Exporte das Wachstum anzieht. Und dies ist nicht in Sicht", schreiben die Wachovia-Volkswirte in einer aktuellen Studie. Ähnliches gelte für die Kapitalzuflüsse: Sie würden erst wieder steigen, wenn die US-Konjunktur deutlich an Fahrt gewänne. "Zwar gehen wir von einem Wachstum aus, aber es dürfte nicht so stark ausfallen, als dass es die Investoren wieder in Scharen in die USA ziehen würde." Das Fazit der Experten lautet daher: "Der Druck auf den Dollar wird auf absehbare Zeit anhalten."
Die Phase könnte sogar länger dauern, als viele Analysten derzeit erwarten, meint Deutsche-Bank-Volkswirt Beckmann. "Am Devisenmarkt dauert ein Zyklus erfahrungsgemäß fünf bis sieben Jahre. Veranschlagt man den Beginn des Euro-Aufwärtstrends auf den Sommer 2001, könnte die Gemeinschaftswährung bis zum Jahr 2006 Oberhand behalten." Dass der Markt dabei so stark nach oben übertreibt, wie er es einst nach unten getan hat, hält Beckmann durchaus für vorstellbar: "Statt eines Wechselkurses von ,82 Dollar könnten wir dann auch einmal 1,40 Dollar sehen." Angesichts solcher Bewegungen wäre die jüngste Euro-Schwäche dann wirklich nur ein kleiner Durchhänger.
von Beatrix Wirth
Berlin - Beim Ausgang eines Boxkampfes ist manchmal nicht nur die Fitness der Athleten, sondern auch die Stimmung in der Halle mitentscheidend. Auf ähnliche Weise ließ sich der jüngste Höhenflug des Euro bis an die Marke von fast 1,20 Dollar erklären. Gegen die übermächtigen Fans der Gemeinschaftswährung kamen die ökonomischen Ringrichter nicht an: Punkt für Punkt ging an den Euro, selbst fundamentale Schwächen gegenüber der Dollar-Konkurrenz wurden großzügig übersehen. Doch nun scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Seit einigen Tagen wird der Euro angezählt; in kürzester Zeit sackte er um rund fünf Cent auf 1,14 Dollar ab. Steht das K. o. bevor?
In der Tat gäbe es dafür einige Argumente. So schafften es die konjunkturstimulierenden Steuerpläne der deutschen Regierung nicht, die Euro-Anhänger bei Laune zu halten. Und selbst positive Faktoren wie die jüngste Zinssenkung der US-Notenbank konnten den Leistungsknick des Euro nicht verhindern - obwohl eine vergrößerte Zinsdifferenz eigentlich die Attraktivität von Euro-Anlagen verstärkt und damit für die Gemeinschaftswährung spricht. Seitdem hat sich die Abwärtsbewegung sogar noch beschleunigt.
Dennoch sei dies keinesfalls die Trendwende, weisen Währungsexperten den Herausforderer Dollar in die Schranken. In Zeiten extrem niedriger Renditen weltweit gehe die Zinsdifferenzrechnung schlichtweg nicht mehr auf. "Auch war der US-Zinsschritt um 25 Basispunkte zu klein, als dass er das Verhältnis zwischen Euro- und Dollar-Investments grundlegend umkehren würde", sagt Ulrich Beckmann, Leiter Global Markets bei der Deutschen Bank. Er interpretiert die Kurskorrektur als überfällige technische Reaktion auf den vorherigen rasanten Anstieg. "Wir haben eine Übertreibung gesehen, die sich jetzt normalisiert." Nun werde der Euro erst einmal auf der Stelle treten, sich dann aber auf Zwölf-Monats-Sicht an die Marke von 1,25 Dollar herantasten. Ulrich Wortberg, Währungsanalyst bei der DZ Bank, unterstreicht dieses Szenario. "Ich erwarte, dass der Euro aus der überkauften Situation heraus noch weiter bis zu den Unterstützungslinien bei 1,10 oder sogar 1,08 Dollar konsolidiert", sagt er. "Die verbesserten US-Konjunkturdaten stützen diese Bewegung aus fundamentaler Sicht." Nichtsdestotrotz bleibe der übergeordnete Aufwärtstrend bestehen. So habe sich an der grundlegenden Positionierung am Markt noch nicht viel geändert: Viele Händler seien weiter bullish für den Euro eingestellt.
Aus Sicht von Ökonomen gibt es dafür gute Gründe. Selbst wenn beim Dollar - wie zuvor beim Euro - derzeit nur Positives wahrgenommen wird, bleiben die belastenden Faktoren schließlich bestehen. Dies gestehen auch US-Experten ein. Einen der vordringlichsten Anlässe zur Sorge gibt ihnen weiterhin das enorme US-Leistungsbilanzdefizit. Nach Berechnungen der amerikanischen Bank Wachovia dürfte es sich in diesem Jahr auf 550 Mrd. Dollar summieren - während gleichzeitig die zur Finanzierung notwendigen Kapitalströme aus dem Ausland deutlich unter dieses Niveau gefallen sind. "Zwar hilft die Abwertung des Dollar, das Defizit zu minimieren. Doch wird sich die Lücke zwischen Exporten und Importen erst schließen, wenn bei den Abnehmern amerikanischer Exporte das Wachstum anzieht. Und dies ist nicht in Sicht", schreiben die Wachovia-Volkswirte in einer aktuellen Studie. Ähnliches gelte für die Kapitalzuflüsse: Sie würden erst wieder steigen, wenn die US-Konjunktur deutlich an Fahrt gewänne. "Zwar gehen wir von einem Wachstum aus, aber es dürfte nicht so stark ausfallen, als dass es die Investoren wieder in Scharen in die USA ziehen würde." Das Fazit der Experten lautet daher: "Der Druck auf den Dollar wird auf absehbare Zeit anhalten."
Die Phase könnte sogar länger dauern, als viele Analysten derzeit erwarten, meint Deutsche-Bank-Volkswirt Beckmann. "Am Devisenmarkt dauert ein Zyklus erfahrungsgemäß fünf bis sieben Jahre. Veranschlagt man den Beginn des Euro-Aufwärtstrends auf den Sommer 2001, könnte die Gemeinschaftswährung bis zum Jahr 2006 Oberhand behalten." Dass der Markt dabei so stark nach oben übertreibt, wie er es einst nach unten getan hat, hält Beckmann durchaus für vorstellbar: "Statt eines Wechselkurses von ,82 Dollar könnten wir dann auch einmal 1,40 Dollar sehen." Angesichts solcher Bewegungen wäre die jüngste Euro-Schwäche dann wirklich nur ein kleiner Durchhänger.