Der Koch, der Tod und die Börse

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Der Koch, der Tod und die Börse

 
21.07.03 07:46

Der Koch, der Tod und die Börse
Spitzengastronomie kostet viel Geld. Deshalb ging Drei-Sterne-Koch Bernard Loiseau an die Börse. Dann erschoss er sich. Die Geschäfte laufen dennoch.

von Carl Batisweiler / Euro am Sonntag

Man fand ihn in seinem Landhaus in Burgund, hingestreckt im Schlafzimmer, die Jagdflinte neben sich. Bernard Loiseau (52), Küchenkünstler und französischer Nationalheld, hatte seinem Leben ein Ende gemacht. Die Geschichte ging in Schlagzeilen um die Welt. Denn nicht seine Schulden oder ein Sturz der Aktien seines Gourmet-Tempels "La Cote d’Or", des einzigen an der Börse notierten Sterne-Restaurants der Welt, haben ihn nach Überzeugung seiner Anhänger in den Suizid getrieben. "GaultMillau hat ihn getötet", klagte sein Freund und Gottvater der Haute Cuisine, Paul Bocuse, die Tester des bekannten Restaurantführers an. Eine Woche vor dem Freitod am 24. Februar hatten sie Loiseau auf Mittelmaß abgewertet. Die drei Sterne des Guide Michelin, mit denen der Herdkünstler seit 1991 ausgezeichnet war, behielt er dagegen auch posthum. Schließlich, so beeilten sich die Urväter des Testessens nach Loiseaus Ableben zu versichern, werde die Auszeichnung nicht allein einem Koch, sondern dem jeweiligen Lokal verliehen.

Dort hat mittlerweile Loiseaus Witwe Dominique das Sagen. Die studierte Biochemikerin, ehemalige Gastro-Journalistin und Mutter von drei Kindern hat die Leitung des Geschäfts übernommen. "Bernard wusste, wie man delegiert, Menschen führt, und hat hervorragende Teams geschaffen, ohne die ich seinen abenteuerlichen Weg nicht weitergehen könnte", sagt sie. In der Küche gibt Loiseaus langjährige rechte Hand Patrick Bertron die Kommandos. Kenner trauen ihm die kulinarische Nachfolge des Meisters zu. Ob Börsianer auch Besser-Esser sind, hat bislang niemand untersucht. Offenbar aber glauben sie an die Zukunft der Bernard-Loiseau-Aktie. War sie nach dem Tod des Küchenchefs kräftig abgestürzt, ist das etwas außergewöhnliche Wertpapier an der Pariser Börse mittlerweile wieder gefragt. Außergewöhnlich war auch Bernard Loiseau selbst. Am Fuße eines Vulkans in der Auvergne geboren, lernte er bei den berühmten Troisgros-Brüdern sein Handwerk. Schon 1977 durfte er sich mit 17 GaultMillau-Punkten schmücken. Als Vertreter der Nouvelle Cuisine hatte Loiseau einen ganz eigenen Kochstil mit regionalem Bezug entwickelt. Berühmt war er unter anderem für seine Zubereitung von Gemüse, das er, Spezialität des Hauses, stets einzeln garte, um das Aroma zu erhalten.

Der Durchbruch kam in den 80er-Jahren mit dem Kauf einer alten Posthalterei in der Provinz, die er zum Lokal und Hotel ausbaute. Spätestens 1991, als Loiseau von Michelin mit drei Sternen die höchsten Weihen für seine Kochkunst erhielt, wurde Saulieu zum Pilgerort für Gourmets. Der Maitre nannte die Auszeichnung den "Sonnengipfel meines Lebens". Angenehmer Nebeneffekt: Nach Branchenschätzungen bringt jeder Stern eine halbe Million Euro Umsatzplus.

Welch immenses Ansehen Loiseau in Frankreich errang, belegt nicht nur seine Figur im Pariser Wachsfiguren-Kabinett gleich neben Paul Bocuse. Aus der Hand des Staatspräsidenten erhielt er die Insignien eines Ritters der Ehrenlegion. Um solche Popularität im Land der Schlemmer zu erhalten, musste Loiseau hart arbeiten. Unzählige TV-Auftritte machten ihn bekannt, seine Anhänger kauften stapelweise Videos mit Tipps des Meisters. Wo immer sich Frankreichs Spitzenköche trafen - Loiseau war dabei.

Das ständige Werben war auch notwendig, denn um den Aufwand für sein "La Cote d’Or" zu decken, musste der Laden immer voll sein. Schließlich werkeln dort mehr Angestellte als Platz für Gäste ist. So bekam Loiseau 1998 auch Appetit auf die Börse.

Mit rund fünf Millionen Euro Anlegergeld konnte er Hotel und Lokal in Saulieu ausbauen. In Paris eröffnete die nach ihm benannte Aktiengesellschaft drei Restaurants der mittleren Preisklasse, Tante Louise, Tante Marguerite sowie Tante Jeanne. Eine Fertiggericht-Reihe trägt Loiseaus Namen, und in einer eigenen Boutique können Kunden exklusives Zubehör erstehen. Zum Geschäft kam auch noch ein Berater-Service für Hotels und Küchen, den unter anderem Frankreichs zweitgrößter Kantinenversorger Agis nutzt.

Je mehr der Koch seine Umtriebigkeit und Medienpräsenz zum Geldverdienen nutzte, desto lauter wurden allerdings auch die Stimmen seiner Kritiker. Sie warfen ihm vor, er würde seine Küche nicht mehr weiterentwickeln. Schließlich folgte die vernichtende Herabstufung durch GaultMillau. Durch Loiseaus Tod gerieten die Kritiker selbst in die Kritik. Paul Bocuse etwa lästerte: "Sie wüssten, wie es geht, aber sie können es einfach nicht." Der britische Star-Koch und Loiseau-Freund Marco Pierre White, der auf seine drei Michelin-Sterne verzichtete, erklärte: "Sie haben einfach nicht die Qualifikation, um über einen wie ihn zu urteilen." Selbst Frankreichs Präsident Jacques Chirac nahm den Koch post mortem in Schutz: "Er hat zum internationalen Leuchten unseres Landes beigetragen und war Bestandteil unserer Kultur." Spätestens da war klar, dass der Macher Loiseau längst zur Marke geworden war. Auch Bernard Fabre, der Finanzchef des Unternehmens, ist von der Kraft der Marke Loiseau überzeugt: "Coco Chanel ist schon lange von uns gegangen, aber Chanel gibt es weiter." Als Beleg führt er den Umsatz der Boutique-Linie an - seit dem Tod des Kochs hat er um 40 Prozent zugelegt. Da mutet der Werbeslogan der Firma schon fast zynisch an: "Die Kunst des Lebens."

Quelle: Finanzen.net

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