"Ron, wann wird es endlich wieder Sommer?"
Dienstag, den 29.05.01 15:44
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Die Aktionärin Anneliese Hieke war hörbar erbost. "Was nützt uns eine Pflanze, die nur noch wächst und nicht mehr blüht?", rief die Telekom-Anteilseignerin aus Neckargemünd am Dienstag den rund 9500 Anlegern bei der Hauptversammlung des Telekommunikationsgiganten zu.
Das Publikum im riesigen Oval der Kölnarena dankte der Rednerin mit Applaus, denn Hieke hatte mit ihrem einprägsamen Bild aus dem Pflanzenreich die Kritik vieler Kleinaktionäre am Telekom-Vorstand unter Ron Sommer auf den Punkt gebracht. Angesichts des rasanten Falls der T-Aktie von mehr als hundert auf unter 30 Euro bekam Sommer auf der Aktionärsversammlung erwartungsgemäß heftigen Gegenwind zu spüren.
Trotz der anhaltenden Negativschlagzeilen, mit der die Telekom in den vergangenen Monaten von sich reden machte, gab sich Sommer aber betont selbstbewusst. Trotz Kurssturz an der Börse, spektakulärer Korrektur der Telekom-Immobilienwerte nach unten sowie den Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft gegen ihn - von persönlichen Versäumnissen wollte der smarte Telekom-Chef nichts wissen.
Der derzeitige Kurs der T-Aktie spiegele den Geschäftserfolg der Telekom "in keiner Weise wider", tröstete Sommer seine Aktionäre, von denen viele durch die Kursverluste in den vergangenen Monaten eine beträchtliche Summe Geld in den Sand gesetzt haben. Dies wurde von Sommer "außerordentlich" bedauert, eigene Verantwortung dafür aber bestritten.
Wenn Sommer überhaupt so etwas wie Nachdenklichkeit über möglicherweise hausgemachte Misserfolge erkennen ließ, dann in puncto Öffentlichkeitsarbeit. "Wir werden Erfolge und Fortschritte noch druckvoller kommunizieren", ging der Telekom-Chef jedoch auch in diesem Punkt sogleich in die Offensive.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Hintergünden der Immobilienneubewertung kommentierte er vor den Aktionären betont entspannt: Er sei "zuversichtlich, dass die Unbegründetheit der Vorwürfe am Ende offenkundig sein wird". Trotz aller Gerüchte um die Immobilien und ihre Bewertung: Die Eröffnungsbilanz der Telekom AG am 1. Januar 1995 sei "ordnungsgemäß zu Stande gekommen".
"Ich bin zutiefst überzeugt, dass wir aus unserem Kurstief herauskommen", versuchte Sommer die Aktionäre zu beruhigen, während zugleich der Telekom-Kurs an der Börse erneut kräftig nachgab. Für seine Rede erhielt der Telekom-Chef immerhin höflichen Beifall - wenn auch längst nicht von allen Anteilseignern in der Kölnarena.
Dennoch: Entgegen der Vorhersagen von Beobachtern verlief die Hauptversammlung zunächst alles andere als turbulent; die Sommer-Kritiker machtem ihrem Ärger über die Telekom-Spitze eher verhalten Luft. Beispielsweise Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der erneut Aufklärung über die Immobilien-Neubewertung forderte: "Wir wollen endlich Klarheit, wir wollen tabula rasa."
Petra Krüll von der DSW zeigte sich im Gespräch mit AFP enttäuscht von der Rede Sommers vor den Aktionären. "Er hat Formulierungen gewählt, deren Informationsgehalt die Kernfragen nicht beantwortet." Ständig spreche der Telekom-Chef nur über gestiegene oder künftig steigende Umsätze. "Informationen über den erwarteten Gewinn gibt er nicht." Andere Sommer-Kritiker in der Kölnarena wählten eine plakativere Form des Protests: Kurzzeitig spannten sie ein weißes Tuch über eine Zuschauerbalustrade mit der Aufschrift: "Ron, wann wird es endlich wieder Sommer?"
(pgi/afp)