Der Bulle war gelb ... und wird bald grün:

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DarkKnight:

Der Bulle war gelb ... und wird bald grün:

 
21.11.00 09:11
In den Führungsetagen einiger bedeutender US-Banken ist das große Zittern ausgebrochen. In der vergangenen Woche ist den Instituten aufgefallen, dass sie allzu freigebig Kredite an ein Unternehmen ausgeliehen haben, das sich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet. Der von der Insolvenz bedrohte Konsumgüterhersteller Sunbeam steht bei ersten Adressen mit insgesamt 1,7 Mrd. Dollar in der Kreide - Schulden, die er möglicherweise schon sehr bald nicht mehr bedienen kann. Betroffen sind zu etwa gleichen Teilen Amerikas größte Geschäftsbank Bank of America, ferner First Union und sogar Morgan Stanley Dean Witter. Der Fall Sunbeam ist aber nur die prominente Spitze eines Eisbergs von Kreditrisiken. Was Amerikas Industrie immer wieder vorgeworfen worden ist, lässt sich auch auf die US-Banken ausdehnen: Die von Schönwetterkapitänen geführten Unternehmen sind für härtere Zeiten offensichtlich nicht gerüstet.

Besonders bedenklich ist, dass Amerikas Banken sehenden Auges in die Krise marschiert sind. Zum einen warfen sie im Hightech-Rausch finanziell zweifelhaften Unternehmen lukrative - weil hochverzinsliche - Kredite geradezu hinterher. Zum anderen haben sie - was eine noch schwerwiegendere Verfehlung darstellt - die fetten Jahre keineswegs dazu genutzt, um sich genügend Polster für kommende Krisen zuzulegen. Das Verhältnis von Risikovorsorge bezogen auf die Kreditportfolios hat sich in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert. Dies zeigt das Beispiel der Bank of America: Während per Ende September die Gesamtsumme der Ausleihungen an zahlungsunfähige Schuldner von 3,3 Mrd. Dollar vor einem Jahr auf aktuell 4,4 Mrd. Dollar gestiegen ist, wurde die Risikovorsorge im betreffenden Quartal von zuvor 450 Mill. Dollar auf 435 Mill. Dollar zurückgefahren. Hat man in den Führungsetagen das Gerede von der dauerhaften Transformation der amerikanischen Wirtschaft durch das Internet und damit die Mär von einem goldenen Zeitalter tatsächlich geglaubt? Der eigentliche Grund dürfte aber wohl der von Wall Street ausgehende enorme Erwartungsdruck sein. Insbesondere die bedeutenden Regionalbanken, die zwar das Rückgrat des US-Bankensystems darstellen, aber nicht über den Glamour der großen Brokerhäuser verfügen, sahen sich gezwungen, ihre Ergebnisse durch Kürzung der Rückstellungen aufzubessern. Dies rächt sich nun: Die gleichen Analysten, die zuvor höhere Gewinne um fast jeden Preis gefordert hatten, erarbeiten nun Listen von Banken, die von den Ausfallrisiken am härtesten getroffen sind und deren Aktien daher gemieden werden sollten.
Die Zeche zahlen zum einen die Anleger am Aktienmarkt, die ein Abschmelzen ihrer in Bankaktien und Hochtechnologietiteln investierten Mittel erfahren. Zum anderen wird dem gesamten Unternehmenssektor der Zugang zu dringend erforderlichem Kapital erheblich erschwert und verteuert. Die einstige Freigebigkeit der US-Banker könnte sich jetzt in ihr Gegenteil, nämlich in eine Geschäftspolitik der zugeknöpften Taschen, verkehren. Am Markt für Junk Bonds sind Spreads von annähernd 800 Basispunkten gegenüber zehnjährigen Treasuries und Zinssätze von 14% zu beobachten, wie es sie zuletzt 1990/91, auf dem Höhepunkt der letzten großen Rezession, gab. Dies hat die Emissionstätigkeit in dem Kapitalmarktsegment fast völlig zum Erliegen gebracht. Zwar ist es derzeit noch nicht so weit, Amerika droht aber möglicherweise der "Credit Crunch", die krisenhafte Verknappung verfügbarer Mittel. Kommt es dazu, wären zahlreiche Unternehmen in ihrer Existenz bedroht und die Expansion der US-Volkswirtschaft erheblich behindert.
Das Szenario wirft seine Schatten voraus: Bei Moody's gibt es derzeit doppelt so viele Herabstufungen wie Heraufsetzungen im Credit Rating. Betroffen sind in erster Linie Unternehmen aus den Bereichen Informationstechnologie, Gesundheitswesen und Telekommunikation, die bei den Hochzinsanleihen überproportional vertreten sind. Aber auch Ikonen der amerikanischen Industriegeschichte stehen unter Druck. Selbst AT & T wird genötigt, die hohe Verschuldung durch den Verkauf von Assets zurückzufahren, und Xerox' Schicksal hängt an einer einzigen noch verfügbaren Kreditlinie.
Eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht. Denkbar wäre eine Entspannung eigentlich nur dann, wenn die Fed die Zügel lockert und die Zinsen senkt. Dies würde die sich offenbar stark abkühlende Konjunktur anfeuern und dem Bondmarkt ein positives Signal geben. Daran denkt die US-Notenbank jedoch nicht. Sie blickt gegenwärtig allein auf die Inflationsgefahren und ist bereit, als Preis für die Kontrolle der Geldentwertung ein signifikant unter den bisherigen Erwartungen liegendes Wirtschaftswachstum zu akzeptieren. Auch wenn wohl noch keine akute Rezessionsgefahr besteht - das Bild einer "harten Landung" der US-Volkswirtschaft hat wieder an Aktualität gewonnen.
Bei aller zu konstatierenden Leichtsinnigkeit der US-Banken muss allerdings eines klargestellt werden: Von einem nennenswerten systemischen Risiko im amerikanischen Bankensystem kann man derzeit nicht sprechen. Hinsichtlich der auf den Kreditbestand bezogenen Eigenkapitalausstattung sehen die Institute besser als noch vor wenigen Jahren aus. Insofern sind die Hausse-Jahre doch nicht spurlos an den Banken vorübergezogen. Dieses Faktum scheint auch der Fed jenen Gleichmut zu verleihen, den sie zur Beibehaltung ihres restriktiven Kurses zweifellos benötigt.
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