SPIEGEL ONLINE - 17. Oktober 2002, 16:52
URL: www.spiegel.de/panorama/0,1518,218589,00.html
Djerba-Anschlag
Deutscher soll führendes al-Qaida-Mitglied sein
Der zum Islam konvertierte Deutsche Christian G. geriet schon kurz nach dem Anschlag auf der tunesischen Insel Djerba ins Visier der Ermittler. Neue Erkenntnisse zeigen jetzt auch, dass er offenbar ein hochrangiges Mitglied der al-Qaida war und sogar Osama Bin Laden getroffen hat.
Karlsruhe - Generalbundesanwalt Kay Nehm ist mittlerweile davon überzeugt, dass Christian G. aus Mülheim an der Ruhr "Zugang zum ersten Führungszirkel von al-Qaida hatte", wie er dem ARD-Magazin "Panorama" sagte, das am Donnerstag um 20 Uhr 15 über den Fall berichtet. Fahnder hätten den 35-Jährigen als al-Qaida-Mitglied eingestuft, berichtet das Magazin weiter. Trotzdem lebt der Mann weiter unbehelligt im Ruhrgebiet.
Christian G. war den Fahndern durch ein abgehörtes Telefonat im April 2002 aufgefallen, als ihn der Attentäter von Djerba, Nizar Ben Mohammed Nawar, unmittelbar vor dem Anschlag auf die La-Ghriba-Synagoge um seinen "Segen" gebeten hatte. Bei dem Attentat kamen 21 Menschen ums Leben, darunter 14 deutsche Touristen.
Am Tisch mit Osama Bin Laden
Wie bereits berichtet, war Christian G. nach seinen eigenen Aussagen insgesamt fünf Mal in afghanischen Ausbildungslagern der al-Qaida. Dort lernte er auch den Terror-Chef Osama Bin Laden kennen. Bisher hatte der Verdächtige jedoch immer bestritten, Mitglied im Terror-Netzwerk zu sein oder mit geplanten Anschlägen zu tun zu haben. Sogar nach den Anschlägen vom 11. September reiste G. noch einmal nach Afghanistan.
Nun aber belasten den Deutschen Aussagen des Jordaniers Shadi A. schwer. Der wichtige Zeuge, der im Frühjahr wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in Terror-Zelle "al-Tawhid" festgenommen worden war, sagte umfassend über seine Erinnerungen an Christian G. und andere Deutsche in den Lagern Bin Ladens aus. So will Shadi A. den Deutschen, der von seinen Glaubensbrüdern "Ibrahim" genannte wird, im Sommer 2000 in einem Trainingscamp in Kandahar gesehen haben.
Zugang zu abgeschotteten Bereichen
Was Shadi A. weiter aussagte, wirft ein neues Bild auf Christian G., der sich weiterhin unschuldig gibt. Den Aussagen zufolge habe Christian G. Zutritt zu abgeschotteten Bereichen auf dem Flughafen Kandahar gehabt, in die nur der engste Kreis der Terroristen durfte. Das abgeschottete Gebäude nahe des Flughafens sei nur für Araber zugänglich gewesen, so die Aussage. Christian G. müsse daher eine besondere Stellung gehabt haben, so Shadi A. weiter. Die Bundesanwaltschaft wollte sich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht zu den neuen Details äußern. Die Behörde hatte jedoch schon zuvor mehrmals die Wichtigkeit des Zeugen Shadi A. unterstrichen.
Nach Recherchen von "Panorama" soll Christian G. in Afghanistan beim Betreiben der Computeranlage der Terrororganisation geholfen haben. Dazu habe er spezielle Software aus Deutschland beschaffen sollen, die den Zugang ins Internet über Satellitentelefone ermögliche. Warum diese Software, die relativ leicht erhältlich ist, so umständlich beschafft werden sollte, blieb unklar.
Die gesammelten Fakten lassen die Ermittler mittlerweile sicher sein, dass Christian G. viel mehr über die al-Qaida weiß, als er bisher zugibt. Der 35-Jährige kann aber in Deutschland nicht belangt werden, weil die Unterstützung einer ausländischen Terrororganisation in Deutschland bis Ende August dieses Jahres nicht als Straftat galt. Erst Ende August trat er sogenannten Terror-Paragraph 129b in Kraft. Rückwirkend kann dieses Gesetz nicht mehr angewendet werden.
Matthias Gebauer
URL: www.spiegel.de/panorama/0,1518,218589,00.html
Djerba-Anschlag
Deutscher soll führendes al-Qaida-Mitglied sein
Der zum Islam konvertierte Deutsche Christian G. geriet schon kurz nach dem Anschlag auf der tunesischen Insel Djerba ins Visier der Ermittler. Neue Erkenntnisse zeigen jetzt auch, dass er offenbar ein hochrangiges Mitglied der al-Qaida war und sogar Osama Bin Laden getroffen hat.
Karlsruhe - Generalbundesanwalt Kay Nehm ist mittlerweile davon überzeugt, dass Christian G. aus Mülheim an der Ruhr "Zugang zum ersten Führungszirkel von al-Qaida hatte", wie er dem ARD-Magazin "Panorama" sagte, das am Donnerstag um 20 Uhr 15 über den Fall berichtet. Fahnder hätten den 35-Jährigen als al-Qaida-Mitglied eingestuft, berichtet das Magazin weiter. Trotzdem lebt der Mann weiter unbehelligt im Ruhrgebiet.
Christian G. war den Fahndern durch ein abgehörtes Telefonat im April 2002 aufgefallen, als ihn der Attentäter von Djerba, Nizar Ben Mohammed Nawar, unmittelbar vor dem Anschlag auf die La-Ghriba-Synagoge um seinen "Segen" gebeten hatte. Bei dem Attentat kamen 21 Menschen ums Leben, darunter 14 deutsche Touristen.
Am Tisch mit Osama Bin Laden
Wie bereits berichtet, war Christian G. nach seinen eigenen Aussagen insgesamt fünf Mal in afghanischen Ausbildungslagern der al-Qaida. Dort lernte er auch den Terror-Chef Osama Bin Laden kennen. Bisher hatte der Verdächtige jedoch immer bestritten, Mitglied im Terror-Netzwerk zu sein oder mit geplanten Anschlägen zu tun zu haben. Sogar nach den Anschlägen vom 11. September reiste G. noch einmal nach Afghanistan.
Nun aber belasten den Deutschen Aussagen des Jordaniers Shadi A. schwer. Der wichtige Zeuge, der im Frühjahr wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in Terror-Zelle "al-Tawhid" festgenommen worden war, sagte umfassend über seine Erinnerungen an Christian G. und andere Deutsche in den Lagern Bin Ladens aus. So will Shadi A. den Deutschen, der von seinen Glaubensbrüdern "Ibrahim" genannte wird, im Sommer 2000 in einem Trainingscamp in Kandahar gesehen haben.
Zugang zu abgeschotteten Bereichen
Was Shadi A. weiter aussagte, wirft ein neues Bild auf Christian G., der sich weiterhin unschuldig gibt. Den Aussagen zufolge habe Christian G. Zutritt zu abgeschotteten Bereichen auf dem Flughafen Kandahar gehabt, in die nur der engste Kreis der Terroristen durfte. Das abgeschottete Gebäude nahe des Flughafens sei nur für Araber zugänglich gewesen, so die Aussage. Christian G. müsse daher eine besondere Stellung gehabt haben, so Shadi A. weiter. Die Bundesanwaltschaft wollte sich aus ermittlungstaktischen Gründen nicht zu den neuen Details äußern. Die Behörde hatte jedoch schon zuvor mehrmals die Wichtigkeit des Zeugen Shadi A. unterstrichen.
Nach Recherchen von "Panorama" soll Christian G. in Afghanistan beim Betreiben der Computeranlage der Terrororganisation geholfen haben. Dazu habe er spezielle Software aus Deutschland beschaffen sollen, die den Zugang ins Internet über Satellitentelefone ermögliche. Warum diese Software, die relativ leicht erhältlich ist, so umständlich beschafft werden sollte, blieb unklar.
Die gesammelten Fakten lassen die Ermittler mittlerweile sicher sein, dass Christian G. viel mehr über die al-Qaida weiß, als er bisher zugibt. Der 35-Jährige kann aber in Deutschland nicht belangt werden, weil die Unterstützung einer ausländischen Terrororganisation in Deutschland bis Ende August dieses Jahres nicht als Straftat galt. Erst Ende August trat er sogenannten Terror-Paragraph 129b in Kraft. Rückwirkend kann dieses Gesetz nicht mehr angewendet werden.
Matthias Gebauer