Wertsicherungskonzepte (1):
Nachteil der CPPI in volatilen Märkten
Risikosteuerung über Value at Risk nur bei Aufwärtstendenz zu präferieren - Keine Partizipation an Erholung
Von Carsten Grosse-Knetter *)
Börsen-Zeitung, 22.11.2001
In Zeiten volatiler Märkte kommt Wertsicherungsstrategien eine be-sondere Bedeutung zu. Es ist das Bedürfnis vieler Anleger, an steigen-den Märkten zu partizipieren, in fallenden Märkten jedoch abgesichert zu sein, das heißt einen garantierten Mindestportfoliowert zu behalten. Solch ein asymmetrisches Risikoprofil ist möglich, allerdings nur um den Preis einer Absicherungsprämie.
Alle Wertsicherungsstrategien, so auch die in diesem Beitrag vorgestellte Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI), erreichen das Ziel der Absicherung eines garantierten Kursniveaus gleichermaßen. Sie unterscheiden sich jedoch sehr stark in der Art ihrer Partizipation an steigenden Märkten - also in dem Fall, in dem man ex post gesehen gar keine Absicherung gebraucht hätte. Grundsätzlich führt die Implementation einer Wertsicherungsstrategie zu einer Underperformance in steigenden Märkten, worin sich ja gerade die Absicherungsprämie manifestiert.
Darstellung der CPPI
Die CPPI ist eine Wertsicherungsstrategie, in der der Investitionsgrad in riskanten Assets (in der Regel Aktien) dynamisch so gesteuert wird, dass beim Eintreten des Worst-Case Verlustes (Value at Risk), der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) nicht überschritten wird, der Portfoliowert am Ende des Absicherungszeitraums noch oberhalb der vom Investor vorgegebenen Mindestgrenze liegt. Bei Schwankungen der Märkte ist daher eine regelmäßige Anpassung des Investitionsgrades notwendig.
Die Allokationsregel lautet wie folgt:
e = m × c
mit:
e: Exposure im riskanten Asset
(Investitionsgrad)
c: Akzeptierter Maximalverlust
(Cushion, Puffer)
m: Multiplikator, gegeben durch:
m = 1 : (q × vol × Wurzel aus t)
mit:
vol: Volatilität riskantes Assets
(Standardabweichung der Kurs-schwankungen)
q: Quantil der Normalverteilung zum gegebenen Konfidenzniveau
t: Anpassungshorizont der Strategie, das heißt zeitlicher Abstand der möglichen Umschichtungen.
Der Puffer c ist die Differenz aus dem Portfoliowert und dem (vom Ende des Absicherungszeitraums abgezinsten) Mindestwert. Die Größe 1 : m = q × vol ×Wurzel aus t beschreibt den Value at Risk, das heißt den möglichen Maximalverlust des riskanten Asset zum gegebenen Konfidenzniveau innerhalb des Anpassungshorizonts. Die Allokationsregel garantiert daher, dass auch der Maximalverlust den Puffer nicht überschreitet und die Wertuntergrenze gewahrt bleibt.
Prozyklische Strategie
In fallenden Märkten verringert sich der Puffer, und gemäß der Allokationsformel wird das Aktienexposure heruntergefahren, das heißt, es werden Aktien verkauft bzw. das Portfolio durch den Verkauf von Futures abgesichert. In steigenden Märkten kann wieder ein Puffer aufgebaut und so das Exposure erneut heraufgefahren werden, das heißt, dann werden Aktien bzw. Futures zurückgekauft. Die CPPI ist daher eine prozyklische Strategie.
Darüber hinaus ist die Strategie pfadabhängig, das heißt, das Ergebnis hängt nicht nur vom Kurs des abzusichernden Instruments am Ende des Betrachtungszeitraums, sondern auch von dessen Kursverlauf während dieses Zeitraums ab. Das wird im Folgenden näher betrachtet.
Historische Simulation
Wir haben die CPPI-Strategie - wie auch die in den folgenden Artikeln dieser Reihe betrachteten Wertsicherungsverfahren - anhand historischer Kurszeitreihen getestet.
Untersucht wurde eine CPPI-Strategie auf den Dax. Es wurde eine Volatilität von 25 % p. a. und ein risikoloser Zins von 5 % p. a. angenommen. Der Betrachtungszeitraum war jeweils ein Kalenderjahr; das Absicherungslevel war 5 % unterhalb des Einstandskurses. Das Konfidenzniveau betrug 99,9 % p. a. bei täglicher Anpassung der Strategie. Nach obiger Formel ergibt sich aus diesen Daten ein Multiplikator von m = 15.
Die Grafik veranschaulicht die Simulation für das Kalenderjahr 2000. Der Chart zeigt jeweils die Verläufe des Dax, des durch CPPI abgesicherten Dax-Portfolios und des Investitionsgrades. Es wird deutlich, dass die Absicherung funktioniert hat. In fallenden Märkten wurde der Investitionsgrad reduziert. Dadurch waren die Verluste des CPPI-Portfolios begrenzt, so dass der Portfoliowert am Ende dem vorgegebenen Mindestwert entsprach, während sich das ungesicherte Portfolio schlechter entwickelt hat.
Um die Kosten dieses Absicherungsverfahrens zu untersuchen, sollte man jedoch den Verlauf der Strategie in den guten Börsenjahren betrachten, in denen sich die Absicherungsprämie als Performanceeinbuße bemerkbar macht. Wir haben daher auch die Strategie für die Jahre 1997 bis 1999 untersucht.
Die Vorteile der CPPI zeigen sich im Jahr 1997, in dem die Aktienmärkte zu Anfang des Jahres stark gestiegen und anschließend nicht mehr auf das Ausgangsniveau zurückgefallen sind. Dort wäre die CPPI-Strategie optimal gewesen, da sie nichts gekostet hätte. Der Investitionsgrad war immer 100 % und die Performance des CPPI-gesicherten Portfolios mit der des ungesicherten Portfolios identisch.
Im Jahr 1998, in dem der Markt sich nach einem starken Einbruch wieder erholt hat, zeigen sich jedoch die Nachteile der CPPI. Aufgrund der Pfadabhängigkeit der Strategie wurde die Aktienquote im fallenden Markt reduziert und der Puffer fast aufgebraucht, so dass am anschließend wieder steigenden Markt fast nicht mehr partizipiert werden konnte. Im Jahr 1998 hätte ein CPPI-Portfolio Verlust gemacht - wobei der Mindestportfoliowert erhalten blieb - während die ungesicherte Strategie zu einem positiven Ergebnis geführt hätte. Ähnlich sieht es im Jahr 1999 aus. In einer volatilen Seitwärtsbewegung waren nach der Allokationsregel häufige Umschichtungen nötig, in denen der Puffer teilweise verbraucht wurde. Dadurch konnte an den anschließend stark steigenden Kursen nur unzureichend partizipiert werden.
Die hier dargestellten Eigenschaften sind symptomatisch für die CPPI: Während die Strategie in steigenden Märkten fast nichts kostet, verliert sie in Seitwärtsmärkten und stoppt sich in fallenden Märkten nahezu aus, so dass eine Partizipation an einer Kurserholung nicht mehr möglich ist.
*) Dr. Carsten Grosse-Knetter ist Leiter der Quantitativen Analyse bei der Frankfurt-Trust Investmentgesellschaft mbH.
Börsen-Zeitung, 22.11.2001
Nachteil der CPPI in volatilen Märkten
Risikosteuerung über Value at Risk nur bei Aufwärtstendenz zu präferieren - Keine Partizipation an Erholung
Von Carsten Grosse-Knetter *)
Börsen-Zeitung, 22.11.2001
In Zeiten volatiler Märkte kommt Wertsicherungsstrategien eine be-sondere Bedeutung zu. Es ist das Bedürfnis vieler Anleger, an steigen-den Märkten zu partizipieren, in fallenden Märkten jedoch abgesichert zu sein, das heißt einen garantierten Mindestportfoliowert zu behalten. Solch ein asymmetrisches Risikoprofil ist möglich, allerdings nur um den Preis einer Absicherungsprämie.
Alle Wertsicherungsstrategien, so auch die in diesem Beitrag vorgestellte Constant Proportion Portfolio Insurance (CPPI), erreichen das Ziel der Absicherung eines garantierten Kursniveaus gleichermaßen. Sie unterscheiden sich jedoch sehr stark in der Art ihrer Partizipation an steigenden Märkten - also in dem Fall, in dem man ex post gesehen gar keine Absicherung gebraucht hätte. Grundsätzlich führt die Implementation einer Wertsicherungsstrategie zu einer Underperformance in steigenden Märkten, worin sich ja gerade die Absicherungsprämie manifestiert.
Darstellung der CPPI
Die CPPI ist eine Wertsicherungsstrategie, in der der Investitionsgrad in riskanten Assets (in der Regel Aktien) dynamisch so gesteuert wird, dass beim Eintreten des Worst-Case Verlustes (Value at Risk), der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) nicht überschritten wird, der Portfoliowert am Ende des Absicherungszeitraums noch oberhalb der vom Investor vorgegebenen Mindestgrenze liegt. Bei Schwankungen der Märkte ist daher eine regelmäßige Anpassung des Investitionsgrades notwendig.
Die Allokationsregel lautet wie folgt:
e = m × c
mit:
e: Exposure im riskanten Asset
(Investitionsgrad)
c: Akzeptierter Maximalverlust
(Cushion, Puffer)
m: Multiplikator, gegeben durch:
m = 1 : (q × vol × Wurzel aus t)
mit:
vol: Volatilität riskantes Assets
(Standardabweichung der Kurs-schwankungen)
q: Quantil der Normalverteilung zum gegebenen Konfidenzniveau
t: Anpassungshorizont der Strategie, das heißt zeitlicher Abstand der möglichen Umschichtungen.
Der Puffer c ist die Differenz aus dem Portfoliowert und dem (vom Ende des Absicherungszeitraums abgezinsten) Mindestwert. Die Größe 1 : m = q × vol ×Wurzel aus t beschreibt den Value at Risk, das heißt den möglichen Maximalverlust des riskanten Asset zum gegebenen Konfidenzniveau innerhalb des Anpassungshorizonts. Die Allokationsregel garantiert daher, dass auch der Maximalverlust den Puffer nicht überschreitet und die Wertuntergrenze gewahrt bleibt.
Prozyklische Strategie
In fallenden Märkten verringert sich der Puffer, und gemäß der Allokationsformel wird das Aktienexposure heruntergefahren, das heißt, es werden Aktien verkauft bzw. das Portfolio durch den Verkauf von Futures abgesichert. In steigenden Märkten kann wieder ein Puffer aufgebaut und so das Exposure erneut heraufgefahren werden, das heißt, dann werden Aktien bzw. Futures zurückgekauft. Die CPPI ist daher eine prozyklische Strategie.
Darüber hinaus ist die Strategie pfadabhängig, das heißt, das Ergebnis hängt nicht nur vom Kurs des abzusichernden Instruments am Ende des Betrachtungszeitraums, sondern auch von dessen Kursverlauf während dieses Zeitraums ab. Das wird im Folgenden näher betrachtet.
Historische Simulation
Wir haben die CPPI-Strategie - wie auch die in den folgenden Artikeln dieser Reihe betrachteten Wertsicherungsverfahren - anhand historischer Kurszeitreihen getestet.
Untersucht wurde eine CPPI-Strategie auf den Dax. Es wurde eine Volatilität von 25 % p. a. und ein risikoloser Zins von 5 % p. a. angenommen. Der Betrachtungszeitraum war jeweils ein Kalenderjahr; das Absicherungslevel war 5 % unterhalb des Einstandskurses. Das Konfidenzniveau betrug 99,9 % p. a. bei täglicher Anpassung der Strategie. Nach obiger Formel ergibt sich aus diesen Daten ein Multiplikator von m = 15.
Die Grafik veranschaulicht die Simulation für das Kalenderjahr 2000. Der Chart zeigt jeweils die Verläufe des Dax, des durch CPPI abgesicherten Dax-Portfolios und des Investitionsgrades. Es wird deutlich, dass die Absicherung funktioniert hat. In fallenden Märkten wurde der Investitionsgrad reduziert. Dadurch waren die Verluste des CPPI-Portfolios begrenzt, so dass der Portfoliowert am Ende dem vorgegebenen Mindestwert entsprach, während sich das ungesicherte Portfolio schlechter entwickelt hat.
Um die Kosten dieses Absicherungsverfahrens zu untersuchen, sollte man jedoch den Verlauf der Strategie in den guten Börsenjahren betrachten, in denen sich die Absicherungsprämie als Performanceeinbuße bemerkbar macht. Wir haben daher auch die Strategie für die Jahre 1997 bis 1999 untersucht.
Die Vorteile der CPPI zeigen sich im Jahr 1997, in dem die Aktienmärkte zu Anfang des Jahres stark gestiegen und anschließend nicht mehr auf das Ausgangsniveau zurückgefallen sind. Dort wäre die CPPI-Strategie optimal gewesen, da sie nichts gekostet hätte. Der Investitionsgrad war immer 100 % und die Performance des CPPI-gesicherten Portfolios mit der des ungesicherten Portfolios identisch.
Im Jahr 1998, in dem der Markt sich nach einem starken Einbruch wieder erholt hat, zeigen sich jedoch die Nachteile der CPPI. Aufgrund der Pfadabhängigkeit der Strategie wurde die Aktienquote im fallenden Markt reduziert und der Puffer fast aufgebraucht, so dass am anschließend wieder steigenden Markt fast nicht mehr partizipiert werden konnte. Im Jahr 1998 hätte ein CPPI-Portfolio Verlust gemacht - wobei der Mindestportfoliowert erhalten blieb - während die ungesicherte Strategie zu einem positiven Ergebnis geführt hätte. Ähnlich sieht es im Jahr 1999 aus. In einer volatilen Seitwärtsbewegung waren nach der Allokationsregel häufige Umschichtungen nötig, in denen der Puffer teilweise verbraucht wurde. Dadurch konnte an den anschließend stark steigenden Kursen nur unzureichend partizipiert werden.
Die hier dargestellten Eigenschaften sind symptomatisch für die CPPI: Während die Strategie in steigenden Märkten fast nichts kostet, verliert sie in Seitwärtsmärkten und stoppt sich in fallenden Märkten nahezu aus, so dass eine Partizipation an einer Kurserholung nicht mehr möglich ist.
*) Dr. Carsten Grosse-Knetter ist Leiter der Quantitativen Analyse bei der Frankfurt-Trust Investmentgesellschaft mbH.
Börsen-Zeitung, 22.11.2001