Ulrich Engler sammelte bei Anlegern Millionen ein. Nun ist er verschwunden – und mit ihm das Geld
Ulrich Engler hat zwei Biografien. Die frei erfundene ist die des seriösen Kapitalmarktfachmanns. Danach ist er 25 Jahre lang als internationaler Banker tätig gewesen und hat bis 2003 bei der Chase Manhattan Bank, die heute zu JP Morgan gehört, den internationalen Devisenhandel geleitet. Mit diesem Lebenslauf warb Engler im Internet und in Zeitungsanzeigen für hochverzinsliche Geldanlagen seiner Firma Private Commercial Office. Seine wahre Biografie aber ist geprägt von Betrugsfällen. Die Amtsgerichte Riedlingen, Böblingen und München haben ihn wegen Vermögensdelikten verurteilt, das Amtsgericht Mannheim versucht derzeit, seine Auslieferung aus Florida zu erwirken. Der Vorwurf: „gemeinschaftlicher Betrug in besonders schweren Fällen“.
Englers Masche ist typisch für den unregulierten Kapitalmarkt, der seit Jahren von der Gier und der Unwissenheit der Anleger lebt. Mit hohen Zinsversprechungen locken unseriöse Vermögensberater Kunden in Inhaberschuldverschreibungen. Geht das Unternehmen pleite, verliert der Anleger alles – die versprochene Rendite und den Einsatz. Mehr als 100 000 Anleger verloren allein in den vergangenen Jahren bei den spektakulären Pleiten von Vermögensgarant, Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West, DM Beteiligungen und First Real Estate ein Vermögen, das nach Schätzungen von Anlegerschützern in die Milliarden geht.
In die Reihe der Geprellten können sich nun auch die Engler-Anleger einreihen. Der Hochstapler, der sich in einschlägigen Foren „Richie“ nennt und laut JP Morgan nie einen Tag bei der Chase Manhattan gearbeitet hat, ist seit September untergetaucht. Mit ihm sind 120 bis 160 Mio. $ an Anlegergeldern verschwunden. Auf diese Summe schätzt die Staatsanwaltschaft Mannheim derzeit den Schaden in Deutschland.
„Tatsächlich hat er wahrscheinlich rund 450 Mio. $ eingesammelt“, sagt Anlegeranwalt Peter Mattil. Denn Vertriebsleute seien neben Deutschland auch in Österreich, Liechtenstein und der Schweiz tätig gewesen. „Das ganze Ausmaß wird vermutlich nie herauskommen, da in Liechtenstein viel Schwarzgeld eingesammelt wurde“, sagt Anwalt Stefan Winheller. Diese Anleger fürchteten selbst die Strafverfolgung und würden daher auf eine Anzeige verzichten. Die Anwälte vermuten, dass Engler mit seiner Daytrading-Scheinfirma rund 5000 Anleger geschädigt hat.
Besonders schmerzlich für die Betrogenen: „Engler hat seine Geschäfte komplett aus den USA heraus gesteuert“, sagt Winheller. „Wir haben es so gut wie abgeschrieben, an ihn und das Geld heranzukommen.“ Die Anwälte suchen nun hauptsächlich nach den Vermittlern der Engler-Produkte – vor allem nach jenen, die die hohen Provisionen von teilweise bis zu 30 Prozent abkassiert haben. Vor allem die fünf Hauptvermittler dürften Post von den Anwälten bekommen. „Bisher ist leider nur einer in Untersuchungshaft“, sagt Winheller. Er vermutet, dass die anderen noch frei sind, weil die Staatsanwaltschaft überlastet ist.
Ein Vermittler versucht sogar, die Anleger mit abstrusen Methoden zu beruhigen. In einem Brief, der der FTD vorliegt, heißt es, Engler sei vermutlich aufgrund von zwei Hurrikans etwas zugestoßen, daher könne er sich nicht melden. „Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie Herrn Engler auch weiterhin Ihr Vertrauen schenken und wir die ganze Angelegenheit für Sie zu Ihrer Zufriedenheit abschließen können“, heißt es weiter. „Das sind reine Ablenkungsmanöver“, sagt Mattil. „Den Vermittlern dürfte klar sein, dass sie ohne Lizenz der Finanzaufsicht BaFin gearbeitet haben und damit in jedem Fall gegen das Kreditwesengesetz verstoßen haben.“
Mattil und Winheller vermuten, dass Englers Betrugsmasche nicht aufgeflogen wäre, hätte er nicht Anfang des Jahres seine Werbestrategie verändert. Zum Verhängnis wurden dem selbst ernannten Börsenspezialisten aufmerksame Zuschauer bei einem Uefa-Pokalspiel von Bayer Leverkusen und beim Internationalen Galopprennen in Baden-Baden im Frühjahr. Englers Leute hatten großzügig Werbeflächen angemietet – der Slogan: „US-Land-Banking. Verdoppeln Sie Ihr Kapital in vier Jahren.“ „So etwas wie US-Land-Banking gibt es überhaupt nicht. Da haben wohl ein paar Fußball- und Pferderennfans zugeschaut, die dem Quatsch nachgegangen sind“, sagt Winheller.
Daraufhin wurden im August das Landeskriminalamt Baden-Württemberg und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aktiv. Die BaFin ordnete die sofortige Rückabwicklung der Engler-Geschäfte an. Allerdings kann keine der Behörden in den Vereinigten Staaten etwas ausrichten. Schon machen Gerüchte die Runde, dass besonders verärgerte Anleger Kopfgeldjäger auf Engler ansetzen wollen.
Quelle: heutige FTD
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Gruß Pichel