Premiere kämpft ums Überleben
von Susanne Metzger und Hans-Peter Siebenhaar
H.-P. SIEBENHAAR
SUSANNE METZGER | DÜSSELDORF
Premiere sucht verzweifelt nach einem Ausweg aus der Krise. Das Fernsehunternehmen steht inzwischen mit dem Rücken zur Wand: Angesichts eines unerwartet hohen Verlustes, der äußerst schwierigen Kreditsituation und schwachen Abonnentenzahlen zweifeln Analysten inzwischen offen an einer schnellen Sanierung des Bezahlsenders. Die Commerzbank und Unicredit empfahlen, die Aktie des Unterföhringer Fernsehkonzerns zu verkaufen.
Zuvor hatte der seit rund zwei Monaten amtierende Vorstandschef Mark Williams den Markt mit miserablen Zahlen geschockt. Der Nettoverlust belief sich im dritten Quartal auf 89,1 Mio. Euro. Im Vorjahr hatte er mit 0,1 Mio. noch im Plus gelegen. Der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) sank im dritten Quartal auf minus 27,2 Mio. Euro, nach einem Plus von 22 Mio. Euro im Vorjahr. Auch bei den Abonnenten kommt Premiere nicht voran. Nach einer Überprüfung der bislang überhöhten Kundenzahlen verzeichnet das ehemalige Unternehmen des Medienunternehmers Leo Kirch nur noch gut 2,4 Millionen direkte Abonnenten.
Das Quartalsergebnis sei schlechter als erwartet ausgefallen, kommentierte Commerzbank-Analyst Maxim Tilev die Zahlen. Der Aktienkurs des Unternehmens sank gestern um fast fünf Prozent auf 3,31 Euro. Die Commerzbank erwartet sogar ein Abrutschen des Papiers auf zwei Euro.
Das Überleben des Unternehmens liegt nun in den Händen der Banken. Die Nettoverschuldung ist von 180,6 Mio. Euro am Jahresende auf nunmehr hohe 307 Mio. Euro angestiegen. Besonders deutlich wird die kritische Lage an den kurzfristig fälligen Bankschulden in Höhe von 341 Mio. Euro, denen der Bezahlsender nur 41,6 Mio. Euro an flüssigen Mitteln gegenüberstellen kann. Aufgrund der schlechten Quartalsergebnisse verletzt Premiere damit Kreditvereinbarungen. Die Banken könnten ihr Geld deshalb sofort zurückverlangen.
Premiere-Chef Williams verhandelt bereits seit Wochen mit einem Bankenkonsortium um einen Ausweg. Der langjährige Manager des Premiere-Großaktionärs News Corp. wollte gestern nicht zu den Chancen der Verhandlungen Position beziehen. Williams sagte nur: "Wir sind in konstruktiven Gesprächen." Die Verhandlungen über eine Restrukturierung der Kredite seien fortgeschritten.
Selbst bei einer erfolgreichen Umschuldung ist fraglich, ob die Probleme damit gelöst sind. Der operative Cash Flow ist seit dem Jahr 2005 negativ. Erst wenn Premiere im operativen Geschäft wieder Erträge erzielt, kann überhaupt an Schuldentilgung gedacht werden. Das werden die Banken bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.
Allerdings besteht mit einer Eigenkapitalquote von 52,4 Prozent noch ein gewisser Puffer in der Bilanz. Premiere könnte noch etwa vier Jahre lang Verluste in ähnlicher Höhe wie in 2008 einfahren, bis das Eigenkapital aufgezehrt ist.
Williams zieht aus der desolaten Finanzsituation bereits Konsequenzen. Der kompromisslose Sanierer verordnet dem Konzern einen harten Sparkurs. So verfügte der Vorstandschef einen Einstellungsstopp. Derzeit beschäftigt Premiere noch 1 100 Mitarbeiter. Im Unternehmen gibt es zudem Spekulationen, dass weitere Führungskräfte gehen müssen.
Die miserable Finanzsituation wird auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) zu spüren bekommen. Sie hat Ende Oktober die Fernsehrechte der Ersten und Zweiten Bundesliga ab der Saison 2009/2010 ausgeschrieben. Premiere ist mit 205 Mio. Euro für die Live-Rechte pro Saison bisher der größte Geldgeber der Liga. Der Sender liefert damit mehr als die Hälfte aller Einnahmen aus den TV-Rechten. Nach DFL-Angaben erwirtschaftet die Bundesliga pro Spielzeit 409 Mio. Euro aus der Verwertung in TV und Internet. Bis 21. November müssen alle Interessenten ihre Angebote abgegeben haben. Insider bei Premiere gehen davon aus, dass Williams die DFL unter Druck setzen wird. Denn Premiere muss die Programmkosten dringend reduzieren. Sie machen mehr über 50 Prozent der Kosten aus.
Die DFL ist damit in einer schwierigen Position: Zu Premiere gibt es offenbar nur wenige ernsthafte Alternativen. Zu den Interessenten gehört auch der US-Medienkonzern Disney mit seinem Sportsender ESPN. Dem Micky-Maus-Konzern werden allerdings in Branchenkreisen nicht allzu große Chancen eingeräumt. "Disney wird diesmal von der Bundesliga noch die Finger lassen", behauptet ein Medienunternehmer, der das Unternehmen seit vielen Jahren gut kennt. Die DFL wollte zum laufenden Bieterverfahren gestern keine Stellung nehmen.