HANDELSBLATT, Dienstag, 13. Dezember 2005, 15:07 Uhr
Experten heben Prognosen an
Der Rohstoff-Boom wird fortgesetzt
Von Dieter Claassen
An den Metallmärkten bereiten sich die Händler auf den Jahresabschluss vor. Erfahrungsgemäß ist der Jahresabschluss ein beliebtes Datum für Gewinnmitnahmen – oder die Begrenzung von Verlusten.
LONDON. Selbst Optimisten haben es zuletzt vorgezogen, bei einzelnen Positionen Kasse zu machen, statt weiter auf steigende Preise zu setzen. Nicht nur beim Öl und den Getreiden beobachtet Ingrid Sternby von Barclays Capital in London gegenwärtig einen deutlich regeren Handel von „Short“-Positionen, mit denen Händler auf fallende Kurse setzen. Sogar bei Kupfer, das zuletzt mit mehr als 4 600 Dollar je Tonne einen historischen Höchststand erreichte, habe sich an den Märkten eine „nicht unbeträchtliche“ Baisseposition gebildet.
Unter dem Strich überwiegt allerdings sowohl bei Kupfer als auch bei den übrigen Industriemetallen nach wie vor die Zuversicht. „Angesichts der soliden Fundamentaldaten – knappe Vorräte, Lieferengpässe und ein verbesserter Ausblick für die Weltwirtschaft – werden die Preise bis auf weiteres eher steigen als fallen, sagt Sternby. Bestätigt fühlt sie sich durch eine Umfrage der Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers. Darin haben Analysten in der vergangenen Woche ohne Ausnahme ihre mittel- bis langfristigen Preisprognosen nach oben revidiert.
Erstmals begründen die Fachleute in der Studie von Pricewaterhouse Coopers ihre Erwartungen auch mit den rapide steigenden Kapital- und Betriebskosten der Metallproduzenten. Diese könnten dringend notwendige Kapazitätserweiterungen verteuern und erschweren. Bei Kupfer klagen die Bergwerke über eine Kapitalkosteneskalation bei den ins Auge gefassten oder bereits in Angriff genommenen Projekten um zehn bis 70 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten. „Wer für die nächsten Jahre mit einem wahren Lieferschub bei diesem Metall gerechnet hat – könnte enttäuscht werden“, warnt Barclays-Analystin Sternby vor diesem Hintergrund.
Adam Rowley von Macquarie Research in London erwartet, dass der aktuelle Hochpreiszyklus – anders als oft vorhergesagt – über den Herbst des kommenden Jahres andauern wird. Den geringfügigen Rückgang der weltweiten Kupfernachfrage der vergangenen Monate schreibt er zu einem Gutteil der mangelnden Verfügbarkeit des roten Metalls zu. Dadurch entstehe für 2006 Nachholbedarf, der den Preis stützen werde.Die Citigroup hält im kommenden Jahr einen Kupferpreis von 5 100 Dollar je Tonne für möglich. „Schon jetzt ist klar, dass die Produktion nicht schnell genug wachsen wird, um mit dem Bedarf Schritt zu halten“, meinen die Banker. Auch Merrill Lynch revidiert zurzeit nahezu sämtliche Preisprognosen für die Industriemetalle bis 2007 nach oben - mit Ausnahme von Nickel.
Grund zur Freude hatten zuletzt Anleger, die rechtzeitig bei Zink eingestiegen sind. Dessen Preis schoss dieser Tage mit etwa 1 840 Doller je Tonne auf den höchsten Stand seit 16 Jahren – seit Jahresbeginn hat sich das Metall um mehr als 45 Prozent verteuert. Der Trend dürfte anhalten: Die Internationale Studiengruppe für Blei und Zink, ILZSG, geht für 2006 von einer Zunahme des Produktionsdefizits bei Zink auf 430 000 Tonnen aus – das entspricht rund zwei Drittel der gegenwärtigen Vorräte an der Londoner Metallbörse. Ein entscheidender Marktfaktor ist hier – wie bei so vielen Metallen – die hohe Nachfrage aus China. Gegenwärtig wandelt sich das Riesenreich von einem Zink-Exporteur zu einem Nettoimporteur. Vor allem der Mangel an Zinkkonzentrat steht einer maßgeblichen Ausweitung der heimischen Produktion im Wege.
Der Boom in China treibt die Metallpreise inzwischen bereits zunehmend auf der Produktionsvorstufe – der Verhüttung – in die Höhe. Die chinesischen Nettoeinfuhren von Kupferkonzentrat stiegen binnen Jahresfrist um 40 Prozent, die von Bleikonzentrat um mehr als ein Fünftel und die von Alu-Schrott um über die Hälfte. Die Einfuhren von Nickelkonzentrat stiegen gar um das Zehnfache.
Nachfrage aus Asien treibt Preise
Knappheit: Das relativ geringe Angebot an Metallen trifft auf eine hohe Nachfrage, insbesondere aus Asien. Zusätzlich droht – etwa bei Aluminium – die Drosselung der Produktion den Engpass noch zu vergrößern. Die Preise haben daher mehrjährige bzw. historische Höchststände erreicht.
Schrott: Angesichts der Höherbewertungen bei den Basismetallen steigen auch die Preise für Metallschrott.
Auswirkungen: Die steigenden Notierungen zeigen auch Wirkung an Nebenschauplätzen. So wird zunehmend von Diebstählen – etwa von Kupferrohren, Gullydeckeln oder anderen metallischen Gegenständen – berichtet.
Experten heben Prognosen an
Der Rohstoff-Boom wird fortgesetzt
Von Dieter Claassen
An den Metallmärkten bereiten sich die Händler auf den Jahresabschluss vor. Erfahrungsgemäß ist der Jahresabschluss ein beliebtes Datum für Gewinnmitnahmen – oder die Begrenzung von Verlusten.
LONDON. Selbst Optimisten haben es zuletzt vorgezogen, bei einzelnen Positionen Kasse zu machen, statt weiter auf steigende Preise zu setzen. Nicht nur beim Öl und den Getreiden beobachtet Ingrid Sternby von Barclays Capital in London gegenwärtig einen deutlich regeren Handel von „Short“-Positionen, mit denen Händler auf fallende Kurse setzen. Sogar bei Kupfer, das zuletzt mit mehr als 4 600 Dollar je Tonne einen historischen Höchststand erreichte, habe sich an den Märkten eine „nicht unbeträchtliche“ Baisseposition gebildet.
Unter dem Strich überwiegt allerdings sowohl bei Kupfer als auch bei den übrigen Industriemetallen nach wie vor die Zuversicht. „Angesichts der soliden Fundamentaldaten – knappe Vorräte, Lieferengpässe und ein verbesserter Ausblick für die Weltwirtschaft – werden die Preise bis auf weiteres eher steigen als fallen, sagt Sternby. Bestätigt fühlt sie sich durch eine Umfrage der Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers. Darin haben Analysten in der vergangenen Woche ohne Ausnahme ihre mittel- bis langfristigen Preisprognosen nach oben revidiert.
Erstmals begründen die Fachleute in der Studie von Pricewaterhouse Coopers ihre Erwartungen auch mit den rapide steigenden Kapital- und Betriebskosten der Metallproduzenten. Diese könnten dringend notwendige Kapazitätserweiterungen verteuern und erschweren. Bei Kupfer klagen die Bergwerke über eine Kapitalkosteneskalation bei den ins Auge gefassten oder bereits in Angriff genommenen Projekten um zehn bis 70 Prozent in den vergangenen zwölf Monaten. „Wer für die nächsten Jahre mit einem wahren Lieferschub bei diesem Metall gerechnet hat – könnte enttäuscht werden“, warnt Barclays-Analystin Sternby vor diesem Hintergrund.
Adam Rowley von Macquarie Research in London erwartet, dass der aktuelle Hochpreiszyklus – anders als oft vorhergesagt – über den Herbst des kommenden Jahres andauern wird. Den geringfügigen Rückgang der weltweiten Kupfernachfrage der vergangenen Monate schreibt er zu einem Gutteil der mangelnden Verfügbarkeit des roten Metalls zu. Dadurch entstehe für 2006 Nachholbedarf, der den Preis stützen werde.Die Citigroup hält im kommenden Jahr einen Kupferpreis von 5 100 Dollar je Tonne für möglich. „Schon jetzt ist klar, dass die Produktion nicht schnell genug wachsen wird, um mit dem Bedarf Schritt zu halten“, meinen die Banker. Auch Merrill Lynch revidiert zurzeit nahezu sämtliche Preisprognosen für die Industriemetalle bis 2007 nach oben - mit Ausnahme von Nickel.
Grund zur Freude hatten zuletzt Anleger, die rechtzeitig bei Zink eingestiegen sind. Dessen Preis schoss dieser Tage mit etwa 1 840 Doller je Tonne auf den höchsten Stand seit 16 Jahren – seit Jahresbeginn hat sich das Metall um mehr als 45 Prozent verteuert. Der Trend dürfte anhalten: Die Internationale Studiengruppe für Blei und Zink, ILZSG, geht für 2006 von einer Zunahme des Produktionsdefizits bei Zink auf 430 000 Tonnen aus – das entspricht rund zwei Drittel der gegenwärtigen Vorräte an der Londoner Metallbörse. Ein entscheidender Marktfaktor ist hier – wie bei so vielen Metallen – die hohe Nachfrage aus China. Gegenwärtig wandelt sich das Riesenreich von einem Zink-Exporteur zu einem Nettoimporteur. Vor allem der Mangel an Zinkkonzentrat steht einer maßgeblichen Ausweitung der heimischen Produktion im Wege.
Der Boom in China treibt die Metallpreise inzwischen bereits zunehmend auf der Produktionsvorstufe – der Verhüttung – in die Höhe. Die chinesischen Nettoeinfuhren von Kupferkonzentrat stiegen binnen Jahresfrist um 40 Prozent, die von Bleikonzentrat um mehr als ein Fünftel und die von Alu-Schrott um über die Hälfte. Die Einfuhren von Nickelkonzentrat stiegen gar um das Zehnfache.
Nachfrage aus Asien treibt Preise
Knappheit: Das relativ geringe Angebot an Metallen trifft auf eine hohe Nachfrage, insbesondere aus Asien. Zusätzlich droht – etwa bei Aluminium – die Drosselung der Produktion den Engpass noch zu vergrößern. Die Preise haben daher mehrjährige bzw. historische Höchststände erreicht.
Schrott: Angesichts der Höherbewertungen bei den Basismetallen steigen auch die Preise für Metallschrott.
Auswirkungen: Die steigenden Notierungen zeigen auch Wirkung an Nebenschauplätzen. So wird zunehmend von Diebstählen – etwa von Kupferrohren, Gullydeckeln oder anderen metallischen Gegenständen – berichtet.