Streit um Zwischengewinne - Branche beklagt Gefährdung des Anlegervertrauens durch Zwischengewinnregel
Bundesregierung erhöht ab 2005 Steuerlast für Fonds
Die Bundesregierung will zum 1. Januar 2005 wieder Steuern auf Zwischengewinne bei Anleihe- und Geldmarktfonds einführen. Dies geht aus einem Gesetzentwurf des Bundesfinanzministeriums hervor.
dri/rez/rrl BERLIN/FRANKFURT. Die Bundesregierung steuert einen Zick-Zack-Kurs: Ab 1. Januar 2005 will Bundesfinanzminister Hans Eichel erneut Steuern aus Zwischengewinnen bei Renten- und Geldmarktfonds einnehmen. Diese Zwischengewinnregel war erst zum 1. Januar 2004 abgeschafft worden. Vertreter der Fondsbranche monieren die Verunsicherung der Anleger und den zusätzlichen Aufwand, erneut Zwischengewinne berechnen zu müssen.
Die Wiedereinführung der Zwischengewinnregel ist Bestandteil des kürzlich vom Kabinett beschlossenen „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht“. Wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums erläuterte, war es nie die Absicht Eichels, diese Regel ersatzlos zu streichen. Man habe sie aber im Jahr 2003 nicht erneut in den Steuerteil des Investmentmodernisierungsgesetzes aufgenommen, da zu diesem Zeitpunkt an einem umfassenden Gesetz zur Kapitalertragsbesteuerung gearbeitet wurde.
Ansonsten hätte man nach Inkrafttreten dieses Gesetzes das Investmentmodernisierungsgesetz wieder ändern müssen. Das Kapitalertragsteuergesetz, mit dem Eichel eine Abgeltungssteuer auf alle Kapitalerträge einführen wollte, scheiterte aber sowohl an der Union als auch an Bedenken der SPD-Fraktion: Eine Abgeltungssteuer von 25 oder 30 Prozent würde Kapitalerträge weniger stark belasten als Arbeitseinkommen, für die der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer ab 1. Januar 2005 bei 42 Prozent liegt.
Mit Inkrafttreten des Investmentmodernisierungsgesetzes entstand allerdings in diesem Jahr eine steuerliche Benachteiligung von Anleihebesitzern gegenüber Fondsanlegern. Denn Fondsinvestoren müssen seit Jahresbeginn die Zwischengewinne, die durch den Verkauf von Fondsanteilen zwischen zwei Zinsausschüttungsterminen durch aufgelaufene Zinsen erzielt werden, nicht versteuern.
In der nächsten Woche werde der Zentrale Kreditausschuss über den Gesetzentwurf beraten, sagt Wolfgang Skorpel, Steuerexperte beim Bundesverband deutscher Banken. Skorpel kann sich vorstellen, dass der Entwurf bis 2005 Gesetz wird, zumal er nicht im Vermittlungsausschuss landen dürfte.
Die Fondsindustrie reagiert mit Unmut auf die erneute Umstellung: „Das unstete Verhalten der Politiker gefährdet das Vertrauen der Anleger“, sagt ein Sprecher des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI). Diese Meinung teilt auch der Unions-Steuerexperte Michael Meister (CDU), der davor warnt, die Steuergesetzgebung auf diese Weise zu verkomplizieren.
„Das Hin und Her der Bundesregierung beschert uns zusätzliche Arbeit“, sagt auch Rolf Drees, Sprecher der drittgrößten deutschen Fondsgesellschaft, der genossenschaftlichen Union Invest. Die Firmen müssen ihre EDV-Systeme umstellen und alle Verkaufsprospekte von Renten- und betroffenen Geldmarktfonds ändern. Die zusätzlichen Kosten halten sich nach Angaben von Fondsanbietern allerdings in Grenzen. Sie beziffern den Aufwand je Fondsgesellschaft auf weniger als eine Mill. Euro.
Zudem monierten Fondsanbieter, dass neue Rentenfonds überflüssig würden, die als Folge des Wegfalls der Zwischengewinne auf den Markt kamen. Denn die aktuelle Regelung gibt Anlegern die Möglichkeit, Zinserträge zwischen zwei Ausschüttungsterminen unversteuert einzustreichen, wenn sie Fondsanteile kurz vor einem Ausschüttungstermin verkaufen. Nach dem Ausschüttungs- bzw. Thesaurierungstermin kauften sie die Fonds wieder.
Allerdings funktionierte dies nur, wenn die Anteile zum Veräußerungstermin mindestens ein Jahr im Besitz des Anlegers sind oder der Anleger die Freigrenze für Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften von 512 Euro damit nicht überschritten hat. Anderenfalls muss er die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis der Anteile als Spekulationsgewinn versteuern. Wer aber kurz vor einem Ausschüttungstermin kauft, muss die Jahresausschüttung versteuern, ohne Zwischengewinne gegenrechnen zu können.
Dieser Effekt führte im Frühjahr zu massiven kurzfristigen Verkäufen von Renten- und Geldmarktfonds. Um die starken Mittelbewegungen zu vermeiden, legten Fondsanbieter Anleihefonds auf, die mehrmals im Jahr Zinserträge ausschütten. Kehren nun die Zwischengewinne für Fonds wieder, dürften diese Produkte ab dem nächsten Jahr kaum mehr gefragt sein. Dann allerdings wäre die Fondsbranche auch von den starken Schwankungen der Fondsvermögen um Ausschüttungstermine befreit.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 12. August 2004, 09:32 Uhr