Der erste Konzern der Welt

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Nassie:

Der erste Konzern der Welt

 
27.02.03 21:01
Cosimo de’ Medici gab Macht ab, um seinen Einfluss zu vergrößern. Der Bankier des Papstes ist ein Vorbild für jeden modernen Vorstandschef

Am Morgen des 5. September 1433 erklimmt ein unauffällig gekleideter Mann mit auffällig gebogener Nase die Stufen des Palastes della Signoria in Florenz. Der Bankier Cosimo de’ Medici, 43 Jahre alt und von bescheidenem Auftreten, ist mit dem Hohen Rat der Stadt verabredet. Wieder einmal möchte er ein wenig Politik machen, wieder einmal höflich ein paar Anweisungen im Sinne seines Geldhauses erteilen. Er kommt nicht mal bis zur Tür. Bewaffnete Wächter nehmen ihn fest. Die Politik hat sich gegen die Medici gewandt.

Ein rivalisierender Clan, die Albizzi, hat die Ratsherren bestochen und erpresst. Cosimo de’ Medici findet sich in einer winzigen Zelle im Glockenturm des Palastes wieder. Einen Monat später müssen er und seine engsten Verwandten die Stadt verlassen. Die Medici werden für zehn Jahre nach Padua und Venedig verbannt, die Geschichtsschreiber der Zukunft, so scheint es, werden sich ihren Namen nicht merken müssen.

Und doch wird Cosimo de’ Medici wenig später sein Unternehmen zum größten Bank- und Handelshaus der Welt ausbauen. Seine Firmengruppe wird in Island und in Afrika vertreten sein. Seine Mitarbeiter werden über die Seidenstraße bis nach China reisen, seine Verwandten werden der Nachwelt die Kunst von Michelangelo und Botticelli schenken.

Jahrhunderte bevor das Wort Konzern überhaupt existiert, ist Cosimo de’ Medici die Hauptperson in einer Geschichte über finanzielle Größe und ökonomische Machtergreifung.

Aber was ist das Geheimnis seines Aufstiegs?

Zunächst einmal ist es ein Gemisch aus Bestechung und Beziehungen, doch das unterscheidet die Medici nicht von anderen Familien. Intrigen und Erpressung gehören im Florenz des 15. Jahrhunderts zum täglichen Geschäftsgebaren. Die Stadt ist ein kapitalistischer Frühentwickler. Nicht der grundbesitzende Adel oder die heilsversprechende Kirche dominieren die Politik, sondern das Geld. Seit Mitte des 13. Jahrhunderts wird in Florenz der goldene Florin geprägt, die stabilste und am weitesten verbreitete Währung in Europa. Mit mehr als 20 Bankhäusern ist die 50000 Einwohner zählende Metropole das finanzielle Zentrum Norditaliens, die Schalterhalle der Stadtrepubliken Genua und Venedig. Deren Fürsten und Kaufleute dominieren den Welthandel, den sie mit Geld finanzieren, das sie sich in Florenz leihen. Bei Cosimo de’ Medici.

Aus Florenz in die Welt

Schon wenige Monate nach der Verbannung gewinnt die Medici-Fraktion in Florenz die Oberhand zurück. Sie zahlen mehr, sie intrigieren besser als andere Familien, und als die Albizzi die Stadt Florenz auch noch in eine blutige und verlorene Schlacht gegen das Herzogtum Mailand führen, heben die Ratsherren die Verbannung auf.

Im September 1434 kehrt Cosimo in seine Heimatstadt zurück. Nun hat er die politische Ruhe, die er braucht, um seinen größten Wunsch zu realisieren: Wachstum bis an die Grenzen der damals bekannten Welt.

Ein wichtiger Helfer dabei wird ausgerechnet die Kirche.

Der Papst und die Medici – eine ungewöhnliche Allianz. Denn das Bankgeschäft der Frührenaissance weist einen entscheidenden Mangel auf: Unter der Herrschaft der Kirche ist der Wucher untersagt. Wer Geld verleiht, darf keine Zinsen kassieren. Das Schlupfloch in den Dogmen der Kurie ist die Auslandsniederlassung. Die Bezinsung von Krediten lässt sich durch die Ausstellung von Wechseln kaschieren, die an einem anderen Ort und in einer anderen Währung fällig werden. Für den Ausgleich eines etwaigen Wechselkursverlustes berechnet die Bank dem Kunden eine Risikogebühr. So macht sie Gewinn, und die Kirche ist trotzdem zufrieden. Die wiederum braucht selbst Berater und Buchhalter, und diese Aufgabe erfüllen seit 1410 die Medici. Denn 1410 wird der Neapolitaner und ehemalige Seeräuber Baldassare Cossa zum Papst gewählt, und der ist ein enger Freund von Cosimos Vater Giovanni di Bizzi de’ Medici. Von nun an ist das Unternehmen Medici das offizielle Bankhaus Seiner Heiligkeit.

Diesen Ehrentitel nutzt Cosimo zu einem geldwerten Vorteil: Aus den sieben Familienzweigen der Medici sucht er sorgfältig die zuverlässigsten Vettern aus, stattet sie mit Startkapital aus und schickt dann einen nach dem anderen hinaus, um in den Wirtschaftszentren Europas Filialen zu eröffnen. In einer Welt, in der sich die Macht des Mammons nur langsam gegen die Kraft der Kirche durchsetzt, verbindet er beide. Cosimo macht den Namen Medici zur Marke des guten Geldes, er positioniert sich als der persönliche Bankier des Allmächtigen, was seinen Vertretern den sofortigen Zutritt zu den lokalen Fürstenhöfen sichert. Der Markteintritt ist geschafft.

Geschenke für das Volk

Innerhalb weniger Jahre entstehen Niederlassungen in Pisa, Mailand, Basel, Genf, Lyon, Avignon, Brügge, Antwerpen und London. Schnell merken die Medici, dass sie noch mehr Geld verdienen können, wenn sie sich nicht auf Geldgeschäfte beschränken. Die geistigen Herrscher in Rom verlangen nach weltlichen Gütern: Seidentapeten und Brokat, Pelze, Silber und Juwelen. So wird die Bank zum Handelshaus.

Über die Niederlassungen in London, Antwerpen und Brügge bestellt Cosimo de’ Medici die Luxuswaren des Nordens und verlädt sie nach Rom. Aus Italien schafft er Pfeffer, Olivenöl und Zitrusfrüchte an die mittel- und nordeuropäischen Fürstenhöfe. Der Erfolg verselbstständigt sich. Ganz gleich, wonach es Grafen und Fürsten, Herzöge und Könige verlangt – Medici hat’s.

Immer wieder spielt Cosimo die Verbindung zum Papst aus. Vor allem, als er sich um das Recht bewirbt, Alaun abzubauen. Auf dem Boden der Kurie sind große Mengen dieses Kalium-Aluminium-Sulfats gefunden worden, das bis heute unerlässlich für das Färben von Stoffen und das Gerben von Leder ist. Der Pontifex gibt seinem Bankier den Zuschlag, und dessen Firmengruppe beherrscht fortan ein Kartell, das den Abbau von Alaun auf dem gesamten Kontinent kontrolliert.

Das Bank- und Handelshaus ist allgegenwärtig: Wer sich bei Medici in Florenz Geld leiht, um bei Medici in London Wolle einzukaufen, unterzeichnet einen Wechsel, der sechs Monate später bei der Medici-Bank in Brügge fällig wird. In den florentinischen Anlagen der Medici lässt der Kunde die Wolle verarbeiten und verkauft sie über die Medici-Filiale in Antwerpen an die Teppichweber von Flandern.

In den 1450ern erreichen die Medici einen Jahresumsatz, der den Reichtum mancher europäischer Staaten übertrifft. Ihr Unternehmen nimmt eine Dimension an, wie sie heute nur Weltkonzerne wie General Motors, Exxon-Mobil oder DaimlerChrysler haben.

Cosimos entscheidendes Mittel zum Erfolg ist dabei eine Strategie, die amerikanische Manager 500 Jahre später als neue Entdeckung feiern: Dezentralisierung. Oder anders gesagt: die Selbst-Entmachtung des Patriarchen.

Im Florenz des 13. und 14. Jahrhunderts sind die Medici zunächst nur eine von vielen erfolgreichen Bankiersfamilien. Jede dieser Familien hat ein Oberhaupt, den Patriarchen. Der ist persönlich haftender Gesellschafter des Unternehmens und absoluter Herrscher über die Sippe, die er nach der Devise regiert, dass nichts geschehe ohne sein Wort.

Cosimo de’ Medici denkt weiter, und er denkt modern. Kommunikation ist im 15. Jahrhundert mühsam, jede Depesche ist nur so schnell wie der beste Reiter auf dem besten Pferd. Die wirtschaftlichen Interessen des florentinischen Bankiers aber liegen längst außerhalb der Stadt. Also mindert er seine eigene Macht. Statt Geschäftsführer einzustellen, zu bezahlen und ihnen Anweisungen zu erteilen, die sie erst nach Wochen und Monaten erhalten, beteiligt Cosimo sie als Mitinhaber und gewährt ihnen größtmögliche Unabhängigkeit.

In der Villa Medici, dem prächtigen Firmensitz in der Via Larga in Florenz, arbeiten nicht mehr als zehn Männer in kleinen Stuben, ausgerüstet mit Federkielen und Rechenschiebern. Ihnen und seinen Managern draußen in der Welt überlässt Cosimo das Tagesgeschäft, während er selbst, oft die Nacht durcharbeitend, sich auf strategische Entscheidungen beschränkt, die Jahresabschlüsse kommentiert, die Limits für die Kreditvergabe festlegt oder zwischen marmorverkleideten Wänden europäische Fürsten empfängt, die Geld brauchen, um ihre Kriege zu finanzieren. So macht sich Cosimo de’ Medici zum ersten Vorstandschef der Wirtschaftsgeschichte. 1458 hält er Mehrheitsbeteiligungen an 13 Unternehmen, die alle seinen und den Namen eines Partners tragen. Jede Filiale der Bank und jedes der Industrieunternehmen agiert als juristisch eigenständige Firma.

Cosimo ist ein milder Chef und ein großzügiger Geschäftspartner. Im Gegenzug für unbedingte Loyalität und einen Arbeitseifer, den man ein Jahrhundert später als protestantisch bezeichnet hätte, bezahlt er vergleichsweise üppige Gehälter. Giovanni Amerigo de’ Benci beispielsweise, der 1409 als Schreiber in der Bank in Florenz anfängt, arbeitet sich bis ganz an die Spitze und wird gleichberechtigter Partner in der Holding. Er stirbt 1455 als einer der reichsten Männer in Florenz. Eine Art von Karriere, wie sie selbst heute selten wäre.

Die Erfahrung des Putsches der Albizzi im September 1433 hat Cosimo de’ Medici gezeigt, wie gefährdet seine Rolle als Prinz von Florenz ist. Er fängt an, seine Position durch enorme Großzügigkeit zu festigen und schenkt seiner Heimatstadt kolossale Bauwerke. Filippo Brunelleschis Kuppel auf der Santa Maria del Fiore zum Beispiel dient nicht nur dazu, den besten Kunden der Bank, den Heiligen Stuhl, zufrieden zu stellen, sondern hilft auch, die Stadt für die Medici einzunehmen.

Zwischen 1434 und 1471 geben „der Alte“ und seine Nachfahren insgesamt 663755 Florin für öffentliche Bauten, die Förderung von Künstlern und die Erweiterung ihrer Bibliothek aus, damals die größte Schriftsammlung der Welt. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass im Florenz des 15. Jahrhunderts schon 150 Florin ausreichten, um ein Jahr lang in einem kleinen Haus mit Garten großzügig zu leben.

Das unternehmerische Genie in Cosimo de’ Medici lässt sich am schnellen Niedergang ablesen, den die Familie unter der Herrschaft des Enkels Lorenzo des Prächtigen erlebt. Durch seine Förderung von Michelangelo und Botticelli sponsert er zwar die Entstehung der vielleicht größten Meisterwerke der Kunstgeschichte, aber Sinn fürs Geschäftliche hat er nicht. Noch vor Lorenzos Tod 1492 geht das Lebenswerk von Cosimo de’ Medici unter.

DarkKnight:

Fazit des Ganzen:

 
27.02.03 21:04
Die Welt braucht Tyrannen, um der Welt Schönes und Bewundernswertes zu hinterlassen.

Oder?
Nassie:

Es müssen nicht undedingt Tyrannen sein

 
27.02.03 21:10
Ludwig der II. war melancholisch aber er erbaute die Märchenschlösser. Dafür war er
fast pleite.
DarkKnight:

upps, der Ludwisch hat gebaut?

 
27.02.03 21:12
so mit "selber Hand anlegen"?

Reschpeckt.

Da hätte ich mich auch ersoffen werden lassen, vor lauter Erschöpfung.

Datt arme Männeken, soviel Arbeit und sowenig Zeit.
Nassie:

Alter Zyniker

 
27.02.03 21:21
Ohne ihn gäbs das nicht.
DarkKnight:

@nassie: und, watt is datt Fett vom Potte am End?

 
27.02.03 21:31
Datt Fett is datt Flichtbesuch am Wochenend mit Kinners, Frouwes und sonstigem Geschmeiß, wo ich doch lieber Modellflugzeuch oder Bomben basteln würd.

Und weil et jedem jutem Ehemann so jeht, jibbet keen Terrorismus mehr in Bayern, die hanne kei Zeit mehr für wischtische Sache. Datt sach isch Dir. Aber der Toch wird komme ..
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