Von Thomas Hillenbrand
Seit dem Enron-Desaster werden die Bilanzen von US-Unternehmen mit besonderer Sorgfalt durchgesehen. Das nimmt zum Teil ungesunde Züge an.
Hamburg - Die Enronitis ist eine heimtückische Krankheit: Sie befällt Firmen unbemerkt und unaufhaltsam, niemand kennt die Symptome genau. Wenn sie aber ausbricht, ist die Aktie auf jeden Fall todgeweiht.
Für solche Fälle haben Ökonomen natürlich eine Theorie parat: die der "Behavioral Finance". Der Amerikaner Eugene Fama behauptet beispielsweise seit Jahren, die Märkte seien nicht rational und effizient, sondern von Emotionen und Dummheit gesteuert.
Aber nicht doch! Nach dem Fall von Enron haben Analysten, Fondsmanager und Kleinanleger so was von rational gehandelt und seelenruhig Transparenz bei der Finanzberichterstattung gefordert. Wenn Famas Theorie stimmte, hätten die Märkte in heillose Panik verfallen müssen. Panik? Paperlapapp! Die Kritikpunkte der Börsianer an den Enronitis-Patienten sind samt und sonders stichhaltig und nachvollziehbar.
Patient eins: Der Softwarehersteller Microsoft. Bei dem Unternehmen von Bill Gates wird unsauber gerechnet, sagen Analysten. Seit Jahren trickse Microsoft bei der Gewinnberechnung herum und bilanziere viel zu konservativ. Dadurch sind die ausgewiesenen Gewinne zu niedrig. Wo ist das Geld hin? Vermutlich haben Gates und Gemahlin es selber eingesackt, um damit ihre Stiftung aufzustocken. Mit dem Cash, der Not leidenden Investoren zugestanden hätte, werden jetzt wohlmöglich irgendwelche Hungerleider in Rangun durchgefüttert.
Patient zwei: Der Grafikchip-Hersteller Nvidia. Das Unternehmen hat vergangenes Jahr die beste Performance aller S&P-500-Unternehmen abgeliefert. Das kann ja wohl kaum mit rechten Dingen zugegangen sein. Zudem wird Gipfelstürmer Nvidia laut "New York Times" seit Jahren von Shortsellern kritisiert (das sind die Leute, die Geld daran verdienen, wenn eine Aktie in den Keller geht). Vorwurf: Nvidia mache seit Jahre gute Geschäfte; und zwar mit Firmen, die nicht sonderlich bekannt sind. Ha! Unbekannte Firmen! Wahrscheinlich Partnerschaften à la Enron.
Patient drei: Der Mischkonzern General Electric (GE). Gegen den Mega-Mischkonzern führen Investoren gleich eine ganze Reihe von Kritikpunkten ins Feld. Erstens: GEs Bilanz ist kompliziert. Zweitens: Das Unternehmen ist viel zu groß. Das sind schwere Vorwürfe. Zumal wenn man so einen schlechten Ruf hat wie GE: Das Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren lediglich 16 Investor-Relations-Preise gewonnen.
Finanzchef Keith Sherin hat allerdings bereits reagiert: Ab sofort weist GE nicht mehr Zahlen für mickrige zwölf Geschäftsfelder aus, sondern für 26. Das ist übersichtlicher, da ist für jeden was dabei. "Unser Jahresabschluss", prahlt GE-Chef Jeffrey Immelt, "wird dann so dick sein wie das New Yorker Telefonbuch". Transparenz hergestellt, Unternehmen gerettet.
Schon nach Begutachtung dieser drei Fälle wird klar, was die rationalen Analysten und Börsianer von den Unternehmen erwarten: Sie dürfen nicht zu groß sein, aber auch nicht zu klein. Gewinne sind prima, aber bitte nichts aufblähen. Aber auch nicht zu konservativ bilanzieren. Und fortan nur noch leicht lesbare, auch für Laien unverzüglich verständliche Bilanzen veröffentlichen, aber jedes kleinste Detail mehrseitig beschreiben. Noch Fragen?
URL: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,183618,00.html
Seit dem Enron-Desaster werden die Bilanzen von US-Unternehmen mit besonderer Sorgfalt durchgesehen. Das nimmt zum Teil ungesunde Züge an.
Hamburg - Die Enronitis ist eine heimtückische Krankheit: Sie befällt Firmen unbemerkt und unaufhaltsam, niemand kennt die Symptome genau. Wenn sie aber ausbricht, ist die Aktie auf jeden Fall todgeweiht.
Für solche Fälle haben Ökonomen natürlich eine Theorie parat: die der "Behavioral Finance". Der Amerikaner Eugene Fama behauptet beispielsweise seit Jahren, die Märkte seien nicht rational und effizient, sondern von Emotionen und Dummheit gesteuert.
Aber nicht doch! Nach dem Fall von Enron haben Analysten, Fondsmanager und Kleinanleger so was von rational gehandelt und seelenruhig Transparenz bei der Finanzberichterstattung gefordert. Wenn Famas Theorie stimmte, hätten die Märkte in heillose Panik verfallen müssen. Panik? Paperlapapp! Die Kritikpunkte der Börsianer an den Enronitis-Patienten sind samt und sonders stichhaltig und nachvollziehbar.
Patient eins: Der Softwarehersteller Microsoft. Bei dem Unternehmen von Bill Gates wird unsauber gerechnet, sagen Analysten. Seit Jahren trickse Microsoft bei der Gewinnberechnung herum und bilanziere viel zu konservativ. Dadurch sind die ausgewiesenen Gewinne zu niedrig. Wo ist das Geld hin? Vermutlich haben Gates und Gemahlin es selber eingesackt, um damit ihre Stiftung aufzustocken. Mit dem Cash, der Not leidenden Investoren zugestanden hätte, werden jetzt wohlmöglich irgendwelche Hungerleider in Rangun durchgefüttert.
Patient zwei: Der Grafikchip-Hersteller Nvidia. Das Unternehmen hat vergangenes Jahr die beste Performance aller S&P-500-Unternehmen abgeliefert. Das kann ja wohl kaum mit rechten Dingen zugegangen sein. Zudem wird Gipfelstürmer Nvidia laut "New York Times" seit Jahren von Shortsellern kritisiert (das sind die Leute, die Geld daran verdienen, wenn eine Aktie in den Keller geht). Vorwurf: Nvidia mache seit Jahre gute Geschäfte; und zwar mit Firmen, die nicht sonderlich bekannt sind. Ha! Unbekannte Firmen! Wahrscheinlich Partnerschaften à la Enron.
Patient drei: Der Mischkonzern General Electric (GE). Gegen den Mega-Mischkonzern führen Investoren gleich eine ganze Reihe von Kritikpunkten ins Feld. Erstens: GEs Bilanz ist kompliziert. Zweitens: Das Unternehmen ist viel zu groß. Das sind schwere Vorwürfe. Zumal wenn man so einen schlechten Ruf hat wie GE: Das Unternehmen hat in den vergangenen fünf Jahren lediglich 16 Investor-Relations-Preise gewonnen.
Finanzchef Keith Sherin hat allerdings bereits reagiert: Ab sofort weist GE nicht mehr Zahlen für mickrige zwölf Geschäftsfelder aus, sondern für 26. Das ist übersichtlicher, da ist für jeden was dabei. "Unser Jahresabschluss", prahlt GE-Chef Jeffrey Immelt, "wird dann so dick sein wie das New Yorker Telefonbuch". Transparenz hergestellt, Unternehmen gerettet.
Schon nach Begutachtung dieser drei Fälle wird klar, was die rationalen Analysten und Börsianer von den Unternehmen erwarten: Sie dürfen nicht zu groß sein, aber auch nicht zu klein. Gewinne sind prima, aber bitte nichts aufblähen. Aber auch nicht zu konservativ bilanzieren. Und fortan nur noch leicht lesbare, auch für Laien unverzüglich verständliche Bilanzen veröffentlichen, aber jedes kleinste Detail mehrseitig beschreiben. Noch Fragen?
URL: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,183618,00.html