Optionsscheine lassen sich für eine ganze Anzahl von Anlagestrategien einsetzen. Im Vordergrund stehen natürlich die Erwartungshaltung und die Ziele des Anlegers. Man kann Optionsscheine für sehr konservative Zwecke verwenden, zum Beispiel zur Absicherung vorhandener Wertpapierbestände. Man kann damit aber auch aggressive Spekulationen auf steigende oder fallende Kurse des Basiswertes durchführen. Und man kann einem konservativen Wertpapierdepot einen gewissen Renditekick verleihen, indem man einen kleinen Prozentsatz seines Kapitals in Optionsscheine investiert.
90/10-Strategie
Wer Letzteres vorhat, kann die so genannte 90/10-Strategie anwenden. Die Bezeichnung ist so zu verstehen, dass der Anleger in seinem Depot festverzinsliche Wertpapiere und Optionsscheine kombiniert. Der Depotanteil der Festverzinslichen beträgt 90 Prozent, 10 Prozent werden in Optionsscheine investiert. Die Idee dahinter: Die Zinserträge der Anleihen müssen so hoch sein, dass sie einen möglichen Totalverlust der Warrants kompensieren. Ein Anleger, der 100.000 Euro zur Verfügung hat, kann also 90.000 Euro in Bundesanleihen mit zwei Jahren Restlaufzeit und einer Rendite von 5,5 Prozent stecken. In zwei Jahren werden die Anleihen getilgt und er vereinnahmt insgesamt elf Prozent Zinsen, also 9.900 Euro. Er hat somit in zwei Jahren 99.900 Euro zur Verfügung, selbst wenn sich das Optionsschein-Engagement als völliger Flop erweisen sollte. Andererseits besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Warrants attraktive Kursgewinne bringen, wodurch die Gesamtperformance des Depots deutlich höher ausfallen würde, als wenn unser Anleger sein gesamtes Geld in Festverzinsliche gesteckt hätte. Die Anwendbarkeit dieser Strategie hängt natürlich vom allgemeinen Zinsniveau ab. Je höher der risikolos erzielbare Zins erstklassiger Anleihen liegt, desto sinnvoller ist sie.
Long Call
Die wohl bekannteste Strategie an den Optionsscheinmärkten ist der Kauf von Kaufoptionsscheinen (Calls), im Fachjargon "Long Call" genannt. Der Anleger setzt dabei auf einen Kursanstieg des Basiswertes bis zum Verfallstag des Scheins. Zum Erfolg führt diese Strategie nur dann, wenn der Break-even-Punkt erreicht wird: Der Kurs des Basiswertes muss auf ein höheres Niveau steigen als die Summe von Basispreis plus Optionsscheinkurs mal Bezugsverhältnis zum Kaufzeitpunkt. Transaktionskosten bleiben außen vor.
Long Put
Die gegenteilige Strategie, den Kauf eines Verkaufsoptionsscheins (Put), nennt man "Long Put". Man setzt dabei darauf, dass der Kurs des Basiswertes kräftig sinkt. Der Break-even-Punkt ist hier erreicht, wenn der Kurs des Basiswertes weniger beträgt als Basispreis minus Optionsscheinkurs zum Kaufzeitpunkt mal Bezugsverhältnis. Ein Beispiel: Sie kaufen einen Put auf eine Aktie mit Basispreis 100 Euro und einem Bezugsverhältnis von 1,0. Pro Warrant zahlen Sie zehn Euro. Der Break-even-Punkt liegt bei 90 Euro. Sollte die Aktie bis zum Laufzeitende Ihres Optionsrechts noch tiefer sinken, führt Ihr Engagement zu einem Gewinn. Auch hier sind Transaktionskosten außen vor gelassen.
Hedging
Optionsscheine lassen sich allerdings auch für sehr konservative Zwecke einsetzen; zum Beispiel zur Absicherung (Hedging) von Wertpapierbeständen gegen drohende Kursverluste.
Wer etwa große Aktienbestände im Depot hat und mit einer Abwärtsbewegung rechnet, kann auf den Gedanken kommen, die Aktien zu verkaufen. Eventuell sprechen aber steuerliche oder sonstige Erwägungen gegen einen Verkauf. Auch die hohen Transaktionskosten für den Verkauf und eventuell für den späteren Rückkauf sind in diesem Zusammenhang zu bedenken. Ein Verkauf ist aber gar nicht erforderlich, denn der Anleger kann sich mit Verkaufsoptionen (Puts) wirkungsvoll gegen Kursverluste seiner Aktien "versichern". Der Grundgedanke: Falls es tatsächlich zu Kursverlusten der Aktien kommt, steigt der Wert der Verkaufsoptionen, so dass unter dem Strich keine Werteinbußen entstehen.
Wie jede andere Versicherung kostet jedoch auch diese Absicherungsstrategie Geld: Der Kaufpreis für die Puts ist quasi als Versicherungsprämie zu verstehen. Wenn der Kursrutsch ausbleibt, ist diese Prämie zwar verloren, aber der Anleger kann beruhigt agieren.
Es ist zwischen einem statischen und einem dynamischen Hedge zu unterscheiden.
Der statische Hedge eignet sich als 100-Prozent-Absicherung zum Laufzeitende, der dynamische während der Laufzeit. Beim statischen wird nur zu einem Zeitpunkt berechnet, welche und wie viele Puts nötig sind, um das Depot abzusichern. Die Anzahl bleibt konstant, daher auch der Zusatz "statisch". Bei einem dynamischen Hedge wird hingegen die Put-Position je nach Kursentwicklung der Aktien regelmäßig angepasst. Die Position ist also "dynamisch". Profis wie Fondsmanager oder Vermögensverwalter ziehen meist den dynamischen Hedge vor.
Für die Zwecke von Privatanlegern reicht der statische Hedge oftmals aus, zumal die laufende Anpassung hohe Transaktionskosten nach sich ziehen würde.
Am leichtesten fällt der Hedge, wenn im Depot nur hochkapitalisierte Aktien enthalten sind, auf die es Puts gibt. Oder wenn die Zusammenstellung des Depots recht genau einem Index entspricht, auf den ebenfalls zahlreiche Puts gehandelt werden. In diesen Fällen kann man entweder jede einzelne Position oder das gesamte Depot mit entsprechenden Verkaufsoptionsscheinen absichern.
Je wertvoller das Depot, desto höher wird natürlich die Versicherungsprämie ausfallen. Außerdem hängt sie davon ab, wie umfangreich der angestrebte Schutz sein soll, ob der Anleger also quasi eine Vollkasko-Police oder Teilkasko mit Selbstbeteiligung haben will.
Hat ein Anleger ein Depot, das in hohem Maß dem DAX entspricht, und will sich absichern, kann er wie folgt agieren: Gesetzt den Fall, der DAX steht bei 3.000 Punkten und der Anleger befürchtet ein Absinken auf 2.000 Punkte. Er kann sich nun eine entsprechende Zahl von Puts mit einem Basispreis von 3.000 Punkten kaufen, um Vollkaskoschutz zu genießen. Diese Absicherung ist aber sehr teuer. Puts mit einem Basispreis von
#2.800 Punkten und identischer Laufzeit sind erheblich billiger. billiger. Wenn der Anleger letztere kauft, muss er einen Teil der Verluste selber tragen, falls es tatsächlich zum befürchteten Kurseinbruch kommt. Der Versicherungsschutz greift erst bei DAX Ständen von weniger als 2.800 Punkten. Der Bereich zwischen 2.800 und 3.000 Punkten entspricht also der Selbstbeteiligung bei einer Teilkaskoversicherung. Natürlich kann der Anleger auch je zur Hälfte Scheine mit Basispreisen von 2.800 und von 3.000 Punkten kaufen, eine noch höhere Selbstbeteiligung wählen und alle Möglichkeiten, je nach seiner Erwartungshaltung, beliebig kombinieren.
Diese Entscheidung ist nicht leicht und muss in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. Beim dynamischen Hedge lässt sich die Anzahl der benötigten Optionsrechte am besten über das Delta ermitteln, also anhand der Sensitivität eines Optionsscheins gegenüber Kursveränderungen des Basiswertes. Bei Puts steht vor dem Prozentwert des Delta ein Minusvorzeichen. Hat ein Put einen Deltawert von -50 (-25) Prozent, dann sind zur Absicherung einer Aktie zwei (vier) Puts erforderlich, denn der Put vollzieht eine Kursveränderung der Aktien ja nur im Verhältnis von 0,5 (0,25) nach.