Nie waren Deutschland und die USA wirtschaftlich enger verbunden als heute. Doch die anhaltende politische Eiszeit zwischen beiden Regierungen droht eine der größten Wirtschaftsallianzen der Welt nachhaltig zu gefährden. Dafür öffnen sich neue, überraschende Geschäftsfelder in Nahost.
Es sollte ein großer Tag für die deutsch-amerikanische Freundschaft werden. Führende Repräsentanten von US-Unternehmen waren eingeladen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber wollte eine eindringliche Rede halten, in der es um Gemeinsamkeiten und natürlich die ökonomische Bedeutung beider Staaten füreinander gehen sollte. Immerhin feierte man den 100. Geburtstag der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland.
Der Kaisersaal der Münchner Residenz war für den anschließenden Staatsempfang aufs Feinste herausgeputzt. Aber dann kam doch alles ein bisschen anders am vergangenen Mittwoch.
Der CSU-Chef musste den Termin kurzfristig um zwei Stunden verschieben, weil Bundespräsident Johannes Rau die Polit-Spitzen zum Krisengespräch über den Irak-Einmarsch nach Berlin bat. Einige der Teilnehmer des Münchner Beziehungsgipfels sagten daraufhin gleich ganz ab. Und selbst beim Büfett machten sich die Industrieführer rar.
Topmanager wie Siemens-Chef Heinrich von Pierer oder BMW-Boss Helmut Panke, die in den USA Milliardenbeträge investiert haben, ließen sich gar nicht blicken. Andere, wie der Ex-Bertelsmann-Vorstand Mark Wössner oder Rainer Hertrich, Co-Chef des deutsch-französischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, warteten, bis Stoiber im Turbotempo seine Rede heruntergenuschelt hatte, und ergriffen danach eiligst die Flucht.
War es Ignoranz? Wurden Deutschlands Unternehmensführer von der schlichten Angst beherrscht, in unsicheren Zeiten eigentlich nur das Falsche sagen zu können? Statt die US-Manager zu charmieren, um immer häufiger auftretende Zwistigkeiten auszuräumen, tauchten sie lieber ab. Das könnte sich bald rächen.
Schnell werde es "in Amerika heißen: Wir halten den Kopf hin, und die Deutschen halten sich raus. Das wird nicht ohne Folgen für die Wirtschaft bleiben", fürchtet Sigrid Zirbel, Referentin für internationale Märkte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
Der Chef der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York, Werner Walbröl, preist zwar einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, der "wirklich was hermacht", aber "ob das so bleibt, ist sehr fraglich", sagt der Lobbyist. Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, sieht gar "gravierende Spannungen", die das hiesige Wirtschaftswachstum bedrohen können. "Es ist ein Umsatzminus von zehn Prozent im Handel mit den USA zu befürchten. Das würde das Wachstum des Außenhandels um ein Prozent drücken und für die deutsche Wirtschaft insgesamt 0,33 Prozent weniger Wachstum bedeuten", orakelt Börner.
Schon heute hetzen Moderatoren regionaler US-Rundfunksender gegen deutsche Produkte und stacheln ihre Hörer zu antideutschen Parolen an. Die Website "germanystinks.com", die offen "Don't buy German" propagiert und auf der Besucher neue Namen für den "deutsch klingenden 'Hamburger'" vorschlagen sollen, brach zeitweise wegen des Andrangs zusammen. Selbst die US-Boulevardgazette "New York Post" des australoamerikanischen Medien-Tycoons Rupert Murdoch ruft martialisch zum "War on weasel wares" auf und offeriert mehrseitig US-Alternativen zu deutschen Bieren.
Deutsch-amerikanische Vereinigungen wie die "Atlantik-Brücke" versuchen fast rührend gegenzusteuern. In der "New York Times" schalteten sie eine ganzseitige Anzeige, um das Image der Deutschen wenigstens einigermaßen zurechtzurücken: "Heute, da die Welt sich gegen Terrorismus und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wehren muss, bekräftigen wir die Verbundenheit mit den Vereinigten Staaten."
Doch auch US-Politiker machen mittlerweile unverblümt Stimmung gegen die Deutschen. Der US-Kongressabgeordnete Robert Wexler sieht einen "tiefen Riss" in den Wirtschaftsbeziehungen, der "nicht so schnell zu beheben" sei. Andere Abgeordnete fabulieren, deutsche Unternehmensführer müssten sich jetzt "sehr große Sorgen machen", und räumen ein, Aktien deutscher Unternehmen verkauft zu haben.
Auch die Erhöhung von Einfuhrzöllen sowie eine "moralische Auftragsvergabe" bei öffentlichen Ausschreibungen wird laut gefordert. Die Botschaft ist immer die gleiche: Deutschland soll büßen. Patriotische Amerikaner wollen die Marken der Drückeberger zurückdrängen, um die Regierungen indirekt zu mehr Bündnistreue zu erziehen. "Am Ende trifft es eine Biermarke genauso wie eine Automarke", glaubt Verbandschef Börner.
Über konkrete Ausfälle und gekappte Verträge klagen bislang zwar eher kleine deutsche Unternehmen. Im Gegenzug rufen allenfalls mal französische Gastronomen in Hamburg zum Coca-Cola-Boykott auf und schenken in ihren Restaurants nur noch Afri-Cola aus. Aber die Warnungen werden lauter.
So sagt der ehemalige außenpolitische Berater von Altkanzler Helmut Kohl, Horst Teltschik, der neuerdings als Statthalter für den US-Luftfahrt- und -Rüstungsriesen Boeing in Deutschland fungiert, seine Kollegen sollten die antideutsche Stimmung in den USA nicht unterschätzen. "Praktisch das gesamte Geschäft, das mit US-Staatsaufträgen zu tun hat", weiß der Ex-BMW-Manager und Gastgeber der Münchner Sicherheitskonferenz, "ist schon jetzt zum Erliegen gekommen."
Je länger die transatlantische Beziehungskrise anhält, desto gravierender könnten seiner Ansicht nach auch die Folgen für die deutsche Industrie sein. "Die Amerikaner sind da knallhart." Freilich kommt Teltschik als Repräsentant eines US-Konzerns die schlechte Stimmung nicht ungelegen.
Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel: Rund 2000 Firmen mit US-Kapital residieren in Deutschland und beschäftigen ungefähr 800 000 Mitarbeiter. Mit 540 Milliarden Euro erwirtschaften sie mehr als jedes andere Land für die USA. Immerhin 14 Prozent tragen die deutschen Töchter zum Gesamtumsatz amerikanischer Unternehmen bei. Bis zum Jahr 2000 hielten die USA mit rund 61 Milliarden Euro 22 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland.
Umgekehrt sichern etwa 3000 Firmen mit deutschem Kapital bislang einer Million Menschen in den USA ihren Arbeitsplatz. 217 Milliarden Euro und damit über ein Drittel aller Direktinvestitionen hatte Deutschland bis zum Jahr 2000 in die USA transferiert. Damit bilden beide Länder eine der größten Wirtschaftsallianzen der Welt.
Auch beim Handel untereinander nehmen beide Partner eine Spitzenstellung ein. Deutschland exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von mehr als 66 Milliarden Euro in die USA und importierte von dort im selben Zeitraum Produkte für über 40 Milliarden Euro. Mehr als zehn Prozent aller Ausfuhren aus Deutschland gehen in die Neue Welt. Nur Frankreich bezieht noch mehr Güter aus Deutschland.
In öffentlichen Statements spielen die Industriebosse das Risiko eines drohenden Boykotts ihrer Produkte und Dienstleistungen in den USA noch herunter. "Wir erwarten keine größeren negativen Auswirkungen", bekannte EADS-Manager Hertrich erst kürzlich. In den USA hingegen reagieren deutsche Unternehmen angesichts der amerikanischen Drohgebärden immer nervöser.
Nach einer Umfrage der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer äußern sich zehn Prozent der 415 befragten Firmen "besorgt" über den Zustand der aktuellen Beziehungen, 40 Prozent beklagen "spürbare Beunruhigung" innerhalb der einheimischen Belegschaft und bei US-Geschäftspartnern.
So haben sich einige der 5200 SAP-Mitarbeiter in den USA an ihre Walldorfer Zentrale gewandt und gefragt, wie sie mit dem Streit umgehen sollen. "Wir versorgen die Kollegen dann per E-Mail mit Argumenten fürs deutsche Nein zum Irak-Krieg", sagt SAP-Sprecher Herbert Heitmann.
Dass diese Differenzen die künftige Geschäftsentwicklung beeinträchtigen könnten, halten die SAP-Manager durchaus für möglich. Nachdem auch in den USA die Mehrheit der Großunternehmen bereits mit SAP-Software arbeitet, sollte nun der Bereich der öffentlichen Verwaltung erschlossen werden. Bisher ist SAP gut im Geschäft mit den US-Behörden - auch in sicherheitsrelevanten Bereichen ("Über einige Kunden dürfen wir nicht mal reden").
So gehören unter anderem die Nasa und das Verteidigungsministerium zu den SAP-Kunden. Die Uno arbeitet ebenfalls mit SAP-Software. "Im Public Sector", so ein SAP-Manager, "könnte es jetzt aber schwieriger werden, die von uns erwarteten Zuwachsraten einzuhalten."
In heller Aufruhr ist bereits der EADS-Ableger Eurocopter, seit sich am 12. März bei einer Anhörung im US-Kongress Manager von US-Konkurrenten wie Bell massiv über den hohen Marktanteil des Unternehmens in den Vereinigten Staaten beklagten. Statt ihr Gerät bei der deutschfranzösischen Gemeinschaftsfirma zu ordern, protestierten die US-Bosse, sollten öffentliche Auftraggeber wie Kommunen oder die Bundesstaaten Hubschrauber für Zoll, Polizei, den Küstenschutz oder die Drogenfahndung gefälligst bei einheimischen Herstellern ordern. "Die wittern richtig Morgenluft", kommentiert eine Eurocopter-Sprecherin die Kampagne der Konkurrenz. "Dabei haben wir bei kleineren Hubschraubern schlichtweg das größere und bessere Angebot."
Nicht nur Luftfahrt- und Waffenschmieden wie EADS, Diehl oder Rheinmetall sind für politisch motivierte Kampagnen aus den USA anfällig. Auch in der großen Siemens-Familie gibt es Töchter und Ableger, die schon bald vom Bannstrahl erboster US-Kunden und -Auftraggeber getroffen werden könnten.
Ausgerechnet jetzt, wo die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf einem historischen Tiefpunkt angelangt sind, will die Mobilfunksparte des Konzerns ein jahrelanges Versäumnis aufholen und den US-Markt mit einer neuen Generation von Handys überschwemmen. "Ich kann den Kollegen dabei nur viel Glück wünschen", höhnt ein hoher Manager eines Konkurrenten, "die Dinger könnten dort schon bald megaout sein."
Enttäuschung droht auch Ulrich Schumacher, Boss der ehemaligen Siemens-Halbleitersparte Infineon. Noch vor gut einem Jahr hatte er sich mächtig gefreut, mit seinen Chips das Pentagon zu erobern. "So ein Auftrag hat Signalwirkung", feierte er damals die Bestellung, die zwar nur 13 Millionen Euro brachte, aber ungleich mehr Prestige. Seit Wochen wartet der forsche Firmenchef schon auf einen Anschlussauftrag - bislang vergebens.
Doch der Dissens zwischen Berlin und Washington sorgt nicht in allen Exportabteilungen für gedrückte Stimmung. Wer im Nahen und Mittleren Osten derzeit als deutscher Handelsreisender Umsatz machen will, hat beste Karten, mögliche Einbußen aus dem Amerika-Geschäft zu kompensieren.
"Auf Grund des amerikanischen Vorgehens gegen den Irak haben sich die Aufträge an deutsche Firmen in den letzten Monaten massiv verstärkt", beobachtet Peter Heinz, Vorstandssprecher der auf Handelsfinanzierung spezialisierten Arab Bank in Frankfurt am Main. Besonders aus Saudi-Arabien kämen derzeit viele Anfragen.
Allein im vergangenen Jahr verkauften die Deutschen den Saudis Waren im Wert von 3,4 Milliarden Euro - ein Plus von 14 Prozent. Hingegen sackten die Exporte der amerikanischen Konkurrenz im wichtigsten Wüstenstaat 2002 um 20 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro ab.
"Es gibt hier derzeit eine große Neuorientierung Richtung Deutschland", sagt Manfred Rothgänger, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Saudi-Arabien.
Rothgängers Kollegen in den Vereinigten Arabischen Emiraten bestätigen das deutschlandfreundliche Klima. Schröders Politik wirke "wie eine Exportförderung", sagt Jürgen Friedrich von der Handelskammer in Dubai. Die Widerstände gegen Bushs Politik bekommt Friedrichs Truppe hautnah mit. Es kämen bereits "Anfragen von lokalen Firmen, die wissen wollen, ob ein bestimmtes amerikanisches Produkt auch durch eine deutsche Firma geliefert werden kann".
Den mit Abstand spektakulärsten Krisengewinn verzeichnet jedoch das deutsche Gesundheitswesen. Seit den Terroranschlägen im Jahr 2001 boomt vor allem eines: der Tourismus reicher Kranker aus den Golfstaaten.
Noch vor zwei Jahren kontrollierten die Amerikaner in der Region einen Weltmarktanteil von 68 Prozent. Inzwischen kämpfen alle US-Kliniken mit massiven Einbrüchen.
Egal, ob Krankenhäuser in München oder Hamburg, jetzt kommen die Araber in Scharen nach Deutschland - allein über 6000 im vergangenen Jahr. "Seit dem 11. September 2001 verzeichnen wir eine Umsatzsteigerung von über 300 Prozent", freut sich Reiseunternehmer Mustafa Öntülmüs, der mit seiner Firma German Health ausländische Privatpatienten in deutsche Nobelspitäler bringt.
Damit noch mehr Scheichs kommen, schreibt Öntülmüs' Partner Lufthansa regelmäßig arabische Inhaber der Senator-Card an und informiert sie über das Angebot der Fürther Firma. Dort ist man offensichtlich überzeugt, dass das Krisengeschäft noch lange blüht. "Unseren Personalbestand haben wir bereits verdoppelt", sagt Öntülmüs.
Es sollte ein großer Tag für die deutsch-amerikanische Freundschaft werden. Führende Repräsentanten von US-Unternehmen waren eingeladen. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber wollte eine eindringliche Rede halten, in der es um Gemeinsamkeiten und natürlich die ökonomische Bedeutung beider Staaten füreinander gehen sollte. Immerhin feierte man den 100. Geburtstag der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland.
Der Kaisersaal der Münchner Residenz war für den anschließenden Staatsempfang aufs Feinste herausgeputzt. Aber dann kam doch alles ein bisschen anders am vergangenen Mittwoch.
Der CSU-Chef musste den Termin kurzfristig um zwei Stunden verschieben, weil Bundespräsident Johannes Rau die Polit-Spitzen zum Krisengespräch über den Irak-Einmarsch nach Berlin bat. Einige der Teilnehmer des Münchner Beziehungsgipfels sagten daraufhin gleich ganz ab. Und selbst beim Büfett machten sich die Industrieführer rar.
Topmanager wie Siemens-Chef Heinrich von Pierer oder BMW-Boss Helmut Panke, die in den USA Milliardenbeträge investiert haben, ließen sich gar nicht blicken. Andere, wie der Ex-Bertelsmann-Vorstand Mark Wössner oder Rainer Hertrich, Co-Chef des deutsch-französischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, warteten, bis Stoiber im Turbotempo seine Rede heruntergenuschelt hatte, und ergriffen danach eiligst die Flucht.
War es Ignoranz? Wurden Deutschlands Unternehmensführer von der schlichten Angst beherrscht, in unsicheren Zeiten eigentlich nur das Falsche sagen zu können? Statt die US-Manager zu charmieren, um immer häufiger auftretende Zwistigkeiten auszuräumen, tauchten sie lieber ab. Das könnte sich bald rächen.
Schnell werde es "in Amerika heißen: Wir halten den Kopf hin, und die Deutschen halten sich raus. Das wird nicht ohne Folgen für die Wirtschaft bleiben", fürchtet Sigrid Zirbel, Referentin für internationale Märkte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).
Der Chef der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York, Werner Walbröl, preist zwar einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, der "wirklich was hermacht", aber "ob das so bleibt, ist sehr fraglich", sagt der Lobbyist. Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, sieht gar "gravierende Spannungen", die das hiesige Wirtschaftswachstum bedrohen können. "Es ist ein Umsatzminus von zehn Prozent im Handel mit den USA zu befürchten. Das würde das Wachstum des Außenhandels um ein Prozent drücken und für die deutsche Wirtschaft insgesamt 0,33 Prozent weniger Wachstum bedeuten", orakelt Börner.
Schon heute hetzen Moderatoren regionaler US-Rundfunksender gegen deutsche Produkte und stacheln ihre Hörer zu antideutschen Parolen an. Die Website "germanystinks.com", die offen "Don't buy German" propagiert und auf der Besucher neue Namen für den "deutsch klingenden 'Hamburger'" vorschlagen sollen, brach zeitweise wegen des Andrangs zusammen. Selbst die US-Boulevardgazette "New York Post" des australoamerikanischen Medien-Tycoons Rupert Murdoch ruft martialisch zum "War on weasel wares" auf und offeriert mehrseitig US-Alternativen zu deutschen Bieren.
Deutsch-amerikanische Vereinigungen wie die "Atlantik-Brücke" versuchen fast rührend gegenzusteuern. In der "New York Times" schalteten sie eine ganzseitige Anzeige, um das Image der Deutschen wenigstens einigermaßen zurechtzurücken: "Heute, da die Welt sich gegen Terrorismus und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wehren muss, bekräftigen wir die Verbundenheit mit den Vereinigten Staaten."
Doch auch US-Politiker machen mittlerweile unverblümt Stimmung gegen die Deutschen. Der US-Kongressabgeordnete Robert Wexler sieht einen "tiefen Riss" in den Wirtschaftsbeziehungen, der "nicht so schnell zu beheben" sei. Andere Abgeordnete fabulieren, deutsche Unternehmensführer müssten sich jetzt "sehr große Sorgen machen", und räumen ein, Aktien deutscher Unternehmen verkauft zu haben.
Auch die Erhöhung von Einfuhrzöllen sowie eine "moralische Auftragsvergabe" bei öffentlichen Ausschreibungen wird laut gefordert. Die Botschaft ist immer die gleiche: Deutschland soll büßen. Patriotische Amerikaner wollen die Marken der Drückeberger zurückdrängen, um die Regierungen indirekt zu mehr Bündnistreue zu erziehen. "Am Ende trifft es eine Biermarke genauso wie eine Automarke", glaubt Verbandschef Börner.
Über konkrete Ausfälle und gekappte Verträge klagen bislang zwar eher kleine deutsche Unternehmen. Im Gegenzug rufen allenfalls mal französische Gastronomen in Hamburg zum Coca-Cola-Boykott auf und schenken in ihren Restaurants nur noch Afri-Cola aus. Aber die Warnungen werden lauter.
So sagt der ehemalige außenpolitische Berater von Altkanzler Helmut Kohl, Horst Teltschik, der neuerdings als Statthalter für den US-Luftfahrt- und -Rüstungsriesen Boeing in Deutschland fungiert, seine Kollegen sollten die antideutsche Stimmung in den USA nicht unterschätzen. "Praktisch das gesamte Geschäft, das mit US-Staatsaufträgen zu tun hat", weiß der Ex-BMW-Manager und Gastgeber der Münchner Sicherheitskonferenz, "ist schon jetzt zum Erliegen gekommen."
Je länger die transatlantische Beziehungskrise anhält, desto gravierender könnten seiner Ansicht nach auch die Folgen für die deutsche Industrie sein. "Die Amerikaner sind da knallhart." Freilich kommt Teltschik als Repräsentant eines US-Konzerns die schlechte Stimmung nicht ungelegen.
Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel: Rund 2000 Firmen mit US-Kapital residieren in Deutschland und beschäftigen ungefähr 800 000 Mitarbeiter. Mit 540 Milliarden Euro erwirtschaften sie mehr als jedes andere Land für die USA. Immerhin 14 Prozent tragen die deutschen Töchter zum Gesamtumsatz amerikanischer Unternehmen bei. Bis zum Jahr 2000 hielten die USA mit rund 61 Milliarden Euro 22 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland.
Umgekehrt sichern etwa 3000 Firmen mit deutschem Kapital bislang einer Million Menschen in den USA ihren Arbeitsplatz. 217 Milliarden Euro und damit über ein Drittel aller Direktinvestitionen hatte Deutschland bis zum Jahr 2000 in die USA transferiert. Damit bilden beide Länder eine der größten Wirtschaftsallianzen der Welt.
Auch beim Handel untereinander nehmen beide Partner eine Spitzenstellung ein. Deutschland exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von mehr als 66 Milliarden Euro in die USA und importierte von dort im selben Zeitraum Produkte für über 40 Milliarden Euro. Mehr als zehn Prozent aller Ausfuhren aus Deutschland gehen in die Neue Welt. Nur Frankreich bezieht noch mehr Güter aus Deutschland.
In öffentlichen Statements spielen die Industriebosse das Risiko eines drohenden Boykotts ihrer Produkte und Dienstleistungen in den USA noch herunter. "Wir erwarten keine größeren negativen Auswirkungen", bekannte EADS-Manager Hertrich erst kürzlich. In den USA hingegen reagieren deutsche Unternehmen angesichts der amerikanischen Drohgebärden immer nervöser.
Nach einer Umfrage der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer äußern sich zehn Prozent der 415 befragten Firmen "besorgt" über den Zustand der aktuellen Beziehungen, 40 Prozent beklagen "spürbare Beunruhigung" innerhalb der einheimischen Belegschaft und bei US-Geschäftspartnern.
So haben sich einige der 5200 SAP-Mitarbeiter in den USA an ihre Walldorfer Zentrale gewandt und gefragt, wie sie mit dem Streit umgehen sollen. "Wir versorgen die Kollegen dann per E-Mail mit Argumenten fürs deutsche Nein zum Irak-Krieg", sagt SAP-Sprecher Herbert Heitmann.
Dass diese Differenzen die künftige Geschäftsentwicklung beeinträchtigen könnten, halten die SAP-Manager durchaus für möglich. Nachdem auch in den USA die Mehrheit der Großunternehmen bereits mit SAP-Software arbeitet, sollte nun der Bereich der öffentlichen Verwaltung erschlossen werden. Bisher ist SAP gut im Geschäft mit den US-Behörden - auch in sicherheitsrelevanten Bereichen ("Über einige Kunden dürfen wir nicht mal reden").
So gehören unter anderem die Nasa und das Verteidigungsministerium zu den SAP-Kunden. Die Uno arbeitet ebenfalls mit SAP-Software. "Im Public Sector", so ein SAP-Manager, "könnte es jetzt aber schwieriger werden, die von uns erwarteten Zuwachsraten einzuhalten."
In heller Aufruhr ist bereits der EADS-Ableger Eurocopter, seit sich am 12. März bei einer Anhörung im US-Kongress Manager von US-Konkurrenten wie Bell massiv über den hohen Marktanteil des Unternehmens in den Vereinigten Staaten beklagten. Statt ihr Gerät bei der deutschfranzösischen Gemeinschaftsfirma zu ordern, protestierten die US-Bosse, sollten öffentliche Auftraggeber wie Kommunen oder die Bundesstaaten Hubschrauber für Zoll, Polizei, den Küstenschutz oder die Drogenfahndung gefälligst bei einheimischen Herstellern ordern. "Die wittern richtig Morgenluft", kommentiert eine Eurocopter-Sprecherin die Kampagne der Konkurrenz. "Dabei haben wir bei kleineren Hubschraubern schlichtweg das größere und bessere Angebot."
Nicht nur Luftfahrt- und Waffenschmieden wie EADS, Diehl oder Rheinmetall sind für politisch motivierte Kampagnen aus den USA anfällig. Auch in der großen Siemens-Familie gibt es Töchter und Ableger, die schon bald vom Bannstrahl erboster US-Kunden und -Auftraggeber getroffen werden könnten.
Ausgerechnet jetzt, wo die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf einem historischen Tiefpunkt angelangt sind, will die Mobilfunksparte des Konzerns ein jahrelanges Versäumnis aufholen und den US-Markt mit einer neuen Generation von Handys überschwemmen. "Ich kann den Kollegen dabei nur viel Glück wünschen", höhnt ein hoher Manager eines Konkurrenten, "die Dinger könnten dort schon bald megaout sein."
Enttäuschung droht auch Ulrich Schumacher, Boss der ehemaligen Siemens-Halbleitersparte Infineon. Noch vor gut einem Jahr hatte er sich mächtig gefreut, mit seinen Chips das Pentagon zu erobern. "So ein Auftrag hat Signalwirkung", feierte er damals die Bestellung, die zwar nur 13 Millionen Euro brachte, aber ungleich mehr Prestige. Seit Wochen wartet der forsche Firmenchef schon auf einen Anschlussauftrag - bislang vergebens.
Doch der Dissens zwischen Berlin und Washington sorgt nicht in allen Exportabteilungen für gedrückte Stimmung. Wer im Nahen und Mittleren Osten derzeit als deutscher Handelsreisender Umsatz machen will, hat beste Karten, mögliche Einbußen aus dem Amerika-Geschäft zu kompensieren.
"Auf Grund des amerikanischen Vorgehens gegen den Irak haben sich die Aufträge an deutsche Firmen in den letzten Monaten massiv verstärkt", beobachtet Peter Heinz, Vorstandssprecher der auf Handelsfinanzierung spezialisierten Arab Bank in Frankfurt am Main. Besonders aus Saudi-Arabien kämen derzeit viele Anfragen.
Allein im vergangenen Jahr verkauften die Deutschen den Saudis Waren im Wert von 3,4 Milliarden Euro - ein Plus von 14 Prozent. Hingegen sackten die Exporte der amerikanischen Konkurrenz im wichtigsten Wüstenstaat 2002 um 20 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro ab.
"Es gibt hier derzeit eine große Neuorientierung Richtung Deutschland", sagt Manfred Rothgänger, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Saudi-Arabien.
Rothgängers Kollegen in den Vereinigten Arabischen Emiraten bestätigen das deutschlandfreundliche Klima. Schröders Politik wirke "wie eine Exportförderung", sagt Jürgen Friedrich von der Handelskammer in Dubai. Die Widerstände gegen Bushs Politik bekommt Friedrichs Truppe hautnah mit. Es kämen bereits "Anfragen von lokalen Firmen, die wissen wollen, ob ein bestimmtes amerikanisches Produkt auch durch eine deutsche Firma geliefert werden kann".
Den mit Abstand spektakulärsten Krisengewinn verzeichnet jedoch das deutsche Gesundheitswesen. Seit den Terroranschlägen im Jahr 2001 boomt vor allem eines: der Tourismus reicher Kranker aus den Golfstaaten.
Noch vor zwei Jahren kontrollierten die Amerikaner in der Region einen Weltmarktanteil von 68 Prozent. Inzwischen kämpfen alle US-Kliniken mit massiven Einbrüchen.
Egal, ob Krankenhäuser in München oder Hamburg, jetzt kommen die Araber in Scharen nach Deutschland - allein über 6000 im vergangenen Jahr. "Seit dem 11. September 2001 verzeichnen wir eine Umsatzsteigerung von über 300 Prozent", freut sich Reiseunternehmer Mustafa Öntülmüs, der mit seiner Firma German Health ausländische Privatpatienten in deutsche Nobelspitäler bringt.
Damit noch mehr Scheichs kommen, schreibt Öntülmüs' Partner Lufthansa regelmäßig arabische Inhaber der Senator-Card an und informiert sie über das Angebot der Fürther Firma. Dort ist man offensichtlich überzeugt, dass das Krisengeschäft noch lange blüht. "Unseren Personalbestand haben wir bereits verdoppelt", sagt Öntülmüs.