Der alte Mann und der Dartpfeil
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Von Bernd Niquet
Nehmen wir einmal an, Sie hätten eine lebenswichtige Operation vor sich. Würden Sie sich hierbei im Ernst in die Hände eines Bäckers begeben? Und wenn dann an ihrem Auto die Bremsen zu reparieren sind, vertrauen Sie sich dabei der Kirche an? Und schließlich: Wenn Sie sich entschließen, den Garten um ihr Häuschen nicht mehr selbst zu pflegen, würden Sie dann dem Gärtner eine jährliche Provision von vielleicht 1 Prozent des jeweiligen Immobilienwertes gewähren?
Investment, das ganz besondere Gewerbe
Was im normalen Leben undenkbar, lachhaft und filmreif wäre, ist in der Investmentszene jedoch durchaus Normalität. Will sagen: Das Investmentgewerbe weist im Vergleich zu allen anderen Gewerbeformen ein derartiges Alleinstellungsmerkmal auf, dass es allenfalls noch mit dem Rotlichtgewerbe zu vergleichen ist. Man schaue sich dazu nur einmal die Vita derjenigen an, die hier in den Medien gemeinhin den Ton angeben.
Neulich saß ich gemütlich in meinem kleinen Café beim Mittagessen, als plötzlich mein Blick auf ein Börsenmagazin fiel. Und da das Essen an diesem Tage anscheinend etwas länger dauerte, blätterte ich ein wenig in dem Blatt herum. Da war beispielsweise die Werbung für ein Produkt zur Alterssicherung mit dem schönen Namen "Das AltersvorsorgeGewinner Zertifikat". Das ist natürlich ein geiler Name, der jedoch merkwürdigerweise anscheinend nicht einmal geschützt ist. Man bemerke dabei auch die moderne Schreibeweise des Zusammenschreibens von großgeschriebenen Hauptwörtern.
Dann jedoch verkommt die Werbung zur Realsatire, was schon alleine der erste Satz klarmacht, denn er lautet: "Die Sicherung der Altersvorsorge wird ein zentrales Thema für die kommenden Generationen sein." Doch erstens wird dies nicht die Altersvorsorge, sondern die Altersversorgung (!) sein, und zweitens ist dies nicht das Thema der kommenden, sondern das Thema der gegenwärtigen Generationen. Die kommenden Generationen werden uns nämlich anlässlich des alleine in der Bundesrepublik hinterlassenen Schuldenberges von über 5 Billiarden D-Mark bestenfalls ihr nacktes Hinterteil zeigen.
Alt und alt gesellt sich gern
Der Emittent dieses Zertifikates ist wenigstens konsequent geblieben und hat für das Management seines Produktes einen so alten Manager gefunden, der dann, wenn es wirklich darauf ankommt, schon lange die Radieschen von unten beschauen wird.
Aber das muss natürlich alles bezahlt werden. Und so kostet dann die Verwaltung dieses Zertifikates jährlich 1,5 Prozent auf den Anlagebetrag. Das klingt zwar auf den ersten Blick wenig, ist jedoch nicht wenig. Denn wenn wir einmal annehmen, dass die Performance eines derartigen Zertifikates etwa den historischen Durchschnitt der jährlichen Aktienperformance von 10 Prozent erreicht, dann bedeutet dies, dass schlichtweg 15 Prozent der gesamten Performance pro Jahr an Gebühren abgezogen wird. Sind es hingegen nur 5 Prozent Performance pro Jahr, so würde die Managementgebühr sogar 30 Prozent des Zuwachses betragen.
Und so kann man es sich wunderbar vorstellen, wie dieser alte AltersvorsorgeGewinnerManager genüsslich im Lehnstuhl sitzt, mit seinen Dartpfeilen auf das Kurstableau der in Frage kommenden europäischen Blue Chips wirft und sich dabei diebisch an seiner eigenen EinsKommaFünfAltersvorsorge erfreut.
Chancen für die Zukunft?
Vielleicht hat er ja auch den heutigen Chartkommentar von Martin Siegert von der Landesbank Baden-Würtemberg gelesen und kauft heute die Aktien von Danone. Denn "(k)onservative Anleger", so Siegert, "kaufen die Danone-Aktie nach erfolgtem Ausbruch aus der Keilformation und sichern den Titel mit einem Stopp um 128 Euro nach unten ab."
Aber was machen dann die fortschrittlichen und die nicht-konservativen Anleger? Vielleicht schließen sie sich eher den Gemeinden des südostfranzösischen Departements Isère oder dem Krankenhaus in der Bovary-Stadt Rouen an, die allesamt den Lebensmittelmulti wegen dessen umstrittener Arbeitsplatzpolitik boykottieren. Doch auch hier schließt sich natürlich der Kreis recht schnell wieder: Denn was geht das Rotlichtmilieu der Rest der Welt an? Solange doch die Kohle so wunderbar stimmt!
Dr. Bernd Niquet ist Buchautor. Seine beiden aktuellen Neuerscheinungen "1000 Prozent Gewinn" und "Die Welt der Börse" handeln über den Crash der Hightech-Aktien.
23.04. - 13:30 Uhr
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Von Bernd Niquet
Nehmen wir einmal an, Sie hätten eine lebenswichtige Operation vor sich. Würden Sie sich hierbei im Ernst in die Hände eines Bäckers begeben? Und wenn dann an ihrem Auto die Bremsen zu reparieren sind, vertrauen Sie sich dabei der Kirche an? Und schließlich: Wenn Sie sich entschließen, den Garten um ihr Häuschen nicht mehr selbst zu pflegen, würden Sie dann dem Gärtner eine jährliche Provision von vielleicht 1 Prozent des jeweiligen Immobilienwertes gewähren?
Investment, das ganz besondere Gewerbe
Was im normalen Leben undenkbar, lachhaft und filmreif wäre, ist in der Investmentszene jedoch durchaus Normalität. Will sagen: Das Investmentgewerbe weist im Vergleich zu allen anderen Gewerbeformen ein derartiges Alleinstellungsmerkmal auf, dass es allenfalls noch mit dem Rotlichtgewerbe zu vergleichen ist. Man schaue sich dazu nur einmal die Vita derjenigen an, die hier in den Medien gemeinhin den Ton angeben.
Neulich saß ich gemütlich in meinem kleinen Café beim Mittagessen, als plötzlich mein Blick auf ein Börsenmagazin fiel. Und da das Essen an diesem Tage anscheinend etwas länger dauerte, blätterte ich ein wenig in dem Blatt herum. Da war beispielsweise die Werbung für ein Produkt zur Alterssicherung mit dem schönen Namen "Das AltersvorsorgeGewinner Zertifikat". Das ist natürlich ein geiler Name, der jedoch merkwürdigerweise anscheinend nicht einmal geschützt ist. Man bemerke dabei auch die moderne Schreibeweise des Zusammenschreibens von großgeschriebenen Hauptwörtern.
Dann jedoch verkommt die Werbung zur Realsatire, was schon alleine der erste Satz klarmacht, denn er lautet: "Die Sicherung der Altersvorsorge wird ein zentrales Thema für die kommenden Generationen sein." Doch erstens wird dies nicht die Altersvorsorge, sondern die Altersversorgung (!) sein, und zweitens ist dies nicht das Thema der kommenden, sondern das Thema der gegenwärtigen Generationen. Die kommenden Generationen werden uns nämlich anlässlich des alleine in der Bundesrepublik hinterlassenen Schuldenberges von über 5 Billiarden D-Mark bestenfalls ihr nacktes Hinterteil zeigen.
Alt und alt gesellt sich gern
Der Emittent dieses Zertifikates ist wenigstens konsequent geblieben und hat für das Management seines Produktes einen so alten Manager gefunden, der dann, wenn es wirklich darauf ankommt, schon lange die Radieschen von unten beschauen wird.
Aber das muss natürlich alles bezahlt werden. Und so kostet dann die Verwaltung dieses Zertifikates jährlich 1,5 Prozent auf den Anlagebetrag. Das klingt zwar auf den ersten Blick wenig, ist jedoch nicht wenig. Denn wenn wir einmal annehmen, dass die Performance eines derartigen Zertifikates etwa den historischen Durchschnitt der jährlichen Aktienperformance von 10 Prozent erreicht, dann bedeutet dies, dass schlichtweg 15 Prozent der gesamten Performance pro Jahr an Gebühren abgezogen wird. Sind es hingegen nur 5 Prozent Performance pro Jahr, so würde die Managementgebühr sogar 30 Prozent des Zuwachses betragen.
Und so kann man es sich wunderbar vorstellen, wie dieser alte AltersvorsorgeGewinnerManager genüsslich im Lehnstuhl sitzt, mit seinen Dartpfeilen auf das Kurstableau der in Frage kommenden europäischen Blue Chips wirft und sich dabei diebisch an seiner eigenen EinsKommaFünfAltersvorsorge erfreut.
Chancen für die Zukunft?
Vielleicht hat er ja auch den heutigen Chartkommentar von Martin Siegert von der Landesbank Baden-Würtemberg gelesen und kauft heute die Aktien von Danone. Denn "(k)onservative Anleger", so Siegert, "kaufen die Danone-Aktie nach erfolgtem Ausbruch aus der Keilformation und sichern den Titel mit einem Stopp um 128 Euro nach unten ab."
Aber was machen dann die fortschrittlichen und die nicht-konservativen Anleger? Vielleicht schließen sie sich eher den Gemeinden des südostfranzösischen Departements Isère oder dem Krankenhaus in der Bovary-Stadt Rouen an, die allesamt den Lebensmittelmulti wegen dessen umstrittener Arbeitsplatzpolitik boykottieren. Doch auch hier schließt sich natürlich der Kreis recht schnell wieder: Denn was geht das Rotlichtmilieu der Rest der Welt an? Solange doch die Kohle so wunderbar stimmt!
Dr. Bernd Niquet ist Buchautor. Seine beiden aktuellen Neuerscheinungen "1000 Prozent Gewinn" und "Die Welt der Börse" handeln über den Crash der Hightech-Aktien.
23.04. - 13:30 Uhr