Der Zwei-Billionen-Dollar-Schock (1)
Von Arvid Kaiser
Mehr als 160 Milliarden Dollar an faulen Kreditpaketen haben Banken weltweit bereits abgeschrieben. Die Folgen der US-Immobilienkrise sind damit aber noch lange nicht verdaut, wie das Beispiel Citigroup zeigt. Jetzt wagen sich Ökonomen an eine Schätzung, wie groß der Schaden insgesamt wird.
Hamburg - Hatten wir das nicht schon einmal? Der größte amerikanische Finanzkonzern wird als Pleitekandidat gehandelt. Nach Meinung von Sameer Al Ansari, dem Chef des arabischen Staatsfonds Dubai International Capital, reichen die bisherigen milliardenschweren Geldspritzen für die Citigroup Chart zeigen nicht aus. "Um die Bank zu retten, bedarf es viel mehr (Kapital)", sagte Al Ansari laut mehreren Medien auf einer Investorenkonferenz in Dubai.
Dabei haben das Nachbaremirat Abu Dhabi, Singapur, Kuwait und andere Regierungen seit November schon 22 Milliarden Dollar in die Großbank investiert. Die Zweckgesellschaften, die im Auftrag der Citigroup in riskante Papiere im Wert von mehr als 80 Milliarden Dollar investiert hatten, sind bereits vollständig in die Bankbilanz übernommen worden.
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Irren ist menschlich (2)
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Wie aus Milliarden Billionen werden (3)
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Der Zwei-Billionen-Dollar-Schock (4)
Zwölf Schritte zum finanziellen Desaster
Düstere Vorhersage: Ökonom Roubini
Der New Yorker Wirtschaftsforscher Nouriel Roubini gehört auch zu diesem Lager. Er hält nicht die Kreditnehmer für "Subprime", also kreditunwürdig, sondern spricht von einem "Subprime-Finanzsystem". Roubini zählt "zwölf Schritte zum finanziellen Desaster":
* die Hauspreise fallen noch das ganze Jahr hindurch; der Tiefpunkt liegt 20 bis 30 Prozent unter dem in der Spekulationsblase erreichten Maximum und wieder auf dem Niveau der langjährigen Trends; vier bis sechs Billionen Dollar an Wert gehen so verloren, zehn Millionen Haushalte geraten in die Überschuldung
* nach den Hypotheken der Subprime-Kreditnehmer fallen auch höhere Anteile der Kredite an Hausbesitzer höherer Bonität (Near Prime, Prime) aus; das drückt den Wert der Kreditpakete wie ABS, CDO oder der Zweckgesellschaften der Banken (Conduits) noch weiter
* die Ausfallraten unbesicherter Konsumentenkredite wie Kreditkarten, Auto- oder Studienkrediten steigen schnell
* Anleihenversicherer ( Monoliner), die sich mit ABS übernommen haben, werden reihenweise insolvent, sodass alle von Monolinern versicherten Papiere an Wert verlieren; die aktuellen Rettungsversuche scheitern, weil nicht genug Kapital zusammenkommt
* nach Wohnhäusern verlieren auch gewerbliche Immobilien drastisch an Wert, weil die Konsumschwäche den Bedarf an Einkaufszentren und Büros einbrechen lässt
* wie bereits mehr als 200 Hypothekenbanken könnten auch einige große regionale oder gar landesweite Banken Pleite gehen
* die Banken bleiben auf einer wachsenden Zahl von Krediten für Übernahmen (Leveraged Buy-outs) sitzen; wegen der hohen Fremdfinanzierung hebeln sich die Verluste in den Bilanzen auf mehrere Hundert Milliarden Dollar
* wegen der Kreditklemme und der Rezession fallen mehr Unternehmensanleihen aus, die Rate steigt von historisch niedrigen 0,6 auf mehr als 10 Prozent
* einige "Schattenbanken" wie Conduits, Hedgefonds, Geldmarktfonds oder Monoliner, die genau wie Banken kurzfristig Geld leihen und langfristig verleihen, aber anders als Banken im Notfall kein Zentralbankgeld bekommen, gehen Pleite
* die globalen Aktienmärkte, die bereits eine milde US-Rezession eingepreist haben, rechnen mit einer schweren und sich weltweit ausbreitenden Rezession und fallen noch deutlicher
* trotz weiterer Geldspritzen der Zentralbanken verweigern die Banken untereinander das Vertrauen, der Interbankenhandel trocknet aus
* weil viele Investoren Liquidität brauchen, um Ausfälle zu ersetzen oder Schulden zu begleichen, neigen sie zu Notverkäufen; die Kurse vieler Papiere fallen deshalb noch unter den ohnehin gesunkenen fairen Wert.
Dieses Szenario kann eintreten, muss aber nicht, räumt Roubini ein. Die meisten Punkte seien aber zum Teil schon erfüllt, oder es gebe bereits Anzeichen, dass sich die düstere Voraussage erfüllt. Sicher ist, dass es mehr als ein paar Milliarden aus Arabien braucht, um die Banken, die sich am schwersten verspekuliert haben, vor dem Kollaps zu retten.
It ain't over until it's over. Große Wall-Street-Banken schreiben rote Zahlen, Millionen Amerikaner verlieren ihre Häuser, die US-Wirtschaft rutscht in die Rezession. Ein Dreivierteljahr jagt jetzt schon eine schlechte Nachricht die nächste. Erste beruhigende Einschätzungen im Sommer 2007, der größte Schaden der geplatzten Hypothekenkredite sei bereits verbucht, waren offenbar verfrüht. Weltweit warten die Anleger darauf, dass der Schrecken endlich vorbei ist.
Auch Alan Greenspan dürfte sich Entwarnung wünschen. Ihm lasten viele die Hauptschuld am Entstehen der nun geplatzten Spekulationsblase an, weil er als Gouverneur der Notenbank den Boom mit niedrigen Zinsen anheizte und einen Hauskauf als perfektes Investment anpries - ebenso, wie er schon Ende der 90er Jahre Warnungen vor der Aktienblase in den Wind schlug.
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